Neu im Fernsehen: “Der Pass” – 3. Staffel

Von der ersten Staffel war ich seinerzeit restlos begeistert (s. https://flockblog.de/?p=40467), von der zweiten nur noch eingeschränkt (s. https://flockblog.de/?p=46284) und die dritte hat meine dunklen Vorahnungen nun bestätigt: In den dritten Aufguss haben sie ordentlich Horror gerührt und das Gebräu ist nicht besser geworden.

Wer sie noch nicht gesehen hat und das ohne Spoiler tun will, lese ab jetzt nicht weiter.

Das Welt ist immer noch grau und düster, das Wetter beschissen. Graue schwere Nebel klumpen sich über dem hohen Tann und wenn es, wie oft, regnet, dann fallen lange schwere Güsse. Der Berg meint es nicht gut mit den Menschen. Die Menschen miteinander aber auch nicht. Irgendein Kritiker hat vom “Alpengrauen” geschrieben. Recht hat er.

Stocker (Jentsch) ist traumatisiert vom Tod ihrer jungen Kollegin, den sie nicht verhindern konnte und war lang dienstunfähig, Winter (Ofczarek) ist traumatisiert von Kugel im Kopf, dann Kugel wieder rausoperiert und ganz überhaupt von seiner Kindheit in einer Kommune, in der der Guru den Begriff “freie Liebe” ausschließlich zu seinen Gunsten und zum Schaden aller anderen interpretiert hatte. Außerdem sind die beiden dieses Mal Gegner. Stocker will Winter endlich überführen, stößt aber bei den Oberen auf Widerstände. Der doch nicht. Und sie solle sich mal nicht so haben. War sie denn eh nicht gerade erst wegen so Psychosachen lang weg?

Dann passiert wieder ein sehr grausamer Mord im deutsch-österreichischen Grenzgebiet – und die Kamera bleibt drauf. Und drauf. Und drauf. Bis der ganze Mensch endlich laut schreiend ganz und gar verbrannt ist. Was ist aus dem schönen filmischen Mittel geworden, abzublenden und das Grauen der Phantasie der Zuschauenden zu überlassen? (Das geht nämlich ab jetzt bei jedem Mord so. Kamera drauf halten, und halten, und halten. Bahh!)

Natürlich wird wieder eine bi-nationale Sonderkommission eingesetzt, aber Stocker muss draußen bleiben. Sie kämpft mit unlauteren Mitteln um den ihr angestammten und ihrer Meinung nach zustehenden Platz, kriegt ihn auch. Aber dann ist Winter nie da, weil, der jagt in einer Privatfehde den Kinderschänder-Guru.

Nebenher kommen alte Mythen, Satanismus, Hexenverbrennungen und eine Art Ratten- sowie Kinderfängerwaldschrat, der “Schinderjackl” und sein neuzeitlicher Wiedergänger (August Diehl) vor, ein investigativer und doch käuflicher Reporter und auch ein aus der BRD in den austriakischen Bunker “geflohener” Reichsbürger, dessen perfekt abgerichtete deutsche Schäferhündin nur aus Versehen nicht Blondi heißt. Und alle sind sie irgendwie verwickelt und die Fäden zieht die böseste Giftspinne im Netz, die Freunderlimmobilienmogulin Gössen, die im österreichischen Naturschutzgebiet mit einer durch Bestechung und/oder Erpressung erworbenen Sondergenehmigung ein Protestcamp räumen und “Schweizer Luxus-Chalets” errichten läßt (geht’s noch dicker aufgetragen?).

Winter hat sich inzwischen wider die seelische und körperliche Pein über und über mit Fentanyl-Pflastern beklebt und wenn er nicht gerade halluziniert, bricht er schon auch mal zusammen und muss gerettet werden. Das übernimmt zuverlässig Stocker, denn irgendwie haben sich die beiden doch wieder vertragen (selten so eine schöne lakonische Versöhnungsszene gesehen). Zwischengeschnitten sind Interviews mit der Innenrevision – jetzt, wo die beiden endlich wieder miteinander können, wollen die Schmutz über Winter ausgraben. Ganz schlechtes Timing. Jetzt bleibt Jentschens Figur bockig und einsilbig.

Wie’s ausgeht, brauche ich nicht zu verraten, es ist nämlich sehr vorhersehbar. Ich hoffe, es halten sich alle an ihr Versprechen und diese dritte bleibt die letzte Staffel.

Und wo bleibt das Positive, Frau flockblog?

Nicht verzweifeln, werte Leserin, werter Leser. Auch in dieser Staffel gibt es wieder ganz großartige Momente. Wie schon gesagt, wenn Stocker/Winter sich die Feindschaft aufkündigen und wieder vertragen. Wie sich die Chemie zwischen Jentsch und Ofczarek langsam aber sicher wieder zurecht ruckelt, das macht wirklich Freude. Oder wie man mehr und mehr Mitleid mit dem zer- und verfallenden schwer alternden Ofczarek bekommt, bis man sich doch – zum wiederholten Male – bewußt macht, dass der Mann einfach ein großartiger Schauspieler ist und dieses Schicksal zum Glück nur der Rollenfigur wiederfährt. Multiple-Hach! Meine Lieblingsszene ist eine der widerlichsten und abstoßendsten in der ganzen Serie. Die nämlich, in der der heruntergekommene, verwahrloste, schmuddelige Ex-Guru (Alexander Stecher) dem damaligen Vergewaltigungsopfer Winter seine Version der damaligen Freie-Liebe-Kommune erzählt. Und, dass wer diese “Liebe” nicht auch hätte haben wollen, ja einfach hätte weggehen können. Das geht in Mark und Knochen.

Zu erwähnen sei noch der matschig-soßige sehr anstrengende Geräusche-Soundtrack, der meist dazu dienen soll, aufsteigende Spannung zu erzeugen und eher nervt – aber auch hier ein Lichtblick: die Schlußszene. Winter tanzt, erst allein, fast traumverloren, mitsingend, zu Wolfgang Ambros‘ „I drah zua“ aus den Siebzigern. Stocker kommt dazu. Gemeinsam tanzen sie die Serie zu Ende. Sehr sehr sehr schön.

Mir hätte es gereicht, ein paar Szenen zusammenzuschneiden. Dieses verschwurbelt-mystisch-abgehobene Horrorzeugs ist meins nicht. So viele Höhlen und dunkle Waldränder, die die eigenen Abgründe symbolisieren sollen. Ja mir gehst weida.

So, und wer bis hierher gelesen hat, sage nicht, er sei nicht gewarnt worden. Oder habe eine ganz andere Meinung. Auch recht.

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