Unter Cineasten

Lustig. Es scheint, als schaute ich zur Zeit eher alte Filme mit dem Begriff “kurz” im Titel an. Vielleicht sollte ich als Kontrastprogramm “The Long Good-bye” erwägen?

Auch schon 30 Jahre alt: “The Big Short”

Ja, das ist der Film, in dem Margot Robbie, in ein Schaumbad* gehüllt, Fachbegriffe aus der Finanzwelt definiert. Und in dem Christian Bale mal wieder zeigt, warum er hoch oben im Schauspiel-Olymp residiert und Steve Carell gleich daneben.

Ansonsten hat, wie wir wissen, Geschichte die Neigung, sich in einer schlechteren Version ihrer selbst zu wiederholen und darum lohnt es sich unbedingt, diese Aufarbeitung der Finanzkrise von 2008 mit ihren ganzen gräßlichen präpotenten Wallstreetwölfen (noch einmal) zu ertragen. Nicht zuletzt wegen der brillanten Besetzung.

Anschauen!

* Ja, die.

Nervig

Während ich nur eine Serie anschauen will, die auf einem Friedhof spielt, unterbricht Amazon Prime meinen Sehfluß und -genuß gefühlt alle Nase lang mit Werbung. Wobei sich mir der Kontext nicht erschließt. Das mit Weichspülmusi unterlegte Filmchen will mich zum Kauf von “Dove Whole Body Deo” animieren, wofür sich eine Dame, gewickelt in die Art Blütenkranz, der einer Wein- oder Kartoffelkönigin angemessen wäre, mit einer klebrigen Duftpampe beschmiert. Um den Busen herum, auf dem Bauch und an der Innenseite der Schenkel, damit sie auch “da unten” nicht etwa nach Mensch, sondern nach Chemie rieche.

What the Fuck?

Wie ich lese, könnte ich mich für weitere EUR 2,99 pro Monat von der Werbung freikaufen. Ich könnte natürlich auch mein Streaming-Geschäft bei einem anderen Anbieter als Jeff Bezos erledigen. Mache ich beim Bücherbestellen eh schon.

Neu zum Strömen auf Amazon Prime: “Drunter und Drüber”

Diese achtteilige österreichische Friedhofsserie entspricht vollumfänglich den in sie gesetzten Erwartungen. A bissele morbid, a bissele schräg, a bissele makaber, a bissele Wien, a bissele Tragik, a bissele Komik, quasi a bissele Ludwig Hirsch, a bissele meta mit einem Wartesaal für die Transittoten und einer Dauersoap im einzigen Fernsehprogramm. Aber auch nicht mehr.

Julia Jentsch und Nicholas Ofczarek funktionieren als odd couple, das kennt man. Ihm, dem überkorrekten Kontrollfreak, ewigen Vize und Aspirant auf die Nachfolge des von einem nicht vorschriftsmäßig befestigten Grabengel wunderschön erschlagenen Friedhofschefs wird sie, stets bemühter Schussel, vor die Nase gesetzt. Ofczarek brilliert in ein paar sagenhaften Soli (pars pro toto sein “My-Way”-Vortrag), Jentsch scheint mir unterfordert, das sonstige Friedhofspersonal darf ein paar schöne Macken zur Schau stellen, wie die Geigerin mit der “Fäkalhand” oder die Friedhofsgärtnerin (Ella Lee, die wollen wir uns merken) mit der arg breit getretenen Friedhofsphobie.

Alle Ideen abgehakt und umgesetzt. Thema nicht verfehlt, Aufgabe erfüllt. Aber nix funkelt, nix glitzert. Mit ganz großem Aufwand vom Beckenrand gepurzelt, wo es ein Kunstsprung vom Zehner hätte werden können.

Gelesen: Kurt Tucholsky – “Wenn wir einmal nicht grausam sind, dann glauben wir gleich, wir seien gut”; herausgegeben von Robert Stadlober

Der Tucholsky des Schauspielers und neuerdings auch Anderer-Leute-Werk-zu-eigener-Musik-Vortragenden Robert Stadlober ist ein Berliner Metropolenflaneur mit klarem Blick auf seine Stadt und ihre Metamorphosen. Es ist nicht der Schreiber schelmisch-schlüpfriger Couplets fürs Cabaret, nicht der lustig-tändelnde Spaßmacher und Salonautor, nicht der brillante Rezensent des Kulturbetriebs der Weimarer Republik, schon gar nicht ihr scharfer politischer Analyst, Denker und Mahner.

Das kann man so machen. Tucholskys Werk ist multidimensional. Ob man das so machen muss? Weiß nicht, mir würde was fehlen. Falls mal wer einen solchen musikalischen Abend mit Herrn Stadlober besucht, bitte ich, mir davon zu erzählen. Übrigens, das Büchlein aus dem Verbrecher-Verlag zu Berlin ist wunderhübsch besorgt und eignet sich großartig als Mitbringsel, wenn man nicht weiß, ob der zu besuchende Haushalt Rot- oder Weißwein bevorzugt und auf welche Blumen man dort allergisch reagieren könnte.

Aus dem Vokabelheft

Menschen aus diversen deutschen Gauen sind zu Gast und wie oft in solchen Fällen entspinnt sich eine Diskussion über den Genus von Butter. Der? Die? Das?

Es komme, postuliert ein zugereistes Nordlicht, ja nun wohl darauf an, “wo die Butter geboren” sei. Nämlich. Eine Runde Schnaps später prägen wir gemeinsam den Merksatz: “Wes Gras ich freß, des Kuh ich bin.” (Und der Cowboy darf dann festlegen, welches Pronomen Butter verwendet.)

Ja, ich habe die Diskussion sofort protokolliert. Und nein, ich verweigere mich der Unterstellung, dass ich mir Menschen nur einlade, um blogpost-Material zu sammeln. Ich tue das schon auch, um gemeinsam Alkohol zu trinken.

Gelesen: T. C. Boyle – “Stories I”

Ganz tiefer ehrfurchtsvoller Kotau. Gaaanz tief.

Neulich habe ich auf dem Buchumschlag eines anderen verehrten Autors seinen Blurb über einen weiteren verehrten Autor gelesen, dass jede seiner “Stories eine Masterclass” seien. Ich wünschte, das wäre mir eingefallen, denn das sind Boyles Kurzgeschichten. Meisterwerke. Ein Kaleidoskop von Epochen, Klassen, Regionen, Stadt und Land, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, Sprache, Manierismen, Sprachlosigkeit, unglaublich viel Wissen und immer in der genau passenden Diktion ganz genau auf den Punkt. In diesem Hirn würde ich zu gerne einmal Mäuschen spielen.

Ich habe mich mit ganz großem Genuß durch diesen 700-Seiten-Ziegel gelesen und der knapp tausendseitige Band II liegt schon auf dem Nachttisch. Was für ein Geschenk, dass ich nicht mehr Zeit auf Erwerbstätigkeit vergeuden muss, sondern ein paar Stunden am Tag lesen kann, wenn ich will.

Lesen! Lesen! Lesen!

Gelesen: Rebecca Solnit – “Men Explain Things to Me and Other Essays”

Solnit wird die Urheberschaft für den Begriff “Mansplaining” zugeschrieben, was beim Titel dieses schmalen Essaybandes nicht verwundert, von ihr aber zurückgewiesen ist. Allenfalls Patin sei sie gewesen. In sieben Essays erklärt sie sich und uns die Welt.

Ich bin nicht in allem mit ihr einig. Das macht aber nichts. Die inzwischen auch schon wieder 10 Jahre alten Essays sind Denkanstöße und sollten als solche gelesen werden. Wenn sich dann ein Diskurs daraus und darüber ergibt, ist das Ziel erreicht.

Ein paar junge Frauen in meinem Umfeld dürfen sich dieses Jahr auf ein sehr schön besorgtes Büchlein mit Bildern der mexikanischen Künstlerin Ana Teresa Fernández (s. https://anateresafernandez.com/category/paintings/) an den Kapitelanfängen zu ihren Geburtstagen freuen.

JOSHDAY

Wer die Daily Show mit Jon Stewart kennt, der/die kennt auch Josh Johnson. Ich mag den schon lange sehr gern, habe aber erst vor kurzem entdeckt, dass er immer dienstags seine neuen Stand-ups auf YouTube hochlädt. Ein/e mir geistesverwandte Forist/in kommentiert diese Dreiviertelstunden mit den Worten: “This isn’t even stand up, this is just public service.”

Richtig, Ironorchids. Ganz meine Meinung.

Falls wer Lust hat: