“Winterrr ii-iist gäkommän”

Teilt mir die Nachbarin mit, während wir Schirme und Anoracks trocken schütteln und gemeinsam in den 5. Stock reisen. “Ja”, sage ich zähneklappernd und dass heute morgen in der Zeitung stand, dass in den Bergen schon Schnee liegt. Da!

“Ii-iist sich viiel zu friieeh”, befindet sie vollkommen zu Recht und ich denke so bei mir, dass Bemerkungen über Kälte mit osteuropäischem Akzent gleich nach Eisschollen auf der Moskwa, hungrigen Wölfen in der Taiga und überhaupt sehr viel schlimmer klingen, als weißer Dreck von oben im September eh schon ist. Hrrrggnnn!

Fragt Oma

Früher sind Glühbirnen mit einen “Geronimo” auf den Lippen und mit Blitz und Bumm! aus dem aktiven Leuchteleben geschieden. Bei den heutigen Energiesparlampen habe ich den Eindruck, sie schleichen sich eher mit einem diskreten Puff…fff…fff…fff aus der Verantwortung.

A bissele fehlt mir die alte Großes-Finale-Show schon.

Nostalgie-Kino: “Confetti”, 2006

“Confetti” ist so einer von diesen Wohlfühlfilmen wie “Vier Hochzeiten und ein Todesfall” und “Love Actually”, lustig, luftig, leicht, schmissige Dialoge, nicht ganz ohne Drama, sehr britisch. Bei mir ehrenhalber in die Nostalgie-Kategorie aufgenommen, weil diese Streifen schon vor ihrer Entstehungsgeschichte so 4711-altmodisch sind.

Das titelgebende “Confetti” ist hier ein Fachblatt für Hochzeiten, das in einem alljährlichen Wettbewerb die schönste Hochzeit des Jahres prämiert, sich aber in diesem Jahr dafür entschieden hat, stattdessen die originellste zu nehmen. Hihi, haha. Allein der Bewerbungsprozeß ist schon ein Schenkelklatscher nach dem anderen, was das für Leute sind, hihi, haha und die drei Paare, die es schließlich in die Auswahl schaffen, hihi, haha.

Die Kamera ist die ganze Zeit life dabei (man nennt das Format “Mockumentary”), bei den jungen Menschen zu Hause, beim Klamotten anprobieren, beim Tänze proben, beim Streiten, drinnen, draußen, bei Terminen mit den Wedding Plannern, einem entzückenden schwulen Paar, das permanent herausgefordert ist, die Vorstellungen der Brautpaare (und ihrer Familien, oy!) vom “schönsten Tag ihres Lebens” mit dem knappen Budget der Chefredakteurin mit hoher Eigenleistung in Einklang zu bringen. Sehr sehr hübsch.

Ganz besonders wollte ich Olivia Colman und Robert Webb loben, die “Naturalisten” sein sollen, also die meiste Zeit nackich sind und mit dem “wann-bedecke-ich-was-für-wen” sehr schön spielen. Inzwischen habe ich aber gelesen, dass man die beiden wohl über den Tisch gezogen und nicht verpixelt hat, was man versprochen hat zu verpixeln und nun stehe ich als Publikum vor der Situation, dass Frau Colman eine schauspielerische Leistung erbracht hat, die für sie “die schlimmste Erfahrung” ihres Lebens war. Darf ich sie in der Rolle trotzdem gut finden? Hmmm.

Wo ich sonst immer erzähle, dass die Crème der britischen Schauspieler dabei war, ist es dieses Mal halbfette Sahne, aber immer noch Sahne und die können’s alle und machen es ganz wunderbar. Für einen äh-bäh-Herbstabend mit heißem Tee und Lebkuchen, ja, jetzt, absolut geeignet.

Verletzte Gefühle

Gibt es eigentlich, analog zum Fremdschämen, auch Fremdbeleidigtsein? Wenn nicht, würde ich es gerne als das Gefühl in den Kanon aufnehmen, das mich immer anspringt, wenn jemand meinem Auto eine von diesen “Wir-kaufen-jedes-Fahrzeug”-Visitenkarten unter den Scheibenwischer klemmt.

Neulich, im Theatermuseum: “making THEATRE” – Wie Theater entsteht

Hmmm.

Die Ausstellung will alles: erklären, wie die Idee für ein Stück entsteht, wie das dann auf den Spielplan kommt und wer aller dazuhilft, dass es schließlich auf der Bühne vor Publikum gespielt wird. Außerdem fragt sie, “was die Theaterwelt bewegt, heute, vor 50 oder 100 Jahren, zeigt dazu Highlights aus den historischen Sammlungen des Deutschen Theatermuseums, und lädt Sie ein, über die Zukunft des Theaters zu diskutieren!”

Dafür haben sie ein paar Fotos von Frauen gefunden, die auch schon mal was am Theater gemacht haben (es sind alles Frauen aus dem Brecht-Kosmos…), sich irgendwo eine Shakespeare-Folioausgabe entliehen, die in einem Glaskasten liegt und von einem armen schwer unterenthusiastischen Wachmann bewacht werden muss, eine Holzskulptur aufgestellt, “das Theatertier”, das die Zusammenarbeit aller Gewerke symbolisieren soll, bei uns aber eher Assoziationen an den dreiköpfigen Zerberus hervorruft.

In der oberen Etage sind nun endlich die Exponate aus der beispielgebenden Romeo-und-Julia-Inszenierung aus dem Resi zu sehen, Stoffstückerl und Perücken und Kostümzeichnungen und die Handbibliothek der Regisseurin und Modelle des Bühnenbilds, der ausfahrbaren Spirale, genannt das “Monster” und Text- und Regiebücher und eine nein, nicht Besetzungs- (tststs…), sondern Ausruhcouch, auch für Ausstellungsbesucher und Erklärtafeln an den Wänden zum Durchschnittseinkommen theaterschaffender Menschen und zu Arbeitszeiten und zu Sexual Harrassment und dann wieder Kleiderpuppen und Schaukästen und im letzten Raum, ganz hinten, riesige Videowände vom Premierenabend. Hinter der Bühne.

Es ist alles arg überfrachtet.

Die liebe Frau L. aus M., wie immer bemüht darum, mein Wissen zu erweitern, hat wieder eine Führung bei “unserem Eckstein” (s. https://flockblog.de/?p=50707) gebucht und der kluge pferdebeschwanzte Mann erzählt alles, was sein Trüppchen aus 20 Teilnehmerinnen (inkl. zweier Quotenmänner) dringend wissen muss. Er eröffnet mit dem provokativen Statement: “Theater ist kein Kreuzworträtsel” und ich gebe offen zu, das war ein Denkanstoß, über den ich bis heute grübeln muss. Dann muß er “auf die Metaebene gehen”, die er aber angesichts der Porträts der Brecht-Damen sofort wieder verläßt, um zu erläutern, “dass es schon aus dem feministischen Aspekt immer schon Frauen am Theater gegeben habe, denn, meine Damen, lassen Sie uns darauf einigen, dass Frauen auch nur Menschen sind”. Ist als Scherz gemeint, kommt bei den meisten auch genauso an. Bei mir nicht so.

Bei einer Gegenüberstellung zweier Kostümskizzen für Julia lernen wir, dass links eine “klassische verklemmte Renaissanceversion” zu sehen sei, rechts hingegen eine “moderne junge Frau, die auf Stiefeletten steht” (Minirock, Ringelpulli, Doc Martins). Nach der Textilkunde kommt Ecki zur Metaphysik, “Das Theater ist nicht in Echtzeit, die Zeit ist was Relatives und hat immer auch mit Raum zu tun” und dann geht es noch um die Verdienstmöglichkeiten, “mit dem, was man als Tänzer verdient, kann man keine großen Sprünge machen” und nein, das war kein Scherz, sondern unfreiwillig komisch und deswegen sehr.

Ich fürchte, ich bin nicht ganz Herrn Ecksteins Zielgruppe und kann die nächste Ausstellung im Theatermuseum wie weiland Gretchen unbegleitet anschauen.

Noch keine acht, tiefdunkle Nacht

Gerade nach einem herrlichen Spätsommertag wie diesem fehlen sie mir umso mehr, die lichten langen lauen Nächte.

Nach meiner Berechnung haben wir 26 Tage aus dem Juli gut. Wollte das nur einmal angemerkt haben.

Gelesen: Sebastian Haffner – “Winston Churchill”

Erste Beobachtung: es schreibt ein hochgebildeter Herr aus besseren Kreisen über einen hochgebildeten “barocken Herrn” aus besseren Kreisen. In einer Diktion, die schon für das Erscheinungsdatum in den mittleren sechziger Jahre ein wenig aus der Zeit gefallen sein dürfte. (Beispiel: Über Churchills Deutschlandbild: “Möglich, dass Churchills kurzer persönlicher Kontakt mit der Nazibewegung im München von 1932 etwas Tieferes in ihm aufgeweckt und aufgeschreckt hatte; selber ein Krieger von Geblüt und Instinkt, erkannte er wohl das Kriegerische, roch es sozusagen, wo es ihm begegnete.”)

Haffner ist, was man heute einen “Fanboy” nennen würde. Er hat ein Bild von seinem höchstpersönlichen Churchill und er sieht, dass der diesem Bilde ähnlich wird.* Dazu zählt auch, fast unverzeihbar, dass er Clementine “Clemmie” Churchill, dessen lebenslange Gattin, engste Beraterin und Freundin, der in anderen Biographien immer der ihr zustehende Raum gegeben wird, nur drei Mal erwähnt. Wobei schon das zuviel gesagt ist, denn die letzte “Erwähnung” ist ein Foto von “Churchill an seiner Goldenen Hochzeit”, auf dem Lady Churchill notgedrungen halt auch abgebildet ist. Ansonsten postuliert Haffner, “…von einer wirklichen Liebe, von einer bestimmten Frau weiß man nichts.” Mich hat das Gefühl beschlichen, dass Herr Haffner mit Winstons Wahl nicht zufrieden war und lieber mindestens eine Mata-Hari-Affäre beschrieben hätte. Darum gebracht, läßt er sich zu dieser Beschreibung herab: “Sicher war sie keine bloße Vernunft- oder Geldheirat: Die Braut war schön und vornehm, klug und charaktervoll, aber vermögenlos. … Und doch stockt man bei dem Wort ‘Liebesheirat’. … Es fehlt so völlig das Dramatische, Romantische, Sensationelle, das sonst für Churchills Leben so charakteristisch ist.” Mir haben bei der Lektüre dieses Absatzes die Plomben geschmerzt. Damit will ich aber nichts gegen Haffner als zeitgenössischen Biographen sagen, nur gegen sein wahrscheinlich ebenso zeitgenösisches Frauenbild.

Während des Krieges lebte Haffner im englischen Exil und viel näher kann man als deutscher Publizist in jenen Jahren dem Kriegs-Blut-Schweiß-und-Tränen-Premierminister, mit dem “eisenharten, verbissenen Vernichtungswillen, der den Churchill von 1940 zu einer Sagengestalt gemacht hat – einem vorweltlichen Kriegsdämon, der mit nackter Faust die Weltkugel stemmt, umloht von den Feuern des brennenden Londons” gar nicht gekommen sein. Ja doch, Herr Haffner, ist gut. Erst einmal hinsetzen, tief durchatmen. Ein Glas kaltes Wasser, vielleicht?

Nochmal, die Biographie ist gut, sehr schön logisch aufgebaut, extrem informativ und hat im Anhang ein umfangreiches Quellenverzeichnis. Die Herrensprache muss man halt mit einem Körnchen… ach was, mit einem Salzstreuer nehmen, dann geht das schon.

Nachtrag (der ist zu schön, um ihn nicht zu zitieren): Haffner kann Sir Stafford Cripps, den Mann, der den Kriegsdämon Churchill 1945 ablöst, nicht leiden. Das klingt dann so: “Ein Asket von kaltfunkelnder Intelligenz, eine Robespierremischung aus Puritanismus und Radikalismus, ohne Zweifel ein großer Mann in seiner dünnlippigen, messerscharfen Art, wäre da nicht irgendwo auch ein Zug von vegetarischer Fadheit gewesen.”

Hach!

Wie schon gesagt: die Sprache ist gewöhnungsbedürftig, ich habe die Biographie aber trotzdem gerne gelesen und verleihe mein Exemplar bei Interesse.

* Ja, gut erkannt, ist geklaut. Und zwar vom alten B.B.
“Was tun Sie”, wurde Herr K. gefragt, “wenn Sie einen Menschen lieben?” “Ich mache einen Entwurf von ihm”, sagte Herr K., “und sorge, daß er ihm ähnlich wird.” “Wer? Der Entwurf?” “Nein”, sagte Herr K., “Der Mensch.”

Ruhe sanft

Im letzten Herbst habe ich eine zweiteilige Vier-Jahreszeiten-(mehr kenne ich gar nicht)-Bettdecke gekauft, die mit, selbst für eine “Premium-Bettware”, erstaunlich umfangreicher Anleitung kam. Naiv, wie ich manchmal sein kann, dachte ich, zudecken würde reichen. Aber nein, ich soll zunächst ein 126-Seiten-E-Book herunterladen: “Gesundheitselixier Schlaf – mit 4Wochen Erfolgsformel”. Außerdem wird auf zwei Ökopappendeckelseiten grün auf ockerbraun ausführlich erklärt, dass die Decke leichter und damit für den Sommer geeigneter ist, wenn man nur zum dünnenTeil greift und dafür aber supermollig dick und warm, wenn man das dünne und das mitteldicke zu einem “extrawarmen Kuschelpartner” zusammenknöpft. Okay, verstanden. So, wie die Vogelschwärme gerade ständig den Himmel verdunkeln, ist nun höchste Herbstdeckenzeit, also habe ich weisungsgemäß die “Übergangsdecke” aus dem Sommerquartier geholt und bin damit einmal mit meinem Modell aus der “Silbermondkollektion” durch einen ganzen Deckzyklus gegangen. Sehr zufrieden.

Ich bin allerdings gespannt, ob es dem Hersteller noch immer so schwer fällt, sich von seinem Lieblingsprodukt zu trennen. Letztes Jahr bekamen wir, Decke und ich, eine überdimensionierte Grußkarte zu Weihnachten. Vorne das nächtliche Zürich, unter sternbedeckten Himmel die dunkle Limmat, gesäumt von hell erleuchteten Häusern, in denen, so der Text, Menschen “schnuggelig” unter ihren Decken lägen. So wie – hoffentlich – auch ich? Mit meiner Kuschelpartnerdecke? Ein bißchen aufdringlich, finde ich. Mehr Beziehung als Ware gegen Geld wollte ich mit denen nicht.

Außerdem: Ich weiß ja nicht, wie das in der Schweiz ist, aber meine Eltern hätten mir was erzählt, wenn ich vor lauter “Flugs-mit-dem-Kuschelpartner-in-die-Kiste” die Lichter im Haus hätte brennen lassen. Weihnachtskartenmotiv hin oder her.