
Wer hat eine Idee, was diese Leute mir andrehen wollen? Bin mal sehr gespannt auf die Vorschläge.
Die Auflösung gibt es heute in einer Woche im flockblog.

Wer hat eine Idee, was diese Leute mir andrehen wollen? Bin mal sehr gespannt auf die Vorschläge.
Die Auflösung gibt es heute in einer Woche im flockblog.

So kündigte das Literaturhaus jüngst seine neueste Ausstellung an. Ich bin nicht sicher, ob die Autorin sprachschöpferisch tätig werden wollte, sie hat’s aber auf jeden Fall getan. Und so gelungen.
Falls wer fragt: am Wochenende tute ich nichts.
Ich vermute, das hätte wieder ein großer Wurf werden sollen, aber dieses Mal macht es sich Ms. Okorafor zu einfach. Ja, alles drin: Kapitalismuskritik, Kolonialismuskritik, Klimakatastrophe, eine physisch verkrüppelte blitzgescheite Mechaniker-Heldin (“AO” für “Autobionic Organism”), die sich ihre Autonomie über hochentwickelte Prothesen und höllische Schmerzen erkämpft und der ultraböse anonyme Gegner “Ultimate Corp”, der Länder der dritten Welt ausbeutet und traditionelle Lebensweisen ausradiert.
Es gelingt ihr aber bis zum Schluss nicht, mir schlüssig zu erklären, warum AO ist wie sie ist. Es gab “Experimente”, es gab gentechnisch veränderte Lebensmittel, die die Mutter während der Schwangerschaft gegessen hatte, ja, schon. Es gibt auch, natürlich, wir sind in Nigeria, einen weisen alten Mann in einem Zelt, der mit Juju und Joints operiert und Lebenshilferatgeber-Kalendersprüche (“Know. Your. Worth.”) mit auf den weiteren Weg gibt, die nicht besser werden, bloß weil die Schreibweise ungewöhnlich ist. Und jetzt? Was soll ich damit anfangen?
Nein, nein, das ist alles schlampig und billig heruntergerotzt. Das liest frau nur zu Ende, weil sie für den Badesee kein Zweitbuch eingepackt hat.
Hochgehyped ohne Ende. “Surreal”, “saukomisch”, “Sternstunde”. Nix da.
Mit dem dicken Klischeeschlauch auf alles gehalten. Und es dilettieren in einem selbst für Stuttgarter Maßstäbe grottenschlechten Schwäbisch ein unter Drogen gesetzter Grinsekommissar (Richy Müller), eine resolut-alliterative Schweinebäuerin Beate Bechtle (Therese Hämer), deren Gatte, die grundehrliche Haut (Klaus Zmorek) und der gemeinsame grenzdebile Sohn (Valentin Erb), das Dummschurkenpaar Jan und Jessy (Frederic Linkemann, Rilana Nitsch) sowie der böse Hop-Sing-Verschnitt (Poki Wong) in einem wenig lustigen substanzlosen Stück bis Doldinger zum Abspann bläst.
Das sind so die Fernsehabende, an denen ich mir ernsthaft überlege, was ich für die 18,36 Euro Rundfunkgebühr in diesem Monat alles gekauft haben könnte…
In einer Zeit, in der der Stellenmarkt mehr und mehr zum Bewerbermarkt wird, muss man sich als Unternehmen schon was einfallen lassen, um das Interesse potentieller Kandidatinnen und Kandidaten zu wecken.
Bin gespannt, wer bei denen und ihren Werten seine neue berufliche Heimat sucht.
(Kursiv: original vom rekrutierenden Unternehmen. In Klammern: original von mir.)
Eviva el Schwachsinn!
Blitzkrieg. London unter Bombardement. Die überlebenden Protagonisten aus den ersten beiden Bänden durchleben kaum 20 Jahre später einen / ihren zweiten Weltkrieg. Dieses Mal an der Heimatfront. Als Fahrer*innen von Krankenwagen, als Brand- und andere Katastrophenhelfer. Mit neuen und wiedererwachten Traumata, Verwundungen, Toten.
Barker hat ein unglaubliches Talent fürs Detail und unterstützt durch intensive Recherche zeichnet sie ein lebendiges, nahegehendes, glaubhaft-authentisches Bild einer Zeit, die weder sie (Geburtsjahr 1943) noch das Gros ihrer Leserschaft selbst erlebt haben. Dass sie es schafft, mit klarer Sprache diese Lücke zu schließen, ist ihr ganz großes Verdienst.
Ich wiederhole mich, empfehle aber wieder: lesen, lesen, lesen.
Ein Thema ist in ihrem Werk sehr prominent: ihre Figuren sind alle, egal ob an den Stränden Trojas oder in beiden Weltkriegen, leidenschaftliche Fußgänger. Ich wage die These, dass man ihr, einem illegtimen Kind, das bei der Großmutter aufgewachsen ist, bei kleinen und größeren Wehwehchen, Herzeleid oder Bauchweh, immer erst mal empfohlen hat, die britische Unterlippe steifzuhalten und “to walk it off”.
Dieser zweite Band in der “Life Class”-Trilogie ist noch stärker als der erste. Barker stellt vor allem Fragen. Wie geht Trauer richtig? In einer Zeit in der Väter, Söhne, Onkel, Neffen, Cousins, Liebhaber, Klassenkameraden, junge, junge Männer reihenweise niedergemäht werden. Ist der Tod vielleicht eine Gnade? Wenn die Verletzungen durch Gas oder Schrapnelle so furchtbar entstellend, entmannend, verkrüppelnd sind, dass der Anblick des Überlebenden weder sich noch anderen mehr zugemutet werden soll / will / kann. Wieviele Arten zu sterben gibt es? Eine Bombe, ein Scharfschützenschuß, den der Gefallene noch nicht einmal kommen hört? Verschüttet sein? Das qualvolle Ende eines langen Lebens als Patriarchin, Mutter und Großmutter. Ans Bett gefesselt, auf Hilfe angewiesen, voller Grauen vor den nunmehr nicht mehr kontrollierbaren Körperfunktionen (erschwert durch die Erziehung zur Dame im England vor der letzten Jahrhundertwende).
Wir kennen die Protagonisten, Schüler eine Malereiklasse aus dem ersten Band. Und die große Frage: Welche Rolle spielt Kunst? Ist sie angesichts eines Weltenbrandes überhaupt noch von Bedeutung? Oder erst recht? Die jungen Männer, mehrenteils Pazifisten, entziehen sich doch nicht der vermeintlichen vaterländischen Pflicht und werden Sanitäter. Und genauso an der Front verheizt wie ihre waffentragenden Brüder. Und die Frauen? Ist das Herstellen von Kunst wichtiger als die innere Florence Nightingale zu channeln und Verbände zu wickeln? Als alles aufzugeben und die sterbenskranke Mutter zu pflegen? Das Urteil der Familie aus der sogenannten guten Gesellschaft ist offensichtlich: Drei ihrer Gemälde in der Tate Gallery, nicht eines im Elternhaus.
Schließlich, die englische Klassengesellschaft. Ein Krieg, der gemeinsame grausame Feind, die gemeinsame Zeit im Dreck der Schützengraben: das muss die Klassenunterschiede doch mindestens verwischen, wenn nicht aufheben? Spoiler Alert: Nein.
Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
Ich bin schon wieder weiter, im dritten Band: “Noonday”. Die Überlebenden haben darin zu einem Leben gefunden, traumatisiert, trauernd, hinkend, entstellt, aber doch mit Optionen auf ein kleines privates Glück. Nur kurz. Wie das so ist mit dem kleinen privaten Glück. Der Hunne ist wieder erstarkt, es ist Herbst 1940 und London brennt.
Nun gilt es aufzuholen, liebe Leserin, werter Leser des flockblogs und zu lesen, lesen, lesen!
“Life Class” ist der erste Band einer weiteren Trilogie Barkers über den ersten Weltkrieg. Hier nun verknüpft sie die Schicksale mehrerer Studenten und Studentinnen der “Slade School of Art”, beginnend im sorglosen Frühling 1914 vor dem Hintergrund tatsächlicher Biographien und Ereignisse.
Das gelingt ihr, wie schon in der “Regeneration Trilogy” (s. https://flockblog.de/?p=48007) erstaunlich leichtfüßig und dennoch präzise, wenn historische Details die Geschicht treiben (der Angriff auf Ypern, die Lage in Feldhospitälern, der Grabenkrieg).
Ich stecke bereits mitten im zweiten Band, “Toby’s Room” und weiß schon jetzt, dass ich auch diese Bücher rückhaltlos empfehlen kann.
Lesen! Lesen! Lesen!
Die Luft brennt, der Boden bebt (wer weiß schon vorher, wie sehr Beton vibriert, wenn 60.000 Menschen stampfen?), es wummert und dröhnt, zehntausende Kehlen schreien sich heiser. Rammstein.
Frau hält sich an die im Vorfeld versandte dreieinhalbseitige “Information für Besuchende” und steigt kurz vor 18:00 Uhr (Einlass ist ab 15:30) in die U-Bahn mit Kleinsthandtäschchen sowie aus “sicherheitstechnischen Gründen lediglich einer PET Flasche bis maximal 0,5l Inhalt (nichtalkoholisch und original-verschlossen)”.
In der Bahn wird es zunehmend dunkler, die schwarze Fan-Kleidung der anderen Passagiere absorbiert jeden Lichtstrahl sowie den Minimalbestand an Restsauerstoff. Im Olympiastadion angekommen, läßt frau sich von der schwarzen Flut mittreiben, aus der nur gelegentlich für die zwei Foto-Ops (a) Brücke über dem Mittleren Ring mit Stadion im Hintergrund, b) Gegendemo*) kurz ausgeschert wird. Manche, auch ich, machen ein Bild von den zahllosen Hinweisen Richtung “Trouble-Shooting”.

Kurz vor dem Eingang mache ich auf einer Bank Rast, schaue Leute und bin bass erstaunt, wie heterogen das Publikum ist. Altgediente Klischee-Metal-Veteranen mit dicken Bärten und Bäuchen in Bekenner-T-Shirts (Wacken, Ring, Park, Roskilde, Sonstwo; Iron Blood, Fist, Maiden, Guns N’ Roses, Metallica, ACDC), Fans jeden Alters in allen Konstellationen. Paare, gemischten und gleichen Geschlechts. Klein- und Großgruppen, in bayerischer Tracht, in Kilts, im Bischofsgewand mit hoher Mitra, umgeben von Meßdienern – alles. Wirklich alles und vor allem Fan-Merch-T-Shirts, von der aktuellen Tour bis weit zurück in die Band-Tour-Vergangenheit. Ich weiß nicht warum, aber am meisten überrascht war ich von den Familien, Vater, Mutter, halb- bis ganzwüchsige Kinder, häufig der ganze Trupp im Partnerlook. Bis mir dann meine Physiotherapeutin, Mitte 20, einfiel, deren Vater der “totale Rammstein-Fan” sei und sie deshalb deren Musik höre, “seit sie denken” könne. Klar, dann passt das auch wieder. Ich bin einfach bloß alt.
Gut, nun aber rein und durch Massen und die Kontrollen die scheußlichen Treppen bis zu meinem Sitzplatz unterm Dach hochgekämpft. Wie alle geschworen, dass ich während des Konzerts auf keinen Fall Durst haben oder gar aufs Klo gehen werde. Auf keinen Fall.
Während sich das Stadion füllt und füllt (insgesamt werden bei diesen vier Münchner Vorstellungen vier Rosenheims mit Mann und Maus dort gewesen sein) und die Wettergötter der Angelegenheit gnädig gesinnt nicht nur eine milde Abendsonne, sondern auch ein stetes leichtes Lüftchen über diesen schwarzen Block streichen lassen beginnt der erste Teil des Rammstein-Rituals (nachfolgend “RR”). Auf einer kleinen, seitlich vor der großen Bühen plazierten Bühne spielen zwei Damen an zwei Klavieren Rammsteinweisen. Schlecht und breiig abgemischt gehen sie im großen Menschendröhnen fast unter, dennoch erklingt in den Pausen zwischen den Stücken Beifall. Gehört dazu. Ist so. Muss so sein. Als sie fertig sind (noch 20 Minuten bis Rammstein) berauscht sich die Menge mit Sitzgymnastik an sich selbst und treibt Ola um Ola durch das Stadion.
Dann geht es los. Mit dem “Rammlied” (RR). Der Block, in dem ich sitze (und sitzend zuzuhören gedachte), steht ab der ersten Note wie ein Mann, gröhlt textsicher mit und reckt Arm und Hand zum Teufelsgruß (RR). Es wird nicht das letzte Mal an diesem Abend sein, dass mir Goebbels Sportpalastrede in den Sinn kommt. Sämtliche weiteren Nummern, unterstützt von einer wahnwitzigen Licht- und Pyroshow, balancieren auf dem schmalen Grat zwischen Gigantomanie und gigantisch und die Umgebung spielt mit. Erst spiegelt sich in den Hochhäusern gegenüber und dem Zeltdach über uns ein fast überirdisch leuchtender orangeglühender Sonnenuntergang, dann ist es auf einmal dunkel, das BMW-Zeichen aufgegangen und der Olympiaturm von roten Lichterkreisen umschnürt. Lindemann, gelernter Pyrotechniker, fackelt derweil auf der Bühne mit dem Flammenwerfer (RR) einen Kinderwagen (RR) ab. “Puppe” heißt das Lied.
Ganz großes Megahighlight: “Sonne” (RR). Feuerkugeln und -säulen, auf und vor der Bühne – so heiß, ich habe heute noch rote Bäckchen. Und bin immer noch sehr beeindruckt.
Dann verläßt die Band die Bühne (RR), installiert sich auf der kleinen Klavierdamenbühne und spielt zum Licht ungezählter Handytaschenlampen (Wow! Großes Bild) Pianoversionen von “Ohne Dich” und “Engel”, um sich anschließend in Schlauchbooten von der Moshpit zur Bühne zurückbringen zu lassen (RR). Das ist, wie ich mir erklären lasse, auch integraler Bestandteil des Rituals, genau wie die folgenden Zugaben und die Kniefall der Band am Ende. Dann fahren sie gen Himmel (RR) und 60.000 Menschen gehen wieder heim.
Ich habe mich gefühlt, als wäre ich Volkskundlerin und, eingeladen von den Eingeborenen, bei einer Veranstaltung zu Gast, bei der alle Anwesenden außer mir die Regeln kennen. Der erste Vergleich, der mir einfällt, ist eine katholische Messe. Jetzt knien, jetzt stehen, hier sitzen, da dieses Lied singen usw. Ich bin nicht sicher, ob der Funke (hihi) einfach nicht übergesprungen oder meine amüsierte Distanz eine Schutzhaltung ist. Ist auch wurscht. War mal dabei, habs jetzt gesehen, kann aus eigener Erfahrung mitreden.
Dank der nicht namentlich genannt werden wollenden Fotografin “42”. Sie hat für die flockblog-Leserschaft das “Making of” dieses blogposts dokumentiert.

* Ja, natürlich habe ich mich auch gefragt, ob man DA nach den bekanntgewordenen Vorwürfen überhaupt noch hingehen kann. Habe mich dann für das rechtsstaatliche Prinzip entschieden. So lange kein Urteil vorliegt, gilt die Unschuldsvermutung.
Pat Barker, die sich in ihrer literarischen Karriere nach dem ersten Weltkrieg (s. https://flockblog.de/?p=48007) der Antike zugewandt hatte (s. https://flockblog.de/?p=47689) schrieb und schreibt gelegentlich selbst Rezensionen.
Ich habe es gerne, wenn mir Autoren, die ich schätze, Autoren, die sie schätzen, ans Herz legen, weil ich ja dann immer überzeugt bin, dass die so falsch nicht liegen können. Andere Kritiker waren auch sehr begeistert: “A wonderful retelling of the encounter between Achilles and the Trojan King Priam in prose that’s so good you want to eat it, Observer”. Oder, very very British: “A marvel – beautifully written, surprisingly moving… rather brilliant, Daily Mail.”
Sie haben einerseits recht: brillant geschrieben ist das Büchlein. Allerdings nicht so brillant, dass nicht zu spüren ist, wie sehr sich Malouf manchmal an der eigenen Könnerschaft berauscht. Das kann nerven.
Ansonsten ist es faszinierend, wie sehr ein fiktives Ereignis, nämlich die Ilias, wenn nicht gleich der ganze Trojanische Krieg, bis heute Autoren inspiriert, ihre eigenen Geschichten dazu zu erfinden. Hier geht es um den trojanischen Herrscher Priamus, der aller königlichen Insignien ledig, in das griechische Feldlager vor Troja reist, um vom siegreichen Achilles den Leichnam seines Sohnes Hektor gegen ein Lösegeld (“Ransom”) einzutauschen, auf dass er ihn endlich bestatten könne.
Malouf schildert die eigentliche Begegnung zwischen den beiden Männern eher kurz. Wichtiger ist ihm der Weg und die Erkenntnisgewinne des Priamus und die Auswirkung dieser humanitären Geste auf den schon todgeweihten Achilles.
Nett. Aber ich glaube nicht, dass mein Leben ärmer gewesen wäre, wenn ich das Buch nicht gelesen hätte.