Noch mehr Telenovela

Wer eine neue Titan-Hüfte hat, verliert automatisch die Fähigkeit, sich seine Zehennägel selbst zu schneiden und muß zur Pediküre. Das ist halt mal so, Luxus zieht Luxus nach…

Ich halte ja immer gar nix von langen Aufenthalten bei Menschen, die einem die Haarfrisur aufhübschen oder an den Brauen herumzupfen und habe meiner Happy-For-Ever-Beauty-Salon-Dame denn auch gleich den Zahn gezogen, die gekürzten Zehennägel mit bunten Lacken zu bemalen. Nur Füße waschen, Krallen stutzen, und wieder weggehen lassen. Sie hat das sehr hübsch gemacht und heimlich noch Wadenmassagen mit grünem Schrubberbaatz und lilanem Duftbalsam draufgegeben. Das war okay, denn ich war abgelenkt und durfte derweil fernsehen.

Hallo Ballett! In vietnamesischen Telenovelas gehts vielleicht zu! Schurken, erkennbar an der aufgetürmten Entenbürzelfrisur, morden eine ältere Dame, indem sie ihr so lange mit einem blauen Röhrchen vor dem Gesicht herumfuchteln, bis sie schließlich lieber stirbt, als das noch länger zu ertragen. Dann macht die Nachricht vom Mord die Runde, und in entsetzlich eingerichteten Schlafzimmern klingeln Handys. Wer abnimmt, bellt was hinein und schaut nach dem Ausstoßen eines guturalen Lauts fürderhin blicklos in die Ferne und läßt zum Zeichen der Bestürzung das Mobiltelefon fallen (in die Kissen, soviel Budget hamma auch wieder ned). Die schauspielerische Qualität der Darsteller ist wesentlich schlechter als bei “Gute Zeiten – Schlechte Zeiten”, es geht offensichtlich immer noch unterirdischer als unterirdisch. Die Ermittlungen leitet ein Kommissar, der Derricks alte Klamotten aufträgt. Weil der Darsteller aber von winziger Statur ist, sieht das aus, als hätte man ihn in eine Knitterfaltentoga gesteckt. In Beige. Am besten gefallen hat mir die KuKluxKlan Beerdigung, wo lauter Menschen in weißen Zipfelkapuzengewändern am offenen Grab vor dem goldgerahmten weißbezipfelmützten Porträt des Mordopfers mit Räucherstäbchen wedeln. Weiß nicht, ob Kommissar Knitterbeige den Fall gelöst hat. Meine Füßchen wurden für gut befunden und meine gute Fee Zucely herbeigerufen, auf daß sie mich wieder nach Hause bringe. Nix mehr Telenovela.

Hüftleiden bringen wirklich das Royale in einem Menschen hervor…

Let’s go for a hike*

Es ist Feiertag, die Fahnen klirren im Winde und Toni kommt vorbei, um die neue Hüfte auszuführen.

Wohin? Egal, Hauptsache irgendwo ans Wasser. Dieses Mal vielleicht ein Binnengewässer? Das San Andreas Reservoir liegt quasi gleich hinter dem Haus und rundrum führt der San Andreas Trail, das klingt doch gut. Hut auf, Stock fest in die Linke gekrallt, Schirm und Gesangbuch im Auto zurücklassen und dann mit Macht gegen den Wind gestemmt. Die Santa Ana Winde, die im Süden Kaliforniens die Waldbrände anfachen, kühlen auf dem Weg nach Norden ziemlich ab und werden zu eisekalten Böen, aus allen Richtungen und ununterbrochen. Auf dem See trägt jede Welle ein Schaumkrönchen, Bäume werfen mit Ästen und Zapfen nach Passanten und wir marschieren recht flott dahin, bis mir siedendheiß einfällt, daß ich das ja alles auch wieder zurückgehen muß. Und zwar bergauf.

Toni geht noch ein paar Kurven weiter, ich mache mich auf den Rückweg, wenn auch nicht mehr ganz so frohgemut und flott wie zu Beginn. Hüfti und ich sind schließlich noch keine vier Wochen zusammen und noch in der Akklimatisierungsphase. Aber immerhin, wir bringen es gemeinsam auf eine Dreiviertelstunde Gehen sowie ca. 10 Minuten Humpelschleichen für die restlichen 200 Meter zum Auto (fällt ganz klar in die Rubrik “doch a bissele überschätzt”).

Den restlichen Nachmittag fahren wir einfach so ein bißchen spazieren und vermeiden alle Straßen, die wir schon kennen. Das macht richtig Spaß und gilt als Ferientag, bevor morgen der Ernst des Arbeitslebens wieder losgeht.

* Zu singen nach der Melodie “Let’s go fly a kite” aus Mary Poppins (http://bit.ly/1p9ArI1)

Freies Assoziieren

“Was fällt Ihnen denn zu Amerika ein – und damit es nicht zu einfach wird, nehmen wir mal nur das Gute?”

Das, werter Fragesteller, ist ganz einfach:

“Melting Pot”, fällt mir spontan ein, und von da aus weiter zu “Potluck” und von da aus weiter zu “Sabine in Luck”. Weil Lady Liberty seinerzeit die Mühseligen und Beladenen zu sich gerufen hat, ist dieses Land ein bunter Fleckerlteppich von Ethnien und ihren Küchen. Und alle, alle haben mir Gutes mitgebracht: deutsche Brötchen (Lebensretter in den Zeiten von Chef Chanelles gewürzlosem Breiregime), Scharfes aus Indien, Dim Sum aus China, Lustiges von der kalifornischen Öko-Salatbar, Herzhaftes aus Australien, immer wieder Leckereien aus Carmens mexikanischen Töpfen, Jerk von den Kariben und erst gestern Pastelón* aus Puerto Rico.

Was braucht der Mensch Schwachsinn wie “Turducken” (entbeinter Truthahn, gefüllt mit entbeinter Ente, gefüllt mit entbeintem Hühnchen) oder den “Waffogato” (eine Waffel mit Eis und Sirup, beträufelt mit Espresso aus der Backwerkstatt des Cronut-Erfinders Dominique Ansel), wenn er von wohlmeinenden Menschen mit wunderbaren Genesungsgerichten bekocht wird und zwar immer mit so viel, daß es noch mindestens für eine weitere Mahlzeit reicht.

Frei assoziert: Das ist das gute Amerika! Ihr seid super, ihr Helfer und ich danke vielmals!

 

* Pastelón ist eine Art Lasagne aus Plantanes (Kochbananen), Hackfleisch und Käse und wird – natürlich – mit Reis und Bohnen serviert.

World Wide Web

Kein Licht im Kühlschrank? Lust auf chinesisches Essen? Rechnungen zu bezahlen? Keine Ahnung, was “Shibboleth”* bedeutet? Wissen wollen, ob ich die Wäsche besser drin oder draußen aufhänge, weil der Morgennebel keine klare Deutung zuläßt? Ein kleines Pedalo zum Fitwerden? Oder deutsches Fernsehen (Heute-Show) zur Entspannung? Playing Solitaire und dabei meiner Zimmergenossin in der Reha gedenken, die jeden Morgen murmelnd Heiligenbildchenpatiencen legte? Mit den Freunden daheim ein paar Stunden auf skype schwätzen und anderen die Heilungsfortschritte per blog mitteilen? Shoppen, und mir die Klamotten von einem Model mit meinen Maßen vorführen lassen? Und dies? Und das? Sowie jenes?

Ohne das Internet und die viele Hilfe von so vielen Menschen wäre mir dieser Monat nicht leicht vergangen. Bloß mit HBO bin ich beleidigt: es gibt weiß Gott keinen Grund, ausgerechnet “Game of Thrones” am Memorial Day nicht auszustrahlen. Also wenn’s da nicht um Kriegergedenken geht, dann weiß ich wirklich nicht…

 

* Falls es noch wer nicht weiß: http://en.wikipedia.org/wiki/Shibboleth

“Weltherrschaft”*

Als wir gestern heimkamen, schwang die Fliegentür frei im Wind. Ich knalle die morgens immer heftig zu; das kann nur bedeuten, daß untertags mal wieder wer ums Haus geschlichen ist und siehe da, zwischen Fußmatte und Haustür eingeklemmt stellt mir ein zartlilanes Pamphlet die folgenden Fragen:

– Braucht’s das? [Why do we need one?]

– Geht das überhaupt? [Is it possible?]

– Und wer macht’s? [Who is qualified to rule?]

Ich, Herrschaften, habe nach dreiwöchiger Pause den ganzen Tag gearbeitet und anschließend (with a little help from Toni – danke, wie immer!) noch einkauft und ein Rezept eingelöst. Ich bin müde, und hungrig, und durstig, und muß aufs Klo – Weltherrschaft ist gerade nicht mein Problem, es sei denn, ihr tragt sie mir an.

Beim Rückseite lesen stellt sich ‘raus: die Fragen sind nur rhetorisch, die Zeugen Jehovas haben die Antwort längst und wollen sie mir mit zwei “theatrical productions”, vorgeführt von “international delegates” und “missionaries from around the globe” näherbringen. Ich werde die Einladung mal wieder nicht annehmen, obwohl sie schwabenkompatibel gestaltet ist, da man weder Eintritt verlangen, noch den Klingelbeutel herumgehen lassen werde. (“You won’t be charged admission, and no collection will be taken.”)

Laßt mich doch einfach in Ruhe, ihr Pack!

 

* Gut, das ist ein bissele frei übersetzt. Im Ursprungstext ist von “A World Government” die Rede.

Memorial Day

Am Montag wird hier der Memorial Day begangen, ein Tag des Erinnerns an die Menschen, die als Angehörige der amerikanischen Streitkräfte ihr Leben verloren haben. Nicht zu verwechseln mit dem Veterans Day im November, der ist für die, die durchgekommen sind. Kein Feiertag ist vorgesehen für die, die durch die US-Army umgekommen sind. Das ist einfach bad luck.

Flag US ArmyBei meinem Morgenspaziergang* habe ich eben durchgezählt: Der Straßenabschnitt umfaßt knapp 30 Häuser, vor 6 davon ist bereits heute das “Star-Spangled Banner” gehißt und zwei weitere haben schon die “Flag of the United States Army” aufgezogen. (Die “Continental Army” wurde 1775 gegründet, mit General George Washington als “Commander-in-Chief”.)

An Patrioten mangelt es uns hier nicht.

* Wenn man hierzulande mit seiner Töle Gassi geht, heißt das “to walk the dog”. Wer’s nicht selber machen mag, heuert dafür sogenannte Dogwalker. Ich für meinen Teil habe mich als “Hipwalker” spezialisiert…

Back in the workforce

Nach nunmehr drei Wochen (gestern war 3. OP anniversary) in Jogginghosen, Schlabber-T-Shirts und Schlappen gilt es, mich heute früh “bürofein” anzukleiden. Also richtige Hosen (zu weit) und vor allem Strümpfe und Schuhe (wg. Klimaanlage). Rechte Socke auf die Sock-Aid gespannt, hineingewurschtelt, mit dem “dress-hook” nachjustiert. Als Entspannungsübung ganz konventionell die linke Socke angezogen. Anschließend mit dem hyperlangen Schuhlöffel in die vorgeschnürten Schuhe geschlüpft. Geht alles, dauert bloß. Und aus reinem Spaß an der Freud’ das erste von drei neuen online geshoppten Blüschen ausgewählt. s. a. –> Retail Therapy. Dem Anlaß angemessen in Feuerrot, denn ich werde endlich mal wieder einen ganzen Tag unter Menschen verbringen. Arbeitend, im Büro. Und ich freue mich drauf!

Eine Kollegin wird mich in ein paar Minuten hin- und Toni der Allerguteste zurückchauffieren. Mein Projekt für nächste Woche wird sein – neben Arbeiten am Dienstag und Mittwoch (Montag ist Feiertag) und mit Generick ordentlich weitertrainieren am Donnerstag und Freitag – mehr Selbständigkeit durch selbst fahren zu erlangen. Heavy stuff!

Außerdem hoffe ich, daß es kommende Woche gelingen wird, endlich das Rezept einzulösen, daß mir der Doc letzte Woche ausgestellt hat. Davor haben die Drugstore-Götte wilde Regeln gesetzt. Man erinnere sich: Das geht hierzulande nur, wenn die Apotheke den Herrn Doktor persönlich an die Strippe bekommt und ihn fragt, ob er das mit dem Opiat-Rezept für eine Patientin mit funkelnagelneuer Hüfte wirklich ernst gemeint hat. Daß mein Name auf dem Wisch steht, ich mich ausweisen kann, für einen Junkie wesentlich zu schwergewichtig bin und der Doc persönlich unterschrieben hat, reicht der Apothekerin bei weitem noch nicht. Zweiter Anlauf heute Abend. Schau ma moi.

Es gibt sie noch, die guten Feen

Meine heißt Zucely, kommt aus Guatemala und ist in das Häuschen eingefahren wie ein Wirbelwind. Binnen dreier Stunden waren Küche, Bad, Wohn- und Schlafzimmer gewischt, gesaugt und entstaubt, das Bett frisch bezogen, die Wäsche gewaschen und aufgehängt und sie freut sich jetzt schon auf ernsthaftes “deep cleaning” in den kommenden Wochen.

Ich auch!

Double-Whammy

Huiuiui!

Nachdem ich morgens remotely fleißig gearbeitet, ein bißchen Haushalt, ein bißchen exercises sowie zwei je einen Block lange Spaziergänge gemacht hatte, kam am Nachmittag Generick, um mich ordentlich ins Schwitzen zu bringen. Gewichte an die Knöchel, Anzahl der Wiederholungen mal flott aus dem Stand verdoppeln und mich nach einer Dreiviertelstunde etwas desillusioniert und todmüde (ein Schläfchen, jetzt!) zurückzulassen. Alles zu meinem Besten, weiß ich, aber ehrlich, ich hatte schon beim Turnen eine ziemlich genaue Ahnung vom zu erwartenden Muskelkater.

Dann hatte ich Depp gleich für abends auch noch eine Fachfrau zur Narbenbehandlung bestellt. Dabei tut der Patient erst mal selber gar nichts, außer liegen und die aufgestaute Wundflüssigkeit aus dem Umfeld der recht langen Narbe ausstreichen lassen. Das ist erst mal nur wohlig, piekt an den Nahtstellen ein bißchen und macht so dermaßen müde, daß ich um 09:00 Uhr in einen tiefen Schlaf sank. Bis Mitternacht. Dann ist allen Muskeln eingefallen, daß sie kollektiv beleidigt sind und sie haben zum Generalstreik aufgerufen. Entspannungsübungen, Atemübungen, Entspannungsübungen, Atemübungen, hierher Drehen, woanders hin Drehen, Hochlagern, Flachlagern…. War ihnen wurscht. Alle beleidigt. Kollektiv. Gegen 4:00 Uhr früh habe ich aufgegeben und zum ersten Mal seit Tagen den Oxy-Vorrat wieder angegriffen und mir ein paar Stunden Schlaf gekauft.

Generick kommt heute wieder und wir werden Gehen ohne Stock (“assistive device”) und ein paar andere Gemeinheiten üben und ich arbeite gerade ganz heftig an meiner Kampfmoral und daran, meine Finger vom Telefon fernzuhalten und für heute um Gnade zu betteln. Nix da! Was nicht umbringt…