Selber schuld!

Wer als Freund und Alliierter den wichtigsten Ober-Spion seines besten Freundes und Alliierten rausschmeißt, der muß sich nicht wundern, wenn demnächst Terroristen über sein Land herfallen. Gar nicht wundern muß er sich. Obwohl, vielleicht macht ihm das ja gar nix aus? Schließlich brütet er Terrorzellen, die Zwillingstürme umfliegen, ja im eigenen Land?

Soweit die Berichterstattung (!) des hier als links verschrieenen Senders NPR zur Ausweisung des “station chief” der Geheimdienste der USA in Deutschland aus Deutschland. Man müßte sich direkt mal ansehen, wie dann erst Fox News über die frechen Deutschen geifert. Gestern noch um Care Pakete gebettelt und heute in die Hand beißen, die einen füttert…

Wenn’s mir nur nicht gar so sehr davor grausen würde.

Richard vs. Toni

Ich darf die Herren kurz vorstellen? Richard ist der britische Offizier in meinem Navi, Toni kennt sich aus.

Es war nämlich so: als ich zu Feierabend schnell einen Blick auf Google Maps werfe, ist der Highway 101 nicht etwa rot, sondern schon fast schwarz vor lauter rot. Weil sich wieder everybody and their brother zum Baseballspiel in die City drängeln und vor lauter Dabeisein-ist-alles alle paar Kurven einen Unfall bauen. “Overturned Vehicle”, “Car Fire”, “Serious Accident”* , nochmal “Car Fire” – und das ist erst die halbe Strecke. Voraussichtliche Fahrzeit, sagt Google, sei eine Stunde und zweiundfünfzig Minuten – das muß man ausschreiben, so lange ist das.

Keine Probleme hingegen seien auf dem 280 zu erwarten und 42 Minuten Fahrtzeit sitze ich doch auf einer Arschbacke ab. Also Richard sagen, daß er doch bitte die Alternativstrecke berechnen soll und los. Richard ist ein Offizier und kein Gentleman, sondern vielmehr manchmal etwas eigen und will, als wir aus dem Parkplatz ausfahren, nach rechts abbiegen. Ich bin die Strecke schon ein paar Mal mit Toni gefahren. Der hat mindestens ein, wahrscheinlich aber mehrere Pfadfindergene und fährt hier immer links. Ich auch. Richard wittert Meuterei und will mich unbedingt auf den 101 lotsen, auch wenn wir ich mir einbilde, daß wir uns doch schon beim Losfahren auf die Ausweichstrecke geeinigt hatten. Meinem Inneren Revoluzzer schwillt die Brust, weil er jetzt grad erst recht nicht tut, was man ihm sagt. Ha! Das Hirn ist da ganz seiner Meinung – es wäre doch noch schöner, wenn wir den Weg nicht alleine finden würden! Was den ODP auf den Plan ruft, der sich und alle anderen fragt, wann wir je imstande gewesen wären, uns nicht zu verirren und der kleine Innere Untertan will dem Mann folgen, der uns sagt, wo’s lang geht und der Feigling ist ganz auf seiner Seite. Den 101 kennen wir schließlich und womöglich gehen wir auf der verwinkelten Zufahrt zum 280 noch verloren und finden nie mehr heim und alles ganz schrecklich. Von den anderen unbemerkt, wendet sich die Blase mit einer Frage ans Hirn: “Weißt du noch, wieviel Wasser wir heute getrunken haben? Ich sag’ ja bloß… Zwei Stunden Stau sind ganz schön viel…” Das Hirn nimmt diese Warnung zur Kenntnis und während die Seelchen umeinanderstreiten, steuert es uns an den Landmarken lang und bricht in Triumphgeheul aus, als wir am Wegweiser, der auf Polizei, Stadtverwaltung und Bibliothek am Ende der Sackgasse verweist, wieder links abbiegen. Richard erkennt Subordination, wenn er sie sieht, und hüllt sich vorerst in vorwurfsvolles Schweigen, das er nur gelegentlich bricht, um mitten im Wohngebiet ständig nach rechts zu wollen. Das Team Blase/Hirn ignoriert ihn. Wir fahren erst da rechts, wo Toni auch immer rechts fährt und bejuchzen die nächste Landmarke. Das Weinfeld! Fast geschafft. Noch einmal links abbiegen, am Woodside Stadion lang und dann kommt die Auffahrt. Da ist Richard auf einmal auch wieder im Spiel und befiehlt, als hätte er nicht die ganze Zeit den 101 favorisiert, ganz souverän “take the highway”. Danke, du Depp! Dafür hätten wir dich auch nicht mehr gebraucht – knapp 200 Meter vor der Auffahrt ist nämlich ein Schild. Lesen, mein Bester, ist unsere leichteste Übung.

Der 280 ist eine wunderschöne “scenic route” und als Richard zum zweiten Mal anordnet, daß wir uns gefälligst links halten und nicht abfahren sollen, würge ich ihn ab und genieße andächtig schweigend ohne Radio und Richard das Wechselpiel zwischen blauem Himmel, rotem Sonnenunter- und fahlgelbem Vollmondaufgang, gelbverdorrten Auen, stahlgrauen Stauseen, dunklen Wäldern und puscheligweißen Nebelfähnchen und gondele über die Hügel und Täler des San Andreas Grabens gen Heimat. Auf der Höhe der Abfahrt nach Halfmoon Bay ist alles weg und die Welt geht in pechschwarzen Wetterwolken unter, zwei Meilen weiter ist alles wieder da.

Und weil ich nicht ewig auf dem 101 im Stau stehen mußte, bleibt mir noch genug Zeit, im schwindenden Restsonnenlicht dicke fette blaue Pflaumen zu ernten. Sowie wenigstens je eine Ameise pro Obst, die ich mir beim Schreiben so langsam von Haut und Haaren pflücke.

Richard, du bist ein Loser. Der Sieg geht nach Sachsen! Danke, Toni!

* Frage mich seitdem, wie ein unseriöser Unfall aussieht. Ist das, wenn zwei Clown-Mobile rückwärts ineinander knallen und dann 20 Mann mit Perücken, roten Nasen und Riesenschuhen aus Kleinstwägen entsteigen?

Eine Handvoll Pflaumen

Im Jahr des Panikobsts: Die gelben und die roten Pflaumen sind noch nicht mal vollständig abgeerntet, der Apfelbaum hängt immer noch voll und blüht wieder – und jetzt sind die blauen schon reif. Und riesig.

Handvoll Pflaumen

Ordem e Progresso

Aber doch nicht, wenn man 1:7 verliert… das zeugt weder von Ordnung noch von Fortschritt. Mann, Brasilien!

Unser einziger deutscher Fußballfankollege ist seit dem Spiel um 6 cm gewachsen (also sieben minus eins).

“Challenging Summer Ahead”

Frei übersetzt: “Wir haben einen harten Sommer vor uns”. Was macht man da als Monopolist am besten? Genau, man erhöht in den Zeiten mit dem erwartungsgemäß höchsten Bedarf die Preise und gibt dann ein Feigenblättchen mit Energiespartips heraus. (“PG&E Peak Day Pricing Event Today”)

As a Peak Day Pricing participant, please shift or reduce your energy use between 2 PM and 6 PM to save energy when electric rates are higher. Es hat, wohlgemerkt, keiner eine Wahl, denn PG&E hat hier das Monopoly. Man wird aber euphemistisch Hochpreistagteilnehmer genannt. Klingt einfach netter als friß oder stirb.

Here are a few tips you can use to help save energy:

* Turn off lighting and equipment when not in use.  * Charge batteries and battery-operated equipment prior to peak hours.  * Reschedule energy-intensive activities. Lichter und unbenutzte Geräte ausschalten, Batterien vor den teuersten Kilowattstunden (hihi, Wortspiel) aufladen und Trockner erst abends laufen lassen (weil Wäsche in der Sonne aufhängen einfach nicht in die Köpfe geht). Das ist alles noch nicht mal unvernünftig, das kann man vielleicht sogar hier hinkriegen.

Die nächsten beiden Tips gefallen mir als Kombination besonders gut: * Turn off beverage vending machines and shift use of ice makers before or after peak hours.  * Minimize use of equipment by using peak periods for meeting times. Also erst mal die Getränkeautomaten ausschalten, dem bissele Resteis* beim Schmelzen zusehen und dann die armen vom Geeisten-Kaltgetränk-Entzug gebeutelten Mitarbeiter in unklimatisierte Besprechungszimmer zwingen.

Halt amal. Da ist doch wieder mein Innerer Europäer mit mir durchgegangen. Übers Klimaanlagenausschalten verliert unser Energieversorger kein Sterbenswörtchen. Das geht ja auch gar nicht. Menschen fühlen sich, genau wie Campari, am wohlsten on the rocks. Wobei Mensch in diesem Zusammenhang synonym für Amerikaner steht. Die anderen sind zugereiste Hascherl und sollen doch in ihren Kapuzenjackerln zu Tode schlottern, diese Sissypussywussies.

* Man muß sich nur mal ansehen, wieviel Eis bei Starbucks schon am frühen Morgen in einen einzigen Becher “Iced Coffee” gequetscht wird. Die haben schätzungsweise pro Filiale einen Tagesbedarf in Größe eines frischen Gletscherkalbs.

Aus dem Vokabelheft

“Seid ihr alle da? Wirklich alle? Auch Krethi und Plethi?”

Yup, Sie können beruhigt sein. Es sind alle gekommen: “everybody and their brother”.

Potluck

Am Montag nach einem langen Feiertagswochenende, habe ich mir gedacht, gibt es bestimmt viele “leftovers” (Reste). Wo doch Amerikaner ihre Unabhängigkeit gerne im Freundes- und Familienkreis vor allem mit sehr viel Fleisch essen zelebrieren. Also habe ich ein Firmenmittagessenpotluck ausgerufen auf daß ein/e jede/r bringe, was er/sie übrig hat. Habe ich mir gedacht. Aber “bloß Resterl”, das wollte doch keine/r auf sich sitzen lassen und so haben alle eigens etwas zubereitet. Mann, haben wir geschlemmt.

Als Vorspeisen wurden gereicht: Mini-Gurkensandwiches mit Dill, Soba-Nudelsalat, Parma-Schinken & Melone, Salamispießchen mit Mozzarella, Pumpernickel mit Ziegenkäse und hausgemachten Chutney (ja, ich), Guavenwürfel und noch mehr. Paul aus Australien hat Tri-Tip (http://bit.ly/1thOpNK) gegrillt. Und weil man von einem Fleisch allein nicht leben kann, hat er gleich drei Riesenklumpen Rind in unterschiedlichen Marinaden sowie jede Menge Hühnchen für die eher läßlichen Fleischfresser angeschleppt. Dazu wurden indische Gemüse (schwarze Kichererbsen in Feuersoße), gegrillte Paprika und Bananen sowie eine Monsterschüssel bunter Salat gereicht, außerdem chinesische Frühlingszwiebel-Pfannekuchen und Nußknackerbrot. Die Dessertfraktion war mit allem vertreten: französische Crepes-Pralinen, Chocolate Chip Cookies, Blueberrymuffins, Strawberry and Blueberry Buttermilk Bread, ein bunter Allerleiobstkuchen aus dem Flockschen und benachbarten Gärten.

Ich war fast glücklich, daß es ein paar Helden (erwartungsgemäß, always the usual suspects) doch verbaselt und außer sich selbst und viel Hunger nichts dabei hatten. Wir sind nämlich nicht nur alle sehr satt geworden, sondern haben lässig für morgen und wahrscheinlich auch noch übermorgen was über.

Ganz besonders gefreut hat mich, daß Kollegin Wei aus China wieder ihre Schweinsröllchen mitgebracht hat. Die liebe ich seit unserem ersten Potluck. Wie, Wei, muß ich denn bestellen, wenn ich das mal ohne dich essen will? Google hat Weis Recherche sabotiert: Google Translate kam mit “elbow flower”* daher und Google Image mit den verkehrten Bildern. Aber sie ist schließlich doch noch fündig geworden: “Next time you eat in Chinese restaurant you order Braised Pig Elbows.”

Ganz einfach, als Merkhilfe stelle ich mir vor, wie rosige Schweine wie klatschende Nachbarn mit einem karierten Kisserl unter den Schweine-Ellenbogen überm Koberzaun hängen.

 

*Ellenbogenblume, was für ein poetisches Gericht.

Santa Ignoranzia, bitte für uns

In den ersten drei Monaten nach einer Hüft-OP ist Pediküre anderen Menschen zu überlassen. Das könnte ich doch eigentlich noch schnell in meinen Samstagnachmittag quetschen? Oder doch nicht? Viel zu voll. Zu laut. Zu bunt. Bei meinem vietnamesischen Beauty-Salon ist Bollywood ausgebrochen, mindestens ein halbes Dutzend junger Damen in farbenfrohen Saris und viel Bling-Bling fläzt auf den Ledersesseln herum und schnattert. Ich bin schon fast wieder draußen, als die Chefin mich am Handgelenk schnappt. No worries, die seien hier nur, um der da vorne in Grün, bei der gerade was repariert wird, Gesellschaft zu leisten. Sie habe sehr wohl Zeit, meine Wünsche zu erfüllen.

Zwei bunte Damen werden aus dem Pedikürenstuhl gescheucht, ich hineingesetzt und meine Füße in ein Sprudelbad gestellt. Meine Pedikeuse massiert die Zehen mit Essenzen und fängt an, zu klippen und zu schieben und… was weiß ich, alles möglich anzustellen, um hinterher einen Preis von 20 Dollars zu rechtfertigen. Um uns herum wird viel geschwätzt, gelacht und gestikuliert. Armreifen klirren, Henna-Tattoos werden verglichen und war diese Wedding heute nicht toll? Diese Fahnen überall. Und die Statuen. Und diese orangenen Rundbögen bei der Zeremonie. Hach! So schön! Und so farbenfroh. Die Schnatterliesen besuchen die separierte Reparaturliese und bedauern sie. Wie scheußlich muß es sein, ausgerechnet heute einen Fingernagel einzureißen? Wie toll ist das denn, daß ihr so schnell geholfen werden kann? Und sind die Saris nicht schön? Und der ganze Schmuck? Und hier, mein Henna-Tattoo? Nein, meins. Das ist noch viel schöner. Indische Hochzeiten sind einfach das allercoolste – das hat sie wieder toll hingekriegt, die Sandy. Sandy ist die mit dem Reißnagel und sehr geschmeichelt. Sie sei ja nun schon ein paar Jahre im Weddingplanning-Business und “Monsoon Wedding” sei ihr persönliches Lieblingsmotto, gleich nach Star Wars. Ich beginne zu begreifen: das ist eine Themenhochzeit. Drum stecken in den bunten Saris ausschließlich Amerikanerinnen. Jetzad.

Sandy hat die Hand im Trockengerät und ist in Plauderlaune. Sie könne sich noch genau an ihre erste India-Wedding erinnern. Da sei unter den Gästen eine Inderin gewesen und sie habe die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und nachgefragt “Did I do India right?” Sie verstehe bis heute nicht, warum die Befragte seinerzeit solchermaßen eingeschnappt* reagiert habe.

Ich schon. Mann, bin ich froh, daß ich nur zehn Zehen habe und schon fertig bin.

* “I still don’t get it why she was, like, so upset.”

Guter Verlierer

Heute beim mexikanischen Metzger: “Eres alemán, si?” Ich nicke. (Sprechen geht nicht, weil ich gerade an einem ganzen Mundvoll Wurstpröbchen kaue.)

“¡Felicitaciones!”

Da schau her. Der “carnicero” ist Fußballfan und Jogis Jungs haben mir gerade eine gute Handvoll Camarones Tigres für umme erspielt. Nicht, daß ich das mitbekommen hätte. Ich war bei Moffy im Bootcamp.

Okay, Universum. Ich nehme deine Entschuldigung an.