Nicht zu Ende gelesen: Wolfgang Hildesheimer – “Lieblose Legenden”

Hildesheimers Kurzgeschichtensammlung aus den frühen Fünfzigern gehört zum Kanon der deutschen Literatur und ich habe mir wirklich Mühe gegeben, diese Schnurren, Histörchen und Anekdötchen gern zu lesen. Geht aber nicht mehr. Humor / Komik hat offensichtlich ein Ablaufdatum.

Natürlich schreibt Hildesheimer seine “Satiren” auf den Kunst- und Kulturbetrieb in untadeligem Deutsch und selbstverständlich ist erkennbar, wenn er auf eine Pointe zusteuert und sie dann setzt, allein, ein Dreivierteljahrhundert später liest sich das nicht mehr komisch, sondern bräsig, behäbig, betulich, staubig.

Es tut mir sehr leid, Herr Hildesheimer. Ich hätte wirklich gerne. Aber ich kriege den ranzigen Geschmack beim Lesen nicht aus Mund und Nase und lege das Büchlein jetzt nach gut der Hälfte lieber weg. Sorry.

Neu auf Netflix: “Asterix & Obelix: Der Kampf der Häuptlinge”

Wie (fast) alle Menschen meiner Generation besitze ich eine komplette vielgelesene Sammlung der Asterix-Comic-Hefte und bin absolut zitatfest, beim Teutates. Verfilmungen habe ich so gut wie keine gesehen, daher auch keinen Vergleich, ob diese Produktion des Streamingdienstes mit dem gallischsten Namen von allen besser oder schlechter ist als andere. Sie ist… nett. Ja, doch, “nett” trifft es noch am besten.

Ob es nun wirklich ein Dienst am Feminismus ist, eine rundäugige Socialmedia-Halbwüchsige namens “Metadata” dazuzuschreiben, wage ich zu beweifeln. Dafür ist die Figur zu platt und vorhersehbar und schlägt sie sich, wg. vorhersehbar, als die alten weißen Männer sich wenig überraschend als verlogene Schurken erweisen, noch ganz fix auf die Seite der Guten und Gallier.

Nina Rehfeld von der FAZ schließt ihre sehr enthusiastische Kritik mit den Worten “Aber es könnte ja sein, dass man sich die Serie ohnehin mehrfach anschaut. Sie hat das Zeug zum Klassiker.” Halten Sie ein, Frau Rehfeld! Diese fünffolgige Animationsserie ist sehr familientauglich und freundlich schmerzfrei lustig. Ganz nett, halt. Mehr aber auch nicht.

Aufgeschnappt

Gestern, am Nebentisch. Ein Vater beruhigend zum hysterisch auf ein gelb-schwarz-gestreiftes Insekt reagierendes Kind: “Keine Angst. Das ist keine Biene. Das ist eine Unterart.”

Und jetzt alle: “Summ, summ, summ, Unterart summ herum.”

Gestern Abend in Tölz: Vorletzte Vorstellung – “Sizilianischer Tango – Der Tod trägt gute Schuhe” (Eine Mafiageschichte mit 238 Patronenhülsen und viel Gesang)

Nein, da täuscht sich der zufällig vorbeischnürende Passant, nicht der Volkshochschulkurs “Italienisch für Fortgeschrittene” bringt die Alte Madlschule in Bad Tölz mit einem mehrfach donnernden “Volare” zum Beben, es ist vielmehr die Theatergruppe der LUST und ihr Publikum, das hier den Heiligen Adriano aus vollen Kehlen lobpreist.

Zuallererst und überhaupt: schön ist es geworden, sehr schön! Ich hatte nach der Generalprobe (s. https://flockblog.de/?p=50712) nichts anderes erwartet und mich gefreut, eine solche Spiel- und Sangeslust miterleben zu dürfen. So schön rund geworden! Hach! Mehrfach! Vielfach! Ich lasse mir gerade zum Schreiben die Lieder noch einmal singen und habe dabei die Tölzer Stimmen im Ohr und bedaure außerordentlich, dass sie heute für diese Spielzeit schon zum letzten Mal erklingen sollen. Weil es halt gar so schön war. Mensch! Ich freue mich jetzt schon auf die Wiederaufnahme, und bin gespannt, wieviel neue Zeitgeschichte bis dahin passiert sein wird. Als ob papa morto, trumpo matto, tariffe alle stelle nicht schon reichen täten. Großes Lob, wie überaus geschickt sie alle Eingang ins Stück gefunden haben.

Ich weiß schon, ich habe Einzelkritiken in Aussicht gestellt. Will aber nicht. Weil: Ensembleleistung. Wie soll ein Chor schon funktionieren, wenn nur einer oder eine singt? Hmmm? Und wie soll dieses Stück funktionieren, wenn nicht alle ihr bestes und mehr geben? Hmmm? Genau so war es nämlich. Danke für diesen Abend! Macht ihr mal genauso weiter. Ohne Einzellob. Dafür aber noch einmal ein besonders großes an alle! Und molto, moltissimo grazie!

Anmerkung: Ich war ja nicht allein in Tölz, sondern habe den Abend verschenkt. Mit recht umfangreichen Vorbereitungen: Erst Quendolin (ein Hoch mit einem besonders schönen Namen) bestellt und Anfang Mai einen Sommertag (inklusive lauer Nacht) in erster Güte leuchten lassen. Dann vom Walgerfranz (danke an Rothmüller-Reisen für den Restaurant-Tip) Fische fangen sowie feinstens aufkochen lassen und auf der Terrasse geschlemmt. Und als Krönung des Ganzen ein verdammt schöner Theaterabend, quasi molto maledetto.

So ein schönes Geschenk! Und ich habs gemacht. Tja, hochgeschätzter Beschenkter, nun liegt die Latte für Dezember wieder ein bißchen hö-hö-höher.

Schienenersatzverkehr

Ich kann nicht behaupten, dass ich in den letzten 10 Wochen ein Fan von Ersatzbussen geworden wäre, aber doch, dass ich eine gewisse Toleranz entwickelt habe. Schließlich bin ich immer noch überall angekommen, wo ich hinwollte. Es hat halt nur länger gedauert. Ommm.

Gestern Abend war alles ganz anders. Weil nämlich alle Münchner und ihre Innen nach Süden strebten. Auf dem Mittleren Ring, den auch der qualvolle Bus, und nein, ich weigere mich, die Ölsardinen-Analogie zu benutzen, weil die Fischlein nämlich alle gleichermaßen nach Fisch riechen und, wegen Öl, schön aneinander vorbeiglitschen. Nicht so der Mensch. Gar nicht. Wo war ich?

Also, der megamonsterüberfüllte Bus kam erstens viel zu spät und dann auf der vollkommen zugestauten Stadtautobahn (hah!) im Zehnminutentakt jeweils um ca. eine Wagenlänge voran. Selbst die mathematisch eher unterbegabten Buben von neulich hätten ausrechnen können, dass auch der doppelte Puffer (eine halbe statt einer Viertelstunde) eine Illusion bleiben mußte.

Nach eineinhalb Stunden war ich statt bei meinem Termin wieder an meiner heimischen Behelfshaltestelle, dafür naßgeschwitzt und schwer genervt und habe sie alle verflucht. Die Südstreber, die MVG, die über- und unterparfürmierten Busmitnutzer*innen. Alle.

Noch ein Monat. Und wehe, die U-Bahn gibt dann Anlaß zur Klage.