Aus dem Vokabelheft

Normalerweise kommt in diese Rubrik, was meine Kollegen an schönen Idiomen von sich geben. Was tun, wenn man seine Tage eher alleine fristet*? Frau liest viel und sammelt ihre Idiome aus Büchern.

Wie zum Beispiel die “Salad Days” des noch jugendlichen Helden. Das Lexikon setzt offensichtlich Muttersprachler voraus, denn es beschreibt diesen Lebensabschnitt wie folgt: “Salad days is an idiomatic expression, referring to a youthful time, accompanied by the inexperience, enthusiasm, idealism, innocence, or indiscretion that one associates with a young person. More modern use, especially in the United States, refers to a person’s heyday when somebody was at the peak of their abilities—not necessarily in that person’s youth.” Was folgern wir daraus: Salattage sind nicht etwa Heutage (das wäre hay). Hey leitet sich her von heyah oder hurray und beschreiben will der Angelsachse damit die Tage der “Jugend Maienblüte” oder auch “jung und dumm”, je nach Kontext.

In Falle dieses Werkes ist der Held jung und dumm und macht Unfug. Das führt dazu, daß er vor Gericht gestellt wird. Ist aber alles nicht so ernst gemeint, denn es ist ein “Kangaroo court” – also ein Gericht, das nur so tut als ob.

Der junge Mann hat kein Talent fürs wirkliche Leben und flüchtet sich immer wieder gerne in “flights of fancy”, also Luftschlösser. Wobei “fancy” eh so ein schönes Wort ist: man kann einen Drink fancy-en oder einen anderen Menschen oder einfach seiner Phantasie freien Lauf lassen: “whatever tickles your fancy”.

Das Buch? Ist nicht wert, daß ich seinen Namen erwähne und liegt halbgelesen in der Heilsarmeetüte. Aber die Idiome waren hübsch.

 

* Nicht rumheulen, Sabine. Generick kommt jeden 2. Tag, gerade dann, wenn die Muskeln aufhören, ihren wildesten Kater auszuleben und heute hat mich eine liebe Kollegin mit Mittagessen besucht. Dim Sum aus dem Richmond District, der “besseren Chinatown” in San Francisco. Und wieder soviel mitgebracht, daß es auch noch fürs Abendessen reicht.

Überschätzt

Da will ich heute mit dem kleinen Pedalo mal meine ersten 10 Minuten wegtreten und da kugelt mir der kleine Teufel schier die neue Hüfte aus. Das lasse ich vielleicht doch erst mal lieber noch bleiben.

Merke: Pedalingzeit ist erst, wenn der Proband selbständig in die Schlaufen kommt und nicht den Greifer zu Hilfe nehmen muß.

Keine Atempause…

Es geht voran! Zu 1 km Gehen pro Tag (mit Stock, damit ich nicht heimlich hinke, wenn das Bein müde wird) kommen jetzt schon 2 x 10 Minuten pedalen. Ich habe mir, weil das die Übung war, die ich am wenigsten mochte, gleich so ein Foltergerät gekauft und von Generick, meinem persönlicher Haus- und Hoffolterer, heute mit der passenden Belastung einrichten lassen. Nunc est tretum. Und alle anderen Übungen mit mehr und mehr Wiederholungen.

Ich finde ja, ich bin bei vielem noch sehr lahm, er findet, ich sei dem üblichen Genesungsprozeß jetzt schon ein paar Wochen voraus und soll mich nicht so haben. Dann habe ich mich halt mal nicht so und freue mich über alles, was ich schon kann. Am meisten darauf, daß ich bald wieder mit meinen Dicken Damen umeinanderspratzeln kann. Aber davor haben die Götter Autofahren gesetzt, und bis ich das versuchen darf, dauert es noch mindestens bis Ende des Monats. Also noch ein Dutzend Tage. Die sitze ich doch pedalend auf einer Arschbacke ab. Pah!

1/42 Marathon

Ich war kurz davor, einen Lagerkoller (hier: “cabin fever”) zu kriegen. Ich kenne inzwischen jede halbe Platte auf meiner Straße mit Vor- und Zunamen, jeden Spalt, Riß und Grashalm und andere Stockstolperfallen und bin heute extra schon mal einen Block weitergegangen, zum Briefkasten und um neue Platten-Bekanntschaften zu machen. Der Stockradius ist halt doch noch ein enger.

Auftritt Superman (aka Toni), der Rächer der Witwen und Waisen. Weil von denen gerade keine Bedarf angemeldet hatte, hat er stattdessen meinen Horizont erweitert. Erst mit einer Fahrt zur Apotheke, den Oxy-Vorrat auffüllen. Ja woher denn? Das geht hierzulande nur, wenn die Apotheke den Herrn Doktor persönlich an die Strippe bekommt und ihn fragt, ob er das mit dem Opiat-Rezept für eine Patientin mit funkelnagelneuer Hüfte wirklich ernst gemeint hat. Daß mein Name auf dem Wisch steht, ich mich ausweisen kann, für einen Junkie wesentlich zu schwergewichtig bin und der Doc persönlich unterschrieben hat, reicht der Apothekerin bei weitem noch nicht. Da könnte ja jeder kommen… Mann, bin ich froh, daß ich noch einen kleinen Stash daheim habe und vorsorglich schon jetzt den Refill beantragt – das scheint eine mehrtägige Aktion zu werden. Wir ziehen unverrichteter Dinge und mit Rezept wieder ab. Nervig ist das!

Weiter zum wichtigeren Teil des Ausflugs: Ans Meer! Mit unverstelltem Blick und steifer Brise sind wir den ganzen langen Pacifica-Steg einmal hin (1,140 Füße)- und wieder zurückgegangen (1,140 Füße) inklusive Krabbenfischern in die wohlgefüllten Eimer und Wellen gucken. Nix ist der Genesung zuträglicher als ein weiter Blick und ordentliche Flutwogen!

Danach noch grocery shopping, wo mein Beitrag die Auswahl der aufzusuchenden Gänge und Lebensmittel war und Toni sich um den lästigen Rest wie Einkaufswagen vollpacken, Einkäufe schleppen und im Auto und anschließend in den Schränken zu verstauen gekümmert und für unser Abendmahl gesorgt hat.

So weit wie heute bin ich seit dem 1. Mai nicht am Stück gelaufen. Gar nicht zu sprechen von drei Mal an einem Tag in ein Auto ein- und aussteigen. Ich war fix und alle! Ich glaube, ich werde erst morgen nach einem langen langen Schlaf zu schätzen wissen, welchen großen Fortschritt ich in den knapp zweieinhalb Wochen schon gemacht habe.

Genesungsliteratur

Zum Serien wegschauen komme ich nicht so recht, ich kann nämlich noch nicht sehr lang sitzen und bin einfach kein Fan von liegend fernsehen. Lesen hingegen kann ich in jeder Stellung – und so habe ich mich daran gemacht, die vorsorglich aufgetürmten Bücherstapel abzuarbeiten.

Futureland: Nine Stories of an Imminent World von Walter Mosley

Walter Mosley ist schwarz. Und in jedem seiner Bücher geht es um alltäglichen Rassismus. Dieses Mal in neun ineinander verwobenen Kurzgeschichten, die in einer nicht zu fernen Zukunft spielen, in der ein dystopisches Amerika immer noch führende Weltmacht ist, aber, wie schon das heutige Amerika, nicht imstande, im Inneren mit Rassismus und Genderproblematik umzugehen (in einer Geschichte ist der Underdog-Held eine Boxerin (!!), pechschwarz, mit schier übermenschlichen Kräften, die ihre doppelt so schweren männlichen Gegner allesamt zu Brei schlägt). Keine Ahnung, was mir der Dichter damit sagen will, ich habe das Buch noch in der Reha an einen interessierten Pfleger weitergegeben.

The Harlem Hellfighters von Max Brooks und Caanan White

Der erste Weltkrieg hat nun auch hierzulande die Literatur erreicht. Und wo wir gerade bei Rassismus sind: in der schwarz-weißen Graphic Novel “Harlem Hellfighters” beschreiben Brooks und White die Geschichte der ersten amerikanischen Armeeeinheit, die aus Schwarzen und anderen dunkelhäutigen Männern zusammengesetzt war. Vom Training in – ausgerechnet – South Carolina bis zur Verschiffung nach Europa, wo sie, gemäß ihrer “Natur” selbstverständlich nicht im Kampf, sondern als Schiffsentlader, Lastenschlepper, Putzmänner etc. eingesetzt wurden. Bis die verzweifelte französische Armee sich die “Men of Bronze” ausleiht, um in ihrem harten Grabenkampf gegen die Armee des deutschen Kaisers die Lücken zu füllen. Die Bilder sind ganz großartig, riesige Panels mit endlosen Lazaretten, Schlachtfeldern, Friedhöfen. Ein Film ist schon in Arbeit.
Lesen! Lesen!

Florida Roadkill von Tim Dorsey

Vom Rassismus in den Sunshine State und gleich ärgern müssen. Tim Dorsey produziert am laufenden Meter lustige Florida-Geschichterl, im Ton schnoddrig und recht schön dick aufgetragen und dann sind es doch immer nur freche, lahme Abklätsche dessen, was Altmeister Carl Hiaasen schreibt. Heilsarmeespendentüte.

Stormy Weather von Carl Hiaasen

Der hinwiederum kann den Schnodder, den Wahnsinn und schafft es, seinen schrägen Protagonisten Leben und Plausibilität zu geben. “Stormy Weather” aus dem Jahre 1995 beschreibt Florida at its worst, in den Nachwehen von Hurricane Andrew, die lichtscheues Gesindel anziehen wie die Fliegen. Hauswiederaufbauercrews von sonstwo, denen weniger am Aufbau, als am Vorschuß gelegen ist, Versicherungsagenten und -betrüger, Gebäudeinspektoren und Häusermakler auf der Flucht, Klein-, Groß und Mittelkriminelle und solche, die es durch Gelegenheit werden. Hübsche brutale Morde, rührende Liebesszenen und ein Honeymoon in Disneyland. Sehr schön, sehr unterhaltsam. Man kann das auch richtig machen, Mr. Dorsey!
Lesen. Zum Beispiel am Strand, wenn am Horizont dunkle Wolken aufziehen.

Nemo: The Roses of Berlin von Kevin O’Neill und Alan Moore

So. Schluß. Aus. Fertig. Ich habe keine Ahnung, wieviel Alan Moore mit diesem humpfzigsten Band der “The League of Extraordinary Gentlemen” noch zu tun hat. Aber selbst meine Verehrung für den Meister rechtfertigt nicht, daß ich von diesem Müll noch einen einzigen weiteren Band kaufe. Dummsinniger Schwachsinn!

Countdown City: The Last Policeman Book II (Last Policeman Trilogy) von Ben Winters

Winters hält die Qualität des ersten Bandes aufrecht. Das gibt schon einmal Pluspunkte (gell, Mr. Moore!). Hank Palace, der letzte Polizist, ist etwas weniger nerdig verschroben, das mag aber auch daran liegen, daß angesichts des Endes der Welt alle anderen seltsamer werden. Der dritte Band erscheint im Juli.
Lesen! Lesen!

Skeleton Crew von Stephen King

In diesen Nächten, in denen man alle ein, zwei Stunden aufwacht, weil man nicht mehr liegen kann, oder das Bein ziept oder überhaupt, ist der Gruselguru King eine sichere Bank. Der Band ist eine Anthologie von Kurzgeschichten aus den Jahren 1968 bis 1985. Die meisten davon ordentlich, manche sogar sehr gut – was dieser Mensch unter Koks so rausgedonnert hat, ist im Nachhinein immer noch faszinierend.
Besser als pain killer.

The City of Ember (The First Book of Ember) von Jeanne DuPrau

Man stelle sich eine Stadt vor, die stets im Zwielicht liegt, farblos und grau, und in der die Menschen unter einer Verknappung der Resourcen leiden. Ferner stelle man sich zwei verschiedengeschlechtliche Zwölfjährige vor, die jüngst im Losverfahren ihre neuen Rollen im Dienste dieser Stadt zugeteilt bekommen haben und, getrieben von Neugier, Selbstgerechtigkeit und Abenteuerlust einen Weg aus dieser Stadt in eine neue helle Welt finden.

Anschließend frage man sich, ob man die Not fühlt, die anderen drei Bände dieser Saga wirlich noch zu lesen oder sich das vorhersehbare Ende kurz von wikipedia bestätigen zu lassen. Ich habe mich für letzteres entschieden. Heilsarmeespendentüte.

Das zweite wirklich gute und sehr überraschende Buch, das ich neben Last Policeman gelesen habe ist:

Shovel Ready von Adam Sternbergh

Ein richtiger hard-boiled Thriller, wahnsinnig böse und sehr lakonisch geschrieben. “Spademan”, ein ehemaliger Müllmann, wird nach dem Einschlag einer schmutzigen Bombe in Manhattan zum Hitman, also Auftragskiller. Ein Anruf, ein Name, ein Teppichmesser. Fertig. Ein erfolgreiches Geschäftsmodell, allerdings nur so lange, bis ein Klient versucht, ihn zu linken. Nicht mit Spademan.

Mir will scheinen, daß der Urvater aller Hitmen with a conscience, Léon der Profi, hier wohlwollend Pate gestanden hat. Herausgekommen ist ein in Stil und Erzählform sehr ungewöhnliches und fesselndes Werk.
Lesen! Lesen! Lesen!

Gesagt haben sie’s alle

Glauben tue ich es erst heute, wo der Muskelkater vom Mittwochsturnen so richtig zu schlägt – es kann nicht immer und jeden Tag steil aufwärts gehen. Der gängige Rhythmus ist “zwei Tage vorwärts, ein Tag zurück”. Zurück hatte ich noch nicht. Müde? Ja. Angestrengt? Ja. Aber nichts, was sich nicht durch ein Schläfchen hätte wieder beheben lassen.

Heute hingegen komme ich mir bei meinem Morgenspaziergang vor wie Faulus aus “Asterix und der Avernerschild”: “Nun, ich hab’ die erste Hälfte der ersten Platte fertig. Ich verschnauf’ ein wenig, dann feg’ ich die zweiten Hälfte der ersten Platte. Ich verschnauf’ ein wenig, dann feg’ ich die erste Hälfte der zweiten Platte. Ich verschnauf’ ein wenig, …” In meinem Fall: ersetze fegen durch gehen und wisse, daß amerikanische Gehsteige mit ca. quadratmetergroßen Platten gepflastert sind.

Wahrscheinlich merken meine Knochen, daß unser Hitzewellchen abebbt und zicken rum. Von mir aus. Dann gehe ich es heute eben gaaaanz langsam an. Erst mal ein Schläfchen und in der größten Not auch mal wieder ein lecker Oxycodon…

Was ich schon alles kann

pedal exerciserMeine OP war, auf Tag und Stunde genau, vor zwei Wochen. Und ich kann schon wieder alleine und unabhängig zu Hause wohnen (nur zum Putzen müßte ich jetzt bald mal jemanden anheuern). Ich gehe, mit einem kaum sichtbaren “limp” am Stock statt am Wagerle, turne mit Kilogewichten an den Knöcheln Übungen, die ich letzte Woche noch nicht mit dem puren Bein gekonnt hätte und bin gestern schon 4 Minuten “pedalt” (Schweißausbrüche, Flüche). Irgendwann in den letzten Tagen habe ich den “leg lifter” in den Ruhestand geschickt, ich glaube, mir ist es erst nach ein paar Mal Bein selbständig ins Bett heben aufgefallen, daß ich das schon wieder kann.

Gestern wollte der Therapeut mit mir üben, wie ich sicher aus einem Auto ein- und aussteige. Allerdings war ich da morgens schon zum Klammern entfernen im Krankenhaus gewesen, mit je einem Taxi hin- und zurück. Da hat er dieses Training wg. schon stattgefunden ausfallen lassen. So, wie es im Moment aussieht, stehe ich noch bis Ende nächster Woche unter Hausarrest mit verstärktem Turnen. Danach sollte ich wieder außer Haus arbeitsfähig sein, wenn auch noch nicht fahrtauglich. Wie wir das stemmen, weiß ich noch nicht, aber, wie man hier so schön sagt, I’ll cross that bridge when I am getting there.

Holla the Forrest Fairy!

Ich hätte nie gedacht, daß einfach so zu Hause zu wohnen es so dermaßen in sich haben könnte. Klar, ich kann alles ganz alleine, ich mach auch alles ganz alleine, aber in einem Tempo, das eine Weinbergschnecke zu Tränen rühren würde.

Die Badezimmerdetails führe ich nicht aus, man stelle sich einfach alles noch viel umständlicher vor, als man geneigt ist, sich umständlich vorzustellen, das ist schon nah dran. Ich wäre heute früh auch ganz prima ohne die Bonusrunde “Klo verstopft” ausgekommen. Hinkend pümpeln ist eine Erfahrung für sich. Ich brauche sowieso danach meist eine kleine Pause, etwas Stretching, nochmal kurz niedersetzen und vielleicht noch mal ein Päuschen. Heute eine extra Pause, denn dann folgt –

sock-aidKlamotten anziehen: Unterhose mit dem Grabber auf dem Boden fixieren, Fuß reinheben, mit dem Grabber auf Kniehöhe hochziehen, dann den anderen Fuß (der, mit dem Bein, das ich anwinkeln kann) in die richtige Öffnung bugsieren, hochziehen. Schweißausbruch. Noch einmal wiederholen mit irgendwelchen Jogginghosen. Wieder Schweißausbruch. Und keine 10 Minuten später bin ich “untenrum” angezogen. Der Rest ist ein Kinderspiel, wobei zur Zeit der Inhalt meiner Schränke auf den Kommoden ausliegt, weil bücken und Schubladen aufziehen erst mal noch nicht zu meinen besten Fertigkeiten zählt. Zu meinem Riesenglück haben wir gerade ein Hitzewellchen und das spart mir das äußerst mühselige Anziehen von Strümpfen. Wer das noch nie mit einem Sock-Aid (links) versucht hat, weiß nicht, was ihm entgangen ist (im wesentlichen Verzweiflung, Schweißausbrüche und phantasievolle Flüche.)

Jetzt ist allerhöchste Zeit für Kaffee. Seit ich wieder daheim bin, ist mir erst bewußt, wievieler verschiedener Arbeitsgänge es bedarf, bis endlich Frühstück auf dem Tisch steht. Falls ich beabsichtige, zu essen, ist die eine Variante Müsli (Schüssel aus dem Schrank nehmen, aus dem anderen Schrank ein Müsli aussuchen, sich natürlich für das entscheiden, das noch geschlossen ist. Pappkarton auf, Müslitüte entnehmen, die Schere herbeihumpeln, aufschneiden, in die Schüssel schütten, Tüte zufalten und – mit Tüte – zur Schublade humpeln, in der die Zuklipper sind, zuklippen, Beutel zurück in den Schrank. Weiter zum Kühlschrank, halb vorbeugen, dabei das heilende Bein nach hinten strecken, Milch entnehmen. Mit Milch und Stock zur Schüssel, dran denken, was der Therapeut gestern gesagt hat: bloß nicht hinken, ordentlicher normaler Schrittablauf, Hacke, Spitze, Hacke, Spitze, schön abrollen. Mit der Milch am Spülstein ankommen – was wollte ich gleich nochmal? War so aufs Gehen konzentriert, daß mir alles andere entfallen ist. Genau. Päuschen machen. Nein, nicht, vielmehr, das wars: Jetzt Milch auf Müsli gießen, Löffel rein und zum Tisch hump… nein, gehen. Schritt für Schritt. Abstellen. Zurück. Pappkarton zusammenfalten, ins Altpapier. Und weil es so heiß ist, muß die Milch gleich wieder in den Kühlschrank, allerdings nicht, bevor ich im Vorbeigehen einen reichlichen Schluck in die große Milchkaffeetasse gegeben habe, man ist ja effizient… Tasse auf den Tisch. Hinsetzen. Schweißausbruch. Päuschen. (Kaffee zu kochen ist nicht wesentlich weniger umständlich…)

Die andere Variante ist Frühstück bringen lassen, so wie gestern. Sehr schön. Mit einem Besuch und einem Schwatz verbunden, im Garten, in der Sonne. Anschließend Mittagsschlaf und Kräfte sammeln für den ersten physiotherapeutischen Hausbesuch. Der Mann heißt mit Vornamen Generick – also mehr können einen Eltern doch gar nicht hassen, oder? Und wie jeder Physiotherapeut hat er einen Stammbaum voller Folterer, der bis weit hinter die Inquisition zurückreicht. Ist alles nur zu meinem Besten, ich weiß, aber einen Spruch wie “das tut mir mehr weh als dir” hätte es nicht gebraucht. Das ist pfeilgrad gelogen! Und der kommt die Woche noch zwei Mal… Glücklicherweise ohne seinen Kumpel Pablo von der Verwaltung. Pablo hat es fertiggebracht, während ich schon mit einem Ball zwischen den Knien geklemmt in kaltem Schweiß ausgebrochen bin, mir nur noch “ganz schnell” den “HomeCare”-Vertrag zur Unterschrift vorzulegen. In zwei Exemplaren. Leider auch in zwei Versionen: einmal die von mir bearbeitete und einmal den ursprünglichen Dreimonatsvertrag. Ich bin deutsch. Ich kann “legal”. Der Unterschied ist mir selbst schwitzend und leidend aufgefallen – sehr peinlich für Pablo. Er ist mit tausend Entschuldigungen und beiden Kopien wieder abgezogen und hat sie mir am nächsten Tag um viertel vor acht morgens wieder vorgelegt. Und brav gewartet, bis ich beide, diesmal gleichlautenden Exemplare zwar schlaftrunken aber ganz gelesen hatte, und ihm nun mit gutem Gewissen eines unterschreibe und mitgebe.

Das ist im hiesigen Gesundheitssystem wirklich nervig: Der oh so mündige Patient muß bis zum Nasenkipfele voll mit Drogen am Tag nach der OP mit privaten Reha-Anbietern die besten Konditionen verhandeln und kaum in der Reha angekommen, beginnt das gleiche Spiel mit privaten HomeCare-Anbietern wieder. Ich bin ja noch privilegiert, ich kann im Internet recherchieren und habe meine sieben Sinne soweit beieinander, daß ich Unstimmigkeiten entdecke und korrigieren lassen kann. Wer das nicht (mehr) kann, ist verratzt. Den kostet so ein Eingriff wirklich Haus und Hof. Auch jetzt noch. Der Affordable Health Care Act hat so viele Schlupflöcher für die Große Gesundheitsindustrie gelassen, daß man sich als kleiner Wurscht eigentlich nur mit Expertenunterstützung hindurch navigieren kann. Und das muß sich Joe Sixpack (der hiesige Cousin von Otto Normalverbraucher) erst einmal leisten können.

Mir flattern gerade täglich Rechnungen ins Haus. Vom Röntgenarzt. Vom Labor. Vom Krankenhaus, für die Benutzung des Labors. Vom Chirurgen. Vom Assistenzarzt des Chirurgen. Vom Arzt in der Reha, der einmal kurz die Anzahl der Stiche nachgezählt, und mich dann zum Verbandwechseln eine Dreiviertelstunde rumliegenlassen hat (bis ich selbst aufstand und die Stationsschwester rekrutierte). In der Reha haben sie neben meinen “vitals” ohnehin umgehend das Limit meiner Kreditkarte gecheckt; nicht, daß ich ihnen am Ende davonlaufe. Jeder ist in diesem System ein selbständiger (Sub)Unternehmer. Und jeder will seinen Reibach machen. Verständlich, aber nicht patientenfreundlich oder gar der Genesung zuträglich. Die große Rechnung vom Krankenhaus selbst steht noch aus – ich hoffe aber auf Rabatt, weil ich den Flatscreenfernseher nicht benutzt habe…

Soweit mein Tag mit allen Billen und Unbillen bis ca. Mittag. Wie’s weitergeht folgt im nächsten blogpost. Man möchte ja seine Leser auch nicht zumüllen. Ich werde morgen früh einen Ausflug ins Krankenhaus unternehmen. Selbständig, im Taxi, um die Fäden ziehen zu lassen.

Nur eines weiß ich jetzt schon: daß ich nicht weiß, wie ich all die mir entgegengebrachte “kindness” je wieder gut machen kann.