Schönsprech

Amerikaner haben eine Affinität zu Euphorismen. Wenn zum Beispiel eine Firma hier Mitarbeiter entläßt, dann werden sie gehen gelassen (“let go”). Das klingt doch schön, fast so, als habe man dem langgehegten Wunsch der Menschen nach Freiheit entsprochen (“let my people go”) und nicht, als habe man sie der Arbeitslosigkeit preisgegeben. (Die deutsche Vokabel “freistellen” ist, nebenbei bemerkt, genauso unsäglich.) Gebrauchtwagen heißen auch schon lange nicht mehr “used cars” sondern “pre-owned”. Es geht noch besser: seit neuestem häufen sich an Autohäusern die Reklametafeln, auf denen “pre-loved” Modelle angeboten werden.

Gestern allerdings ist mir die Spucke weggeblieben, als mir eine Bekannte erzählte, sie habe sich von ihrem boyfriend getrennt, weil sie sich in “different places” befänden. Ja, das kann ich verstehen, Fernbeziehungen sind schwierig. Nein, spezifiziert sie, es handele sich um “different places in life”. Ah, glaube ich verstanden zu haben, der Altersunterschied war zu groß. Nei-en, sagt sie, eine beruflich erfolgreiche Frau, er habe ein “issue”. (Probleme gibt es hier nicht, allenfalls issues). Ich habe keine Ahnung, worauf sie hinauswill. Er, bequemt sie sich zu einer Erklärung, er lebe von “paycheck to paycheck” und sei damit zufrieden. Mooooment! Ich habe richtig gehört, oder? Boyfriend hat einen Beruf, der ihm Freude macht, verdient damit nicht viel und strebt aber auch nicht nach Vermögen. Ich kann durchaus begreifen, daß große Einkommensunterschiede eine Beziehung schwierig oder gar unmöglich machen – aber wenn das so ist, sollte man doch imstande sein, das Kind beim Namen zu nennen und dazu zu stehen. Hrrrrggggnnnn! Mir will scheinen, daß sie mich, seit ich ihr das gesagt habe (“let me share my opinion on this”), auch an einem different place sieht…

Macht nix, ich trage meinen “pink slip” (http://bit.ly/T6Ge) mit Stolz. Not my loss, wie wir hier sagen.

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