March! March for our boys!

Ich hätte anrufen sollen und fragen, wer heute im Pool die Holiday-Aqua-Fitness-Stunde anleitet. Dann hätte man mir gesagt, daß das Moffy ist, ich hätte mich mit Grausen an das letzte Mal erinnert (https://flockblog.de/?p=22024) und wahrscheinlich von einer Teilnahme abgesehen. Hinterher ist man immer klüger.

Stattdessen bin ich mit einer weiteren Teilnehmerin in einer Bahn des großen unbeheizten Pools einer Wahnsinnigen ausgeliefert. Sie trägt wieder Patriotic Swimwear und dazu eine Stars-and-Stripes-Baseballmütze, zu allem Überfluß gekrönt mit einem Blinkehaarreif auf dem mit Silberlametta gerahmte patriotische Wackel-Sterndl an Drähten herumeiern. Dschisaß Kreist! Das erste Lied vom eigens für heute zusammengestellten Mix ist “America the Beautiful” das nächste “Hail to the Chief” (http://bit.ly/1rvj3S7). Sie kreischt vom Beckenrand: “March! March for our boys in Afghanistan! Go! Go! Go! Go! Go!” Richtungswechsel, Hampelmannarme. “March! March for our boys in Irak! Go! Go! Go! Go! Go!” Richtungswechsel, Beine in die Luft, Opposite Arms. “March! March for our boys in Iran! Go! Go! Go! Go! Go!” Wah? Zettelt die hier den 3. Weltkrieg an? Anscheinend ist das selbst dem roten (!) Ghetto-Blaster zuviel, der bleibt mitten in “Yellow Rose of Texas” stecken und mag zu diesen Invasionsphantasien keinen weiteren Ton mehr von sich geben.

Bullet_Firecracker_Red_White_BlueMir langt’s auch. Ich ziehe die Krüppelkarte (“gaaaanz neue Hüfte, alles noch viel zu anstrengend für mich, so sorry”) und mich auf eine Nebenbahn zurück, schwimme für den Rest der Stunde und mache erst beim Abschluß-Stretching wieder mit. Danach gibt’s für alle, die am Feiertag “brave” sind und turnen statt zu grillen, ein Eis.

Thanks, Moffy. But no thanks.

Fahrtzeit: 21 Minuten

Morgenradiomoderatorin: “Mike hat heute die Nachrichten zum nicht existierenden Verkehr für Ihren Weg zur Arbeit. Wir rufen Mike im Hubschrauber. Mike?” “All clear. I can only spot some random workaholics on the roads.”

Saftladen

Sie sei, vertraut mir die Kollegen im Ton eines Geständnisses an, seit Anfang dieses Jahres “a juicer”, was bedeutet, daß sie auf der aktuellen Modewelle reitet und alles Obst und Gemüse, das nicht bei drei wieder auf dem Baum ist, zu Saft preßt. Und ja, Äpfel nehme sie gerne. Super! Wieder eine riesige Ikea-Einkaufstasche voller siamesischen Apfelzwil-, dril- und nochvielmehrlinge an die Frau gebracht. Mir ist das nur recht und der Baum immer noch rappelvoll. Übrigens alles echtes Panikobst. Vor lauter wie wahnsinnig Blühen und Bestäuben hatte kaum ein Apfel Platz genug, alleine vor sich hin zu wachsen. Und prompt läuft auf dem Baum offensichtlich ein Wettbewerb um die obszönste Fruchtform.

Schon allein deswegen könnte man sich direkt mal wieder auf einen Regenwinter freuen.

Spielverderber

Je näher der Independence Day rückt, desto weniger dicht ist der Verkehr. Die Bewohner der Bay Area ziehen es diese Woche offensichtlich vor, irgendwo anders Straßen zu verstopfen. Eigentlich ganz schön, ich brauche zur Zeit für den “Roundtrip” genauso lang, wie sonst an guten Tagen für eine Strecke. Heute früh habe ich zum ersten Mal die 25-Minuten Marke geknackt und mir natürlich gedacht, daß das abends noch besser wird. Weit gefehlt! Und schuld sind Kardinäle. Und Giganten. Jawohl.

Nicht verstanden? Hier die Langfassung: Im AT&T-Stadion in San Francisco basisballern heute die Rotvögel aus St. Louis gegen “unsere” Giants. Anpfiff* ist um viertel nach sieben. Dichter Stau ab halb sechs, denn mit dem Zug fahren ist nicht wirklich eine Option. Der CalTrain fährt nach dem Abpfiff** bestenfalls nur noch stündlich gen Süden und nach Mitternacht überhaupt nicht mehr.

Morgen wird alles besser! Das Baseballspiel geht nämlich gleich nach dem Mittagessen los und alle anderen wollen doch bestimmt ganz früh in ihr langes Wochenende aufbrechen. Gefälligst.

 

* Ich weiß immer noch nicht, ob ein Baseballspiel eigentlich angepfiffen wird. Irgendwann muß ich das mal recherchieren – die Erinnerung an meinen bis dato einzigen, ersten und letzten Besuch eines Spiels liegt schon viel zu lange zurück.

** Wie gesagt, keine Ahnung ob eine Flöte im Spiel ist. Ich vermute allerdings, daß die Spieldauer davon abhängt, wie lange die brauchen, um das Spielfeld komplett einzuspeicheln – Baseballspieler spucken unglaublich viel.

Keinen an der Waffel

Belgian-Waffles-1Er werde, sagt mein Kollege, hinfort mit seinem Frühstück ein Zeichen setzen. Pancakes, ja. Eier, gebraten, gesotten, gekocht, verrührt, alles okay. Aber Waffeln? Nie mehr!

Es hilft, wenn man weiß, daß für Amerikaner Waffeln als Synonym für Belgien stehen.

Freedom Fries, anyone?

Aus dem Vokabelheft. Sonderedition Grammatick!

Wenn man hierzulande als “Soundso-Nazi” bezeichnet wird, dann ist das nicht zwingend politisch gemeint oder gar ehrenrührig. Nein, das Gegenüber erkennt einen als Menschen mit überdurchschnittlicher Hartnäckigkeit bis hin zu vollkommen verbohrter Sturschädligkeit an, also von der Sprachwurzel her doch recht nahe am Original. Der wohl bekannteste Vertreter dieser Spezies ist der “Soup Nazi” aus der schon etwas älteren New Yorker Sitcom “Seinfeld”, der es sogar zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht hat (http://en.wikipedia.org/wiki/The_Soup_Nazi).

Mir ist jüngst von einem sehr geschätzten Kollegen der Titel “Grammar Nazi” verliehen worden, weil ich jedes Mal, wenn die Diätpulvertante im Radio plärrt “Our prices can’t be beat!” zusammenzucke und ein “en” für “beaten” hinzufüge. To beat ist ein unregelmäßiges Verb und “beaten” die Partizipform und ihr seid hier verdammt nochmal aufgewachsen und solltet das mit der Muttermilch eingesogen, spätestens aber in der Schule gelernt haben! Hah! Stattdessen verhunzen sie ihre Sprache ordentlich weiter, und adjektivieren das Verb fröhlich und grundverkehrt. Beispiel: “After the long day, she was feeling completely beat.” (“beat” steht hier für erschlagen, erschossen, fix und fertig und es müßte selbstverständlich ebenfalls “beaten” heißen.)

think differentWas soll ich? Ruhig bleiben? Mich nicht aufregen? Einfach “Think different”?

Das heißt “differently”, dammit!

Aus dem Vokabelheft

Wo ein Deutscher außer sich oder wenigstens dem Häuschen ist, steht der Amerikaner eher neben sich und ist zum Beispiel “beside himself with joy”.

“I trade you”

Wenn ich bäumisch verstehen könnte, dann hätte ich im Frühjahr sicher überall gehört “OMG, hier ist das Wasser knapp! Wachst, wachst, wachst! Dammit!” Resultat: blütenübersäte Äste, Blattwuchs eher mangelhaft. Dann wurden dem Vernehmen nach Bienen, Hummeln, Kolibris und anderen für ein bißchen Staub auf Stempel drücken hohe Summen geboten und jetzt haben wir die Bescherung: Panikobst! Panikobst! Panikobst!

Was habe ich mich am Samstag gefreut, als ein Bekannter anrief und nochmal auf einen “plum run” vorbeikommen wollte. Super! Da meldet sich wer freiwillig zum Obst abholen. Und bittet sogar noch um mehr als die haushaltsübliche Menge, weil er anderen davon abgeben will. Klasse! So ist es recht! Kommt ihr nur und pflückt, was ihr könnt. Daß er das als Tauschgeschäft versteht und eine Riesentüte frischer Feigen mitbringt, war eigentlich nicht ausgemacht. Weil man’s ja nicht umkommen lassen kann, habe ich mir schnell Gemüsereis mit Feigen-Orangen-Hühnchenfrikassee ausgedacht und gegrillte Feigen in Pancetta. Weil mir ein Dutzend aber zuviel war, habe ich ein paar frisch aus der Pfanne für Sam zur Nachtschicht eingepackt und ein paar mehr zu Carmen getragen – und bin mit einer Tüte Aprikosen nach Hause gekommen.

Resistance? Futile! Like, totally futile.