Adventskalender

Das gute Kind hatte in den letzten Tagen ein sehr gutes Händchen bei der Auswahl der Schönheiten hinter meinen Türchen. Ich kann mich nicht entscheiden. Macht es doch selbst.

Von wegen

Knatschorange, tischtennisballgroß – ich dachte, ich hätte ein Netz Clementinen gekauft. Scheint’s nicht. “Sonnenbomben” reicht der Herr im karierten Hemd mir hier dar. Mir hätten auch weniger martialisches simple Südfrüchte gereicht.

Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen!

Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen!
Es kam aus dem Verteilerzentrum,
in schiefgeparkten Kastenwagen
mit hektischen Warnblinkern.
Die steifen Hände taten ihm weh,
denn sie trugen Pakete, die waren gar schwer,
ein veritables Schlepperheer.
Was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihr Naseweise, ihr Schelmenpack –
denkt ihr, ihr kämet rein in den Truck?
Stop und go, das tun nur die!
Zoltan, Üzgür und Ali
Bleibt ihr weiter faul in den Kissen!

Sehr frei nach dem Weihnachtsgedicht von Anne Ritter

Wenn ich…

… kein Süddeutsche-Adventsquiz bis dato schneller gelöst habe, als die Fragen zum “Bahn-Jahr”, was sagt das dann über mich?

Entweder, dass ich mich der Berichterstattung wie wir alle der schieren Menge wegen nicht entziehen konnte oder, und das erscheint mir wahrscheinlicher, dass ich mich in die Riege “Staatlich leidgeprüfter Bahnnutzerinnen” hochgefahren habe.

Mit Zusatzqualifikation in Verspätung.

Abfent, Abfent

Ich hatte einmal eine Freundin, deren größter Groll mit ihrer Mutterschaft war, dass sie nun nicht mehr zu Weihnachtsfeiern eingeladen werde. Ich hatte ihr damals schon angeboten, dass sie statt meiner auf meine Firmenweihnachtsfeiern jetzt und immerdar gehen könne, das wollte sie aber nicht. Hat sich dann, glaube ich, später mit den Jahresendereignissen in Kindergärten und Schulen und Sportvereinen und so weiter wieder gegeben. Weiß ich aber nicht genau, da hatten wir schon nicht mehr viel mit einander zu tun.

So, genug der Vorrede. Ich war letzte Woche im Hunsrück, vorgeblich (leider nicht), um vor Ort zu arbeiten, hauptsächlich aber, um (it’s the season) an unserer Weihnachtsfeier teilzunehmen. Der ersten, die ich, seit ich in dem Laden bin, nicht organisiert habe. Einfach nur Gast sein. Das hat was. Mach ich nächstes Jahr wieder. Ist nämlich echt nett. Auffällig war nur, dass sich die beauftragten Dienstleister immer erst mal an mich wandten (“Können Sie hier was entscheiden?”). Es hatte aber wirklich Charme, wenn ich sie dann jedes Mal an meine halb so alte Kollegin weiterschicken konnte – “die macht das”. So regelt man Nachfolge.

Nun ist die Vorrede wirklich vorbei, denn eigentlich will ich nur vom Höhepunkt der Party erzählen, der alljährlichen Tombola. Es ist in dieser Firma langjährige gute Tradition, dass die Geschenke von Geschäftspartnern übers Jahr gesammelt, und in eben dieser Tombola als Preise ausgelobt werden. Unsere beiden Glücksfeen verlasen und tanzten (!) nicht nur Losnummern, nein, sie priesen die teilweise doch eigenartigen Artikel in den höchsten Tönen an. “Flaschenöffner mit integrierter Wasserwage”, “ein Beutel gemischte Weihnachtsdinger”, “Duftspray für Sicherheitsschuhe”, “diese Duftlampe wie von Aladadin” und viele andere Scheußlichkeiten mehr. Weil sie aber schon auf der Wanderung vorher dem aufwärmenden Glühwein zugesprochen und viele Kollegen Pröbchen vom selbstgebrannten Moonshine zur Verkostung ausgeschenkt hatten, verlosten die Ex-Weinkönigin und das Gardemädchen auch “eine Flasche rheinherben Riesling”, “Kirsch-Marzipan-Aufschnitt” (hab’s mir hinterher angesehen, war eine Art Marmelade) und, mein Favorit, “eine warless Schaschingschtäschion“. Andere Firmen engagieren Unterhaltungskünstler*innen. So lange wir unsere beiden beschickerten Feen haben, brauchen wir keine externen Spaßmacher.

Mir hatten die Glücksgöttinnen einen lieblichen lauwarmen Schaumwein aus der Region zugelost, den habe ich aber stante pede bei einem unserer Techniker gegen ein Paar Thermosocken in Größe 38 (“wer hat denn so winzige Füße?”) eingetauscht. Win-win.

Samstagfrüh in aller Herrgottsfrühe (ich frag mich ja jedes Mal, wenn mir dieser Begriff unterkommt, ob die Menschen seinerzeit damit ihren Gott gepriesen oder verflucht haben) gings dann dem Morgenrot entgegen (nach eineinhalb Stunden Fahrt der erste Lichtstreifen am Horizont), dafür waren wir gegen High Noon auch schon in München.

Einmal mach ich das noch mit. Dann ist aber auch gut.

Abfent, Abfent

Das ist die Zeit, in der, bevor die Mülltonnen wieder mit Geschenkverpackungen vollgestopft werden, nichts voller ist als der Spamfolder.

Gestern Abend in der Unterfahrt: Rabih Abou Khalil

Hach! Ach was: Hach hoch x. Wobei x eine sehr sehr hohe Zahl sein soll!

Was für wunderschöne Musik, was für ein toller Abend! Die Band um den Oud*-Virtuousen und manchmal eigenartig humorbegabten Alleinunterhalter** Rabih Abou Khalil, namentlich sein Schlagzeuger Jarrod Cagwin (Sextupel-Hach!!), der Geiger Mateusz Smoczynski und der Cellist Krzystof Lenczowski ist ihm auf diesem hohen Niveau mehr als ebenbürtig und es ist eine sehr große Freude, ihnen beim Spielen zuzusehen und bei den Klängen mitzugrooven. Die Unterfahrt war mal wieder bis zum letzten Platz ausverkauft und wir durften gemeinsam ein Konzert in Lebensmittelmusik erleben. (Ich glaube, jede zweite Komposition hatte irgendwie mit Essen zu tun. Wenn’s langt.) Man hat nicht gelebt, wenn man nicht die Ode ans finnische Fischstäbchen kennt.

So schee wars. Wenn der wiederkommt, gemma wieder hin. Wer will, darf mit.

* Wie ich jüngst gelernt habe, übersetzt man den Namen des Instruments mit “Knickhalslaute”. Hmmm.

** Ich war manchmal versucht, den inzwischen berühmt-berüchtigten Zwischenruf eines Redneck-Zuschauers bei einem Konzert der damals noch “Dixie” Chicks zu wiederholen: “Shut up and sing!”

Also, wenn ich die Wahl hätte…

… zwischen Rutschpartien im spiegelglatten Winterwunderland und dem Umkurven schmutzgrauer Haufen unter Rollsplitpanade, dann…

… dann würde ich immer nehmen: 30° und Sonnenschein sowie ein Meer in Spuckweite.

Vorhin auf Kununu

Mein Unternehmen hat von einem offensichtlich sehr begeisterten Mitarbeiter eine Fünf-Sterne-Bewertung bekommen. Hah!

Gestern Abend im Metropoltheater: “Das Achte Leben (Für Brilka)”

Vorrede 1: Meine langjährige Freundin hatte das knapp 1300-Seiten-Buch in den Ferien gelesen und mir schon 2019 ans Herz gelegt. Es liegt, wie viele dieser Ziegelbücher, auf dem Wenn-ich-bald-in-Rente-bin-Stapel und wird sicher gelesen werden.

Vorrede 2: Ich hatte jüngst so eine große Freude an meinem “Blind”-Geschenk (“Sei dannunddann daundda und lass dich überraschen”), s. https://flockblog.de/?p=48802, dass ich die Idee gleich selbst verschenkt und einer anderen Freundin aufgegeben hatte, sich den Nachmittag des 10. Dezember freizuhalten und dannunddann daundda zu sein und sich überraschen zu lassen.

Nun also geht es los. Mit einer Fahrt in der U6 nach Freimann, durch die eklige Unterführung zum Metropoltheater. Dass es funktionieren kann, einen Jahrhundertfamilienroman für die Bühne zu adaptieren hatten wir in den Kammerspielen mit den “Effingers” gesehen (https://flockblog.de/?p=45699). Was die Metropolmannschaft aus ihrer Vorlage gezaubert hat, ist um Klassen besser.

In der Pause wissen wir nicht, was mehr berührt ist. Hirn? Herz? Bauch? Jede Beschreibung der Eindrücke aus der ersten Stückhälfte mündet darin, dass wir irgendwann die Hand unbestimmt zum eigenen Oberkörper führen, weil Worte fehlen. Was für ein Geschenk! Wie überaus großartig, welches Universum dieses Ensemble, bestehend aus sechs Frauen, zwei Männern und einem eigenartig androgynen Gerd Lohmeyer, der die Matriarchin Stasia spielt, in 22 verschiedenen Rollen auf der eher kargen Bühne erschafft. Mit welcher Kraft, welchem Sog sie das Publikum in den Anfang des zurückliegenden Jahrhunderts zum Kaukasus ziehen, ins kleine Georgien und zum erwachenden großen sozialistischen Bruder, der Sowjetunion. Alles, was auf der weltpolitischen Bühne geschieht, hat in diesem ersten Teil immer einen direkten Effekt auf ein Individuum und damit auf dessen Umfeld und es bleibt einem zuschauend nichts, als mitzuleiden. Immer mehr mit den Frauen als mit den Männern, die, egal ob Schläger, Soldat oder Politkommissar, seltsam konturlos bleiben.

Es gibt Momente, die brennen sich ein. Ich werde noch eine lange Zeit brauchen, bis mir vor roter Strickwolle und dicken Holznadeln nicht mehr graut. Nichts, gar nichts, ist frei von Gewalt. Die Beziehungen der Erwachsenen nicht, die der Kinder auch nicht. Der Umgang der Obrigkeit mit der Untrigkeit nicht, wie es zwischen den Geschlechtern aussieht, kann man sich in diesem Kontext denken. Doch jede Gewalt, ob jemand zu Klump geschlagen oder vergewaltigt wird, unter Schmerzen gebiert oder die Frucht gegen den Willen der Mutter abgetrieben oder jemand von einem Erschießungskommando niedergeballert wird, zeigt diese Inszenierung mit allen (beeindruckenden) Mitteln der Verfremdung. Der Herr B. aus Augsburg wäre stolz gewesen auf seine Adlaten.

Nach der Pause ist der auch der 2. Weltkrieg zu Ende, der Eiserne Vorhang ist fest geschlossen, gleichwohl bricht im Osten wie im Westen die Jugend auf, diese Welt zu ändern. Doch je länger die Weltgeschichte dauert, desto kaputter werden die Mitglieder dieser Familie. Jeder trägt am schweren Ballast der Vergangenheit und an seinen Toten. Obwohl die Bilder und das Schauspiel für sich sprechen könnten, werden die Dialoge länger, erklärender. Hier zerfasert die Inszenierung ein wenig, da wäre eine halbe Stunde weniger mehr gewesen.

Trotzdem. Die Ausstattung hat sich, wie so oft im Metropol, wieder selbst übertroffen. Einfach, minimalistisch, auf den Punkt. Die Mitglieder des Schauspielensembles sind einander wohltuend ebenbürtig, und wenn ich einen hervorheben darf, dann Patrick Nellessen, dessen eher bullige Physiognomie ihn auf einen Rollentyp festzulegen scheint, den er aber permanent (in insgesamt sieben Rollen) aufbricht. Und die Musik wieder. So unauffällig und leicht hineingewoben, dass mir oft erst hinterher auffiel, was ich da gehört hatte.

Keine leichte Kost und ohne Selberdenken geht es nicht. Das war eine Vorstellung, die mir ständig wieder ins Gedächtnis gerufen hat, dass während der Pandemie Fußball okay und Kirchen offen waren, aber Theater nicht. Dabei brauchen Menschen das. Ja. Das. Das Theater als moralische Anstalt. Ich bin froh und dankbar, diese Inszenierung erlebt haben zu dürfen.

So. Un-be-dingt anschauen! Anschauen! Anschauen!

Hier gibt es Karten: https://www.metropoltheater.com/aktuell.html