Armer St. Valentin

Man hat hier eine seltsame Neigung, sein Haus zu beflaggen. Mit Stars und Stripes zu hohen nationalen Feiertagen (Presidents Day, Veterans Day, Independence Day, Memorial Day usw. usf.), Maiskolben und Truthahnschwanzfedern im November, Kürbissen im Oktober, Regenbogen alljährig. Eier im April, Misteln, Glockerln, Geweihe und Santakapperl im Dezember, längsgestreift in Grün/Weiß/Rot am Columbus Day, Vereinssymbole, Universitäts- und Schul- und Pfadfinderwappen. Dies alles und noch viel mehr, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Aber einen halben Straßenzug mit rosa Fahnen an jedem Haus, mit aufgefilztem rotem Puschelherzen, Flattercupido und von asiatischen Textilarbeiterinnen mühselig in Gold gestickem Schriftzug “Everlasting Love” – das habe ich heute doch zum ersten Mal gesehen.

Was die Bäurin nicht kennt…

Eine Dame, die aussieht wie die zähe Mutter aller Yogini, baut den feuerroten Instruktoren-Ghettoblaster am Babypool auf und meine Dicken Damen entdecken ihren Inneren Stoffel “Das ist nicht Desha. Die kenne ich nicht. Mit der mag ich nicht turnen.” und bleiben mit verschränkten Armen am Beckenrand stehen.

Ich ja nicht. Ich bin schon drin. Ich mag’s nämlich, wenn was anders ist als sonst. Das habe ich schriftlich. Vom Fragebogen in der Friseurzeitung. Wer Fusionfood mag, wem wurscht ist, ob der Partner alleine Pornos guckt und wer lieber ins Museum of Modern Art als an den Times Square geht, der ist nämlich ein “Liberal” und Neuem schon allein deswegen zugetan, weil es noch nie da war. Einen Republikaner erkennt man daran, daß er seinen Schreibtisch aufräumt, gehorsame Kinder mag und den Times Square; nicht, weil’s da so schön bunt blinkert, sondern weil dort alle gewohnten Markennamen präsent sind. Wie gesagt, Friseurzeitung.

Die Trainerin ist irritiert. Gehören die Rand-Dicken zum Kurs? Ich winke ihnen “U comin’, ladies? Class is up.” Eine dreht auf dem Hacken um und geht wieder, die anderen lassen sich seeehr zögerlich zu Wasser und wollen Die Neue sichtbar nicht mögen. Dahlia macht denn auch alles anders als Desha. Weder mimt sie die Alleinunterhalterin, noch nimmt sie Rücksicht auf individuelle Zipperlein, sondern tut, weswegen sie gekommen ist und zieht ein beinhartes Sportprogramm durch.

Immerhin bedanken sie sich hinterher alle brav bei ihr. “Interesting” sei es gewesen. Ich hätte nie gedacht, daß ich je im Leben diejenige sein würde, die sie dann in der Umkleidekabine schimpft: “Mann, Mädels, wir sind hier nicht zum Spaß! Das war ein richtiger Work-out und der hat uns allen gut getan. Man up!”

Schlachtenanalyse

Seit vorgestern wuseln keine schwarzen Horden mehr durch das Hauptangriffsziel aka meine schwer gegelte Badewanne. Vielmehr schleppen sich Sanitäter mit mindestens einem, oft auch zwei toten Kriegern ab. Sie dauern mich zwar, aber ich lasse sie schleppen. Tragt ihr nur den Tod in euren Bau, denke ich mir. Es ist ja nicht so, daß ich es eurer Chefin nicht x-mal im Guten gesagt hätte.

Offensichtlich wurde über Nacht im Königinnenhauptquartier beschlossen, von den restlichen Gefallenen nur noch die Hundemarken einzusammeln, denn seit heute morgen bleiben selbst die Medics aus. Ich habe verstanden und putze selbst. Hauptangriffsziel waren offensichtlich die Haarspülung und der Bimsstein, beide sind in mehre chitingepanzerte Leichenlagen gehüllt. Warum, Majestät, fragt Ihr denn nicht einfach? Ich habe reichlich und hätte gerne abgegeben.

Wer hätte ahnen können, daß die weitverbreitesten Krankheiten in der Ameisenwelt Spliss und hartnäckige Hornhäute sind?

Völkerkunde 101*

Gestern abend bin ich beim Rumzappen in eine Sendung mit jungen hippen all-American Stereotypen geraten. Stetson-und-Schlangenlederstiefel-Texaner, floridische Blondmähnen-Botoxschlampe mit Ausschnitt an der Grenze zum Nippelgate, Latzhosenträger ohne was drunter aus Redneckistan, Nie-ohne-meine-Bong-Langhanslockenkopf aus Washingt- oder Oregon und noch ein paar andere ohne direkte räumliche Zuordnung. Irgendwas muss gerade passiert sein, denn alle rennen recht unkoordiniert und mit furchtbar hektischem “Go!Go!Go!Goooo!”-Durcheinandergebrülle durch einen Wald. Da! Die Rettung! Ein freistehender Pick-up. Einer ins Führerhaus, alle anderen auf die Ladefläche, der Stetson sitzt, der T-Shirtsaum auch und zwar einen Viertelmilimeter vor der deutlich erigierten Brustwarze, “Go!Go!Go!Goooo!” und… Nichts. Der Wagen rührt sich nicht von der Stelle, obwohl der designierte Fahrer heftig hantiert. Die Gefahr rast näher. Immer noch nichts. “Wazzup, Dude? Go!Go!Go!Goooo!” Der nickelbebrillte Fahrer, nach hinten gewandt, verzweifelt: “Where’s the power button?”

Ich habe mich schebbelig gelacht und weggeschaltet. Besser geht nicht.

Kontext: Der Kalifornier gilt seinen amerikanischen Landsleuten aus den anderen Bundesstaaten als bedenkentragender politisch überkorrekter priusfahrender Öko (kurz “Granola”).

* Unterricht 101, egal in welcher Disziplin, bezeichnet die 1. Stunde des Grundkurses.

Aus dem Vokabelheft

Wenn der australische Kollege auf die Frage “How are you?” mit einem wohlgemuten “I am chipper!” antwortet, dann will er damit nicht andeuten, daß er über Nacht in einen Häcksler transformiert ist, sondern einfach nur gut drauf.

Und wir alle lernen was über Homonyme: http://de.wikipedia.org/wiki/Homonym

Frühlingsgefühle

Morgens sieht man grade mal drei Meter weit und die Herrschaften im Radio verbreiten alle paar Minuten “Dense Fog”*-Warnungen. Das ganze Büro niest, weil die armen Kollegen böse von Heuschnupfen** geplagt werden. Braucht wer einen weiteren Beweis, daß der Frühling schon da ist? Bitteschön: Die Mexikaner sind aus dem Winterquartier zurück und lungern in loser Formation auf dem Parkplatz des Home Depot herum.***

* Immer im Frühling kommt der Nebel hier extra dicke.

** Die Bay Area ist ein Allergiebrüteplatz. Selbst wer als Zugereister noch nie mit Allergien zu tun hatte, bekommt hier spätestens nach vier Jahren welche.

*** Das ist nicht lustig: Im Home Depot gibt’s alles für den Häuslebauer. Draußen auf dem Parkplatz heuert man Tagelöhner für die Drecksjobs an und verlädt sie zum Baumaterial auf die Ladefläche des Klaubauf.

Wer bietet mehr?

Gouverneur Brown spricht seit letzter Woche von der kalifornischen “Mega Drought”,  Caltrans hat heute Abend am Highway 101 den Leuchtschrift-Amber-Alert gegen blinkende “SERIOUS DROUGHT – HELP SAVE WATER”-Schilder eingetauscht.

Man werde auch bei Dürre die Bevölkerung jederzeit und immer ausreichend mit Strom und Leitungswasser und anderen wasserabhängigen “Utilities” versorgen können, aber man könne möglicherweise eventuell Preissteigerungen nicht verhindern, vermeldet der Gouverneur.

Das hätte er besser nicht gesagt, denn immer, wenn Politiker Absolutismen verwenden, werde ich mißtrauisch. Darum werde ich beim nächsten Großeinkauf lieber ein paar Kanister Wasser besorgen. Und Taschenlampenbatterien.

serious drought1

Amber Alert: (02-12) 19:03 PST SAN FRANCISCO — It was the kidnapping that wasn’t.

Man macht sich ja doch Sorgen, wenn gar keine SMS mehr kommen und schaut dann im Internet nach. Alles gut:

An Amber Alert triggered Tuesday night by a reported carjacking and kidnapping outside a Safeway store in Oakland was canceled Wednesday after police determined everyone involved knew one another – and that the teenage girl seen in the car was actually a woman, police said.

Entwarnungen schicken sie einem nämlich nicht.

Amber Alert

Da ist dieser Ton schon wieder. Ein ekelhaftes quäkendes Fiepen in einer Frequenz, die Blomben zum Schwingen bringt und einen unwillkürlich an verreckende Elektronik denken läßt. Da! Schon wieder. Und nochmal. Wir werden schließlich fündig. Die Computer sind heil, die Spülmaschine auch, aber auf sämtlichen Smart-Phone-Screens im Büro ist eine “Amber Alert”-SMS mit Kennzeichen und Beschreibung eines PKW eingegangen. Amber Alert bedeutet, daß ein Kind entführt wurde und die Polizei “die Bevölkerung um Mithilfe bittet”. Mit Radiodurchsagen, Leuchtschriften an den Autobahnen, Unterbrechungen im Fernsehprogramm und, da Apple/AT&T offensichtlich mit unseren Lokalisierungsdaten recht großzügig umgehen, eben auch per SMS aufs Telefon oder Tablett.

Amber AlertSeitdem habe ich zwei Updates mit detaillierteren Angaben zum Fahrzeug bekommen, jedes Mal wieder mit diesem nervtötenden Ton, bei dem man schier das Lenkrad verreißt. Man verstehe mich nicht miß. Ich wünsche dem dreizehnjährigen Mädchen aus Oakland, das bei einem Carjacking als Dreingabe mitentführt wurde, daß sie bald und heil gefunden werden möge. (Man kann, wenn man will, die Entwicklung hier in Echtzeit mitverfolgen http://bit.ly/Mah8Az).

Aber wirklich helfen kann ich nicht. Darum lege ich für heute Abend meinen Hilfssheriffsstern nieder, schalte das Telefon auf stumm und die nebenher entdeckte Ad-Tracking-Funktion für immer aus.