Eins, zwei, drei, viele

Da schreibt mir heute einer, daß er mein Leben leichter und schöner machen kann, wenn ich bloß seinen Newsletter abonniere und seinen mit Geld nicht zu bezahlenden Lebenshilfetips folge. Ich brauche sowas nicht und daß er eine recht ausgewachsene Subscription-Fee haben will, fördert weder mein Vertrauen noch mein Verlangen. Dann versteigt er sich in der heutigen Tageslosung zu der Behauptung “SWAG* doesn’t have to be A FOUR LETTER WORD!”

Oh doch! Ich habe das nachgezählt. Vier Buchstaben. Selbst wenn man die 9 Scrabble-Punkte dazurechnet. Vier Buchstaben. That’s it. Mannomann! Nicht rechnen können, aber anderen Leuten guten Rat verkaufen wollen. Der hat bestimmt in der Berufsberatung nach “Irgendwas mit Marketing oder so” gefragt.

* Swag steht in der ursprünglichen Bedeutung für Diebesbeute oder Sore. Wenn wie hier die Abkürzung verwendet wird, ist SWAG “Stuff We All Get”, also irgendwelcher Umsonstkruscht. Spricht aber ein HipHopper von seinem “swag”, dann hält er sich für so saucool, daß “cool” alleine als Beschreibung nicht mehr langt.

Kein Erfolg im US-Kino: “Jimmy P.”

In der schönen neuen Internetwelt der Indizes und Querverweise sucht man dies, liest noch rasch was über das, landet dann überraschend dort, guckt noch geschwind hier und auf einmal war ich bei beim Thema “Ethnopsychoanalyse” und einem der Pioniere in diesem Feld, George Devereux und seiner Anfang der Fünfziger Jahre veröffentlichten Studie: “Reality and dream: Psychotherapy of a Plains Indian”.

“Jimmy P.” , der Film zum Buch, lief letztes Jahr in Cannes. Er mag hier einigen Arthaus-Fans gefallen haben, sonst ist er für den amerikanischen Geschmack zu langsam und dialoglastig – es passiert nichts. Fast ein Kammerspiel mit intensiven Dialogen zwischen dem Psychiater und Anthropologen George Devereux (Mathieu Amalric) und seinem Patienten Jimmy Picard (Benicio Del Toro), der an Post-Traumatic Stress Disorder (PTSD) leidet, bevor der Begriff erfunden ist.

Beide spielen die Rollen der schwer an ihrer Vergangenheit tragenden Figuren sehr wahrhaftig. Amalrics europäischer Jude, der zwar mit dem Leben davongekommen ist, sich aber in seiner neuen Heimat schwertut, in seiner Profession Fuß zu fassen (Papiere?), del Toro als indianischer Kriegveteran, gefangen in den rassistischen Klischees* seiner Zeit und schier daran verzweifelnd, daß er immer noch körperlich leidet, wo doch seine sichtbaren Wunden längst verheilt sind.

Man möge sich die Zeit nehmen, den Film anzusehen. Er ist es wert.

 

* Am besten illustriert, als der erste ihn examinierende Psychologe seine Diagnose in die Worte faßt: “Es könnte Schizophrenie sein. Aber vielleicht ist er auch einfach nur Indianer.”

Gesucht wird…

Ich suche gerade nach einer neuen Kraft für die Verwaltung. Und weil man ja nicht alles selber machen will, “shoppe ich around”* und lasse ich mich von den Stellenausschreibungen anderer Menschen inspirieren. Wohlgemerkt, ich suche wen für eine vorwiegend sitzende Tätigkeit in einem Büro. Das tut der Autor der folgenden “Physical Demands” auch:

While performing the duties of this job, the employee is occasionally required to stand; walk; sit; use hands to finger, handle, or feel objects, tools or controls; reach with hands and arms; climb stairs; balance; stoop, kneel, crouch or crawl; talk or hear; taste or smell.  Specific vision abilities required by the job include close vision, distance vision, color vision, peripheral vision, depth perception, and the ability to adjust focus.

Ich fasse kurz zusammen: die suchen jemanden, der sitzen kann. Und gehen und stehen. Zupacken. Treppen steigen, kriechen und krabbeln, reden, hören, schmecken, riechen und mit Augen im Kopf. Das alles und noch viel mehr hatte ich bisher bei meinen Bewerberinnen und Bewerbern als gegeben vorausgesetzt. Ich Ignorantin, ich.

Aber es ist nicht so, daß sie den zukünftigen Kollegen im Gegenzug nicht auch was zu bieten hätten: The noise level in the work environment is usually moderate. Schön. Es ist normalerweise nicht laut bei denen. Sehr schön. Aber das Dachdecken haben sie scheint’s vergessen: While performing the duties of this job, the employee is exposed to weather conditions prevalent at the time. Wo, um Himmels Willen, setzt diese Firma ihre Rezeptionistin hin? Draußen auf den Parkplatz? Oder bedeutet “den aktuellen Wetterbedinungen ausgesetzt sein” schlicht, daß sie keine Klimaanlage haben? Dann tun sie sich wahrscheinllich schwer, Amerikaner zu finden. Die glauben nämlich alle, daß Air Condition ein Grundrecht ist.

In mein Inserat werde ich neben den fachlichen nur eine weitere Anforderung aufnehmen, die Toni sehr zu Recht als fehlend moniert hat: “use brain”. Aus dem Rest mache ich einen blogpost.

 

* “To shop around” heißt, daß man sich mal so unverbindlich umsieht. “Go, shop around”, sagt der Ladeninhaber, der davon überzeugt ist, daß er der einzige ist, der einem wirklich das gewünschte Qualitätsprodukt anbieten kann. In einer Tonlage, die der der Ehefrau entspricht, die großzügig gewährt, daß der Gatte sich gerne draußen Appetit holen möge. “Aber gegessen wird zu Hause.”

Rationalisierung

LeapFrog Hug & Learn Baby Tad PlushDas kleine grüne Monster hier links habe sich zur ausgewachsenen Konkurrenz entwickelt, klagt der Vater einer einjährigen Tochter. Lächelt immer, wird nie müde oder geht zur Arbeit, küßt auf Kommando, singt six Happy Songs, blinkert auf Knopfdruck, hat nie einen Bartschatten und viel mehr bunte Knöpfe als der Papa. Seine einzige Chance, die Gunst des Kindes wiederzugewinnen, liege darin, daß bei dem Frosch irgendwann die Batterien leer werden.

Aber dann!

“Cloudy, with a chance of rain”

Vorhersagt der Wettervorhersager heute morgen im Radio. Damit aber keiner nach der langen Trockenperiode am Ende in Panik ausbricht, legt er gleich nach: “It might not rain at all in your neighborhood, your chance of liquid sky is 10%. Only Fremont has a 20% chance.”

Das haben die Fremonter anscheinend voll ausgeschöpft. San Bruno hat nämlich keinen Tropfen abbekommen.

Aus dem Vokabelheft

“On the bubble” bedeutet wörtlich “auf der (Seifen)blase” und im übertragenen Sinne, daß jemand oder etwas Spitz auf Knopf steht.

Dein Name sei Schall und Rauch

Toni hatte heute früh einen Termin. Macht nix, hol’ ich mir einfach gschwind einen Kaffee und warte solange im Auto. Von Bestellen bis Pappbecher mit Heißgetränk in der Hand verstreichen gut und gerne 20 Minuten. Nix da, “gschwind”! Starbucks jugendliche Baristas haben zwar keine Hüft-, aber ganz offensichtlich sowohl Logik- wie Logistikleiden: wenn vier Grünschürzen Bestellungen aufnehmen und nur eine Kaffee kocht*, dann kommt es zwangsläufig zu einem Wartehaufen Kaffeedurstiger (für eine geordnete Schlange ist weder genug Platz, noch werden die Orders in der Reihenfolge ihres Eintreffens abgearbeitet).

Warum Starbucks sich nicht an die Coffeeshop-Nomenklatura halten kann und die mittlere Bechergröße “Grande” nennen muß und nicht “Medium”? Geschenkt. Warum sie aber meine ohnehin schon auf ihren Laden angepaßte “Sabrina” (http://bit.ly/1jLN6kB) zu “Saberner” machen müssen, das hat mich heute früh doch zum Grübeln gebracht.

Nächstes Mal heiße ich Molly. Oder Hannelore. Je nachdem, wie dringend ich Koffein brauche.

 

* Hierzulande wird Kaffee übrigens nicht gekocht, sondern gebraut.

God Bless America!

Also erstens Mal ist alles größer, schöner und besser als vor fünf Jahren. Und was noch nicht viel größer, viel schöner und viel besser ist, das wird es ganz bald werden. Bestimmt. Ganz bestimmt. “America has never come easy”, aber es ist schon seit 200 Jahren das größte, schönste und beste Land, das es gibt und geben wird, immer und immerdar.

Nein, ich habe nicht an der Klebstofftube geschnüffelt – ich habe mir die “State Of The Union”-Rede (SOTU) des Präsidenten angehört und ich bin vollkommen weggebeamt. Nicht von den Inhalten. Nicht doch. Umgehauen hat mich diese gigantische Marketing-Rhetorik-Umarmung. Michelle, Veteranen, kleine Kinder, Langzeitarbeitslose, Öl und alternative Energiequellen, Diversity, Wahlrecht, Amokschützen, Terror ist böse, kauft mehr Gas, unterprivilegierte Minderheiten, ein Scherzle, Mittelklasse, 10 Dollar UND 10 Cents, Eigenheimbau und Mindestlohn, Hungersnot, Wirbelstürme, lokal und weltweit, der Kongreß ist doof, Autoindustrie und New Economy, Veteranenhelden, Frauen, Schwule, Schreiner, Treckerfahrer, Eltern wie Michelle und ich, NSA ist okay, Studenten, Heldenveteranen und Google und Microsoft und Apple und “Team USA brings home the gold” – alles und noch viel mehr. In eineinhalb Jubelstunden. Alles größer, schöner und besser als vor fünf Jahren, und wenn die anderen nicht mitmachen, dann macht er halt in Zukunft seine Politik alleine.  Außerdem ist morgen Big-Block-Of-Cheese-Day im Weißen Haus. Größer, schöner, besser und viel mehr “cheesy”*.

bigblockofcheeseday

Falls irgendein Gott gerade frei ist: er möge dieses Land und sein Selbstbild schützen. Und alle anderen Völker vor ihm.

 

* Pun intended. “Cheesy” kann ganz wertfrei käsig, also wie Käse bedeuten, aber auch schmierig, billig, kitschig, geschmacklos.

Nur ein Viertelstündchen

Ende letzten Jahres sind wir mit unserem Büro ein paar Meilen weiter nach Norden umgezogen. Sah zunächst nicht so aus, hat aber meine Fahrt- bzw. Im-Stau-Steh-Strecke um ca. 15 Minuten verkürzt. Das klingt jetzt vielleicht nicht nach viel, reicht aber doch pro Woche für einen Extra-Kinobesuch, inklusive Anfahrt und Popcorn kaufen oder ein halbes Buch oder Zusatzschlaf und steigert die Lebensqualität fühlbar.

Wir sind immer noch ein Start-up und ziehen bestimmt irgendwann* wieder um. Man darf als gesichert annehmen, daß es mich noch weiter nördlich zieht!

* Wenn der bisherige Turnus eingehalten wird, wahrscheinlich 2015. Im Herbst.