The Big Second Avenue Rabblement*

Was hat es zu bedeuten, wenn Ich-geh-doch-nicht-mitten-in-der-Nacht-allein-aus-dem-Haus-Carmen und ihr Ältester kurz vor Mitternacht beim Drugstore oben am El Camino sämtliche verfügbaren Bestände an Wasserstoffperoxid, Dawn** und Baking Soda aufkaufen?

Da kommt man nicht so leicht drauf und deshalb verrate ich es lieber gleich: Ihre Hunde haben den Ausgang kurz vor den Spätnachrichten genutzt, um hinten im Garten mit einem Stinktier zu “spielen”. Die ganze Familie hat nach Anti-Stink gegoogelt und die oben genannte Rezeptur wurde als die erfolgreichste eruiert. Während Francisco in seinem Motorradregengewand das während des Herumtobens verstorbene Stinktier in einem selbstverständlich (!) in der Garage bereitliegenden Bodybag verstaute, kauften und mischten Carmen und die Buben Pulver und Tinkturen. Anschließend gemeinsames Hundebaden, gefolgt von jeder beteiligte Mensch duscht. Lange und gründlich. “What a mess!”

 

* Es ist schon faszinierend, im Amerikanischen gibt es einen ganzen Strauß an Vokabeln für den deutschen Begriff “Aufruhr”: uproar, commotion, riot, sedition, brouhaha, civil commotion, disturbance, fracas, furor, hurly-burly, insurgence, insurgency, insurrection, mutiny und eben auch rabblement, wie ich heute früh von einer sehr übermüdeten Carmen gelernt habe. Da sieht man mal, welchen Einfluß einmal Teekisten ins Hafenbecken schmeißen auf die Linguistik haben kann.

** Wo steht geschrieben, daß ein Geschirrspülmittel nicht “Morgenröte” heißen darf? Hmmm?

Typisch?

Gestern hatte Carmen ihrer Schwester die Möbel in meinem Haushalt präsentiert, die ich einer Schiffsreise für nicht würdig befunden hatte und heute rückte hermana mit Mann und einer von drei Töchtern an, um eine Kommode (heißen hier “Dresser”) und den Badezimmerschrank abzuholen. Sowie, nach kurzer Beratung mit dem Gatten, sämtliche anderen noch verbliebenen Schränke und Dresser. Für die Heilsarmee bleibt jetzt nur noch eine lächerliche Kommode übrig und meine eigens für nächsten Sonntag zum Schleppen für die Soldaten Gottes engagierten Helfer werden nicht mehr sehr viel zu tun haben. Außer Bilder abzuhängen und Nägel und Dübel aus Wänden zu zerren und die dabei so sicher wie das Amen in der Kirche entstehenden tiefen Löcher mit Spackle* zu verputzen. Auch recht. Hauptsache weiter, und wenn ich damit wem, den Carmen kennt, eine Freude machen kann: umso besser.

Carmen sah das offensichtlich ein bißchen anders: nachdem die Verwandtschaft mit meinen Möbeln, verteilt auf zwei Pick-ups, abgezogen war, kam sie noch einmal vorbei, um zu versichern, daß es sich bei der Habgierigkeit ihrer Schwester um eine individuelle Eigenschaft handle und nicht etwa um das Stereotyp, daß Mexikaner immer alles brauchen können.

Alles gut, Carmen. Nochmal: Hauptsache weiter, und wenn ich damit wem, den du kennst, eine Freude machen konnte: umso besser.

* Spackle ist das hiesige Äquivalent zu Moltofill.

Nachdenkerei

Während ich so vor mich hin packe, muß ich manchmal schon recht sinnieren: arg viel Kleidung ist es nicht, a bisserl Bettdecken, -wäschen und Kissenzeugs und auch nur einige sehr wenige sehr ausgesuchte Möbel. Gut, ich hab einiges an Geschirr, Koch- und Backgerätschaften und ein paar schöne Gläser, die ich gerne weiter um mich hätte. Aber sonst? Sonst packe ich nur ein, was der gemeine Digital Native auf ein paar Terabyte-Festplatten mit sich führt: Bücher, CDs und DVDs. Vieles kreuzt den Atlantik nun zum zweiten Mal.

Und oft haben sie Widmungen oder sind liebevoll extra für mich compiliert oder mein Leben wäre einfach ärmer ohne sie. Hmmm. [Schulterzuck.] Ich glaube, ich bin einfach rettungslos altmodisch. Quasi ein Analoger Native.

Role Model*

Während ich mir die Zehennägel kürzen, schleifen und polieren lasse, sehe ich zu, wie die Friseurin der knapp Zehnjährigen im Stuhl gegenüber eine Königin-Elizabeth-Frisur schneidet und anschließend zementiert. Selber schuld, kleines Mädchen: was trägst du auch ein T-Shirt mit dem Aufdruck “Queen in Training”?

* Die sinngemäß am nächsten kommende deutsche Übersetzung für “role model” wäre “Vorbild” und triffts nur unvollständig. Und ein Begriff wie “Rollenmodell” ist weder Fisch noch Fleisch noch akzeptables Deutsch, sondern SozPädSprech.

Spieglein, Spieglein

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, welche nachhaltige Wirkung der Puritanismus in Amerika hat, dann den, daß der kleine Spiegel in der Sonnenblende im Auto hier “Vanity Mirror” (Eitelkeitsspiegel) genannt wird. Seit gestern Carmen mit ihrer Schwester da war, um sich über den Bestand an nicht interkontinental reisenden Möbeln zum Zwecke lokaler Weiterverwendung zu informieren, habe ich gelernt, daß selbst ein Badezimmerspiegelschränkchen im Volksmund “The Vanity” heißt, wobei sich offensichtlich außer mir keiner Gedanken über die Herkunft dieser Bezeichnung macht.

Im britischen Englisch heißt dieses Möbel übrigens “Toilet Mirror”, was aber nicht von der Porzellanschüssel herrührt, sondern von William The Conquerer. (Nach dem normannischen Sieg im Jahre 1066 sprach man in noblen Kreisen nur noch Französisch und ersetzte stählende Kaltwasserwaschungen durch “Toilette machen”.)

Nachtvorstellung

In der Nacht von gestern auf heute leuchtete uns ein riesiger “Blue Moon”, das heißt, es gab innerhalb einer astrologischen Saison vier (statt sonst nur drei) Vollmönde (-monde? -monds?).

Ich bin schon sehr gespannt, wo ich den nächsten erleben werde.

Merksatz #9

Aus den Untiefen meines Closets (Wandschrank) tauchen Stücker vier Hosenanzüge auf, sommerliches Leinen bis zum wintertauglichen Modell mit Gehrock. Hmmmm. Klar, die Farben gefallen mir, ich hab sie ja selbst ausgesucht. Gemeiner ist, daß sie auch alle noch passen wie angegossen. Es ist bloß… wenn ich in den Spiegel sehe, schaut eine etwas beleibtere Merkel zurück. Ich kann sowas einfach nicht mehr tragen, ohne mich ganz schlimm verkleidet zu fühlen. Das wird die Cancer Research Society freuen: zu allem anderen gibt es am Dienstagfrüh auch einen Sack voll Business-Klamotten.

Merke: Wer über sieben Jahre in der Start-up-Welt werkelt, umgeben von – ich sach mal – wenig modeaffinen Software-Entwicklern, ist für formale Kleidung verloren.

Schwere Entscheidung

Frau hats ja nicht leicht, wenn sie sich an ihre Kleiderschränke macht. Soll ich jetzt zum Beispiel meine verwaschene Jogginghose mit nach Deutschland nehmen? Wenn ja, Koffer oder Karton? Karton bedeutet, daß ich sie frühestens wieder anziehen kann, wenn ich a) eine neue Wohnung, b) mein Container seine zweimonatige Reise heil überstanden und ich c) dann die richtige Kiste gefunden habe. Und warum mach ich mir wegen eines alten Fetzen Stoffs soviele Gedanken?

Weil diese Hose das allerbesteste Schlampergammelmodell für kalte Lese- und mittelkalte Kruschteltage ist und außerdem bei allgemeinem Unwohlsein zu schnellen Heilerfolgen führt.

War doch gar nicht so schwer: Koffer it is.

Aus dem Vokabelheft

“Dann mußt du’s ihm halt durch die Blume sagen, through the flower, ya know”, rate ich meinem jungen Kollegen für den zukünftigen Umgang mit einem schwierigen Kunden. “Du willst also, daß ich lüge?” fragt er konsterniert zurück. “Nein,” bemühe ich mich um eine Erklärung. “Du sollst ihm schon sagen, daß er nervt. Aber halt nicht so direkt, sondern nett und freundlich.” “Ah”, glaubt er zu verstehen, “Du meinst, ich soll ihn auf die eher passiv-aggressive Tour angehen?” Nein, das meine ich natürlich erst recht nicht! Dammit, wie sag ichs diesem Kinde? Weil ja heutzutage kein Mensch mehr Unwissen ertragen kann (mich eingeschlossen), tippe ich schon wie wild auf meinem Smartphone herum: es muß doch im Amerikanischen ein vergleichbares Idiom geben? Gerade im Amerikanischen, sollte man meinen, dem Homeland of the Brave and the Süßholzrasplers*!

Um es kurz zu machen: gibt es nicht. Wer sich hierzulande verblümt ausdrücken will, der spricht durchs Karussell (“to say something in a roundabout way”) und ist damit schon beinahe in der Umlaufbahn des heißen Breis. An sich sollte es einen nicht überraschen, daß hier keiner durch Botanik** spricht: als der Begriff im 16. Jahrhundert (oder möglicherweise sogar noch früher) geprägt wurde, war man auf diesem Kontinent noch nicht in Idiomatik tätig.

 

* Was verblüffenderweise auch nicht nicht “to grind sweet wood” heißt, sondern “to sweet talk someone”.

** Die Symbolik der “Sprache der Blumen” hingegen zählt zum Allgemeinwissen und sollte beim Straußkauf unbedingt berücksichtigt werden. Rosen, rot – Ewische Liebe. Veilchen, blau = Treue über den Tod hinaus. Geranien, Farbe egal = Du bist doof. Lilien, weiß = Ich tu mal so, als würde ich dir glauben, daß du noch nie Sex hattest. Lilien, orange = Glühender Haß, auch als Morddrohung gültig, wenn gerade kein Pferdekopf zur Hand ist.

Protect Our West

Protect Our West 1Gestern red’ ich noch von Waldbränden und heute schon flehen mich markige Männer auf Holztapetenbillboards am Rande des Highways an, für sie Bier zu trinken. Nicht, weil sie Leberprobleme hätten oder auf Diät sind und selbst nicht könnten, sondern weil die Brauerei Miller für jede im Juli und August in Alaska, Arizona, California, Idaho, Nevada, Oregon und Washington (= “The West”) verkaufte 4 x Sixpack-Kiste Coors-Bier in Stubby Bottles* einen Quarter (25 Cents) an die Wildland Firefighter Foundation spendet.

 

Protect Our West 2

Alsdann: An die Flaschen, folks!
Trinkt was ihr könnt, damit andere besser löschen können.

* Mehr Kleingedrucktes hatten sie nicht, außer, daß nach einer Million Kisten Schluß ist mit der Spenderei. Dabei hätte man doch durchaus noch festlegen können, daß der Vierteldollar nur an die Feuerwehr geht, wenn der Bierkauf vor 06:00 Uhr früh stattfindet und der Verkäufer ein “M” für Marion als Mittelinital vorweisen kann. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie fühlt sich diese Großzügigkeit ein bißchen kleinlich an.