Hej da, Schweden!

Ich weiß ja nicht, wie Abschied früher klang, aber ganz sicher, welches Geräusch heutzutage untrennbar damit verbunden ist: das Zuziehen eines Reißverschlusses. Durchs Otterbäckener Häuschen zippt es, dann nochmal rundgehen und Vergessenes einsammeln, wieder zippen, dann einladen, von Håkan verabschieden, dabei schon irgendwie sagen wollen “bis nächstes Jahr” oder gar sein Angebot zum Kauf des Häuschens annehmen und dann auf den Huvudväg.

In vielen Ansiedlungen wehen Wimpel und Fahnen von Zinnen (oder Laternenmasten), das ist aber nicht wegen uns, sondern weil man offensichtlich im schwedischen Sommer gerne Riddarspelen veranstaltet. Ich erwäge im Vorbeifahren spontan die Mitgliedschaft im Sofiel- undgolfclub, es schmälert meine Begeisterung kaum, dass wir ein paar Kilometer weiter an Sofielund vorbeifahren und sich mein neuer Universalclub als Verleser entpuppt. Das geht hier allen so, auch dem Navi, dass uns über Obstsalat (Uppsala) nach Eilanda (Arlanda) dirigiert und dann ist das Auto abgegeben und wir drängen uns durch laute und – nach so viel frischem Mückenwind – geruchsintensive Ansammlungen hektischer Menschen zu unserem Gate und dann fliegen wir heim und sind wieder da.

Das ist schon schön, wenn Heimweh ein Fremdwort bleibt und man gerne noch länger geblieben wäre.

Danke, Schweden!

Und auf einmal ist es dann fast schon vorbei: die letzte Exkursion in den Wald, eine allerletzte noch einmal hinunter zum See zum bisher schönsten Sonnenuntergang von allen und dann kommt die Erkenntnis, dass dies heute das Last Supper und morgen früh dann wirklich unwiederbringlich das letzte Frühstück sein wird. Dabei sind wir doch erst gefühlte drei oder so Jahre hier und die Bücher noch nicht alle ausgelesen und erst einer von den Strickpuschelsocken fast fertig und alles ist genauso, wie Tucholsky das (in inzwischen durch leider viel zu häufigen Gebrauch etwas abgenutzten Worten) geschrieben hat: Wir lagen auf der Wiese und baumelten mit der Seele. Der Himmel war weiß gefleckt; wenn man von der Sonne recht schön angebraten war, kam eine Wolke, ein leichter Wind lief daher, und es wurde ein wenig kühl. Ein Hund trottete über das Gras, dahinten. ›Was ist das für einer?‹ fragte ich. – ›Das ist ein Bulldackel‹*, sagte die Prinzessin. Und dann ließen wir wieder den Wind über uns hingehen und sagten gar nichts. Das ist schön, mit jemand schweigen zu können. Aber der Wind hat gedreht, und das ist seit Mary Poppins ein untrügliches Zeichen, dass eine Abreise bevorsteht.

Christoph recherchiert die Route zum Flughafen (wir haben treffsicher den einzigen Autoverleih ausgesucht, dessen Wegbeschreibung mit den Wort beginnt: “Machen Sie alles, aber biegen Sie bloß nicht am ‘Rental Car Return-Zeichen’ ab”) und dann bricht die Welt über uns herein. Nach dem gestrigen Anschlag in Nizza, heute der Putschversuch in der Türkei und wir kleben an den Sozialen Medien und CNN (wir hätten gerne und lieber BBC World geguckt, aber bleiben stur bei ihrem Porträt vom zukünftigen Ex-Präsidenten der Vereinigten Staaten) und als wir endlich schlafen gehen, ist eigentlich immer noch nichts klar, außer, dass der CNN-Anchor in direkter Linie von Mayflower-Reisenden abstammen muss, denn er war schon recht entrüstet, dass da in Istanbul noch so viele Menschen auf der Straße sind – man denke: “half an hour past midnight”.

Was mir am meisten fehlen wird? Das Licht. Es wird nie wirklich dunkel; die Sonne macht irgendwann weit nach 22:00 Uhr nach einem spektakulären Abgang einer hellen Dämmerung Platz und kommt gegen 03:00 Uhr früh schon wieder zurück. Und dann das Softeis… Und die springenden Fische im Teich und die hohen hohen Baumwollfelder (okay, das letztere war gelogen, aber jeder Tag in Otterbäcken klang wie Janis’ Summertime (http://bit.ly/1eWHkYZ).

Gibt es denn an diesen schwedischen Ferien gar nichts zu meckern? Ja. Doch. Zwei Dinge. 1. Schweden bettet seine Gäste gerne sehr sehr weich und das ist nix für teutonische Reckenrücken und 2. Schweden ist Mitglied eine großen weltweiten Verschwörung. Die haben hier nämlich gar keine Elche. Nur Warnschilder.

 

* Tiere erfinden ist die einzige Pflicht, die Schweden seinen Touristen auferlegt: Unser Beitrag sind zottelflauschige Hundsschafwollponies.

Heute: Auch Nichts bzw. “Ganz pfön viel Gepfziehe”

“Und die  Sonne geht auf und unter* und zieht über uns hinweg. Und der Mond** geht auf und unter und zieht über uns hinweg und die Sterne*** gehen auf und unter und ziehen…”

* Aber nur ganz kurz.

** Aber nur grad mal halb so hoch wie daheim.

*** So licht, wie das hier mitten in der Nacht ist, sind nur die allerhellsten drei zu sehen. Aber das gildet.

Heute: Nichts

Endlich “Die Wohlgesinnten” ausgelesen und einer und einem jeden ans Herz gelegt. Ein sehr großes Buch!

Nachschub

Mjölk aus, Saft aus, Wein aus. Kein Fleisch, kein Fisch und kaum noch Schokolade – es hilft nicht, wir müssen tatsächlich unser Häuschen verlassen und unter die Menschen. Ganze 10 Minuten Fahrt, bis nach Gullspång…

Dafür rühren wir uns aber die verbleibenden drei Tage nicht mehr von der Stelle.

Der Schwedeneffekt

Frage: “Wenn am Sonntag Fußball war, welcher Tag ist dann heute?”

Antwort: “Heute ist der Tag, an dem die Mjölk ausgeht.”

Nachtrag

Wie ich höre, ist nicht jede/r mit dem Begriff “Elchzimmer” (s. https://flockblog.de/?p=31153) vertraut.

Ein Elchzimmer geht (ich vermute grundsätzlich) nach Norden, auf den Betten liegen kratzig wirkende schwarz-grau-melierte Fransendecken und abgerundet wird das Ensemble wird mit Elchkopfzierkissen. Nicht schön, aber halb so schlimm wie bei Siw und Christer in Strängnäs, wo der Wendeltreppenaufgang zu unserem Zimmer dekoriert war mit Geweihen, einem ausgestopften Wapiti*-Kopf sowie einem hübsch gerahmten Bild, das Christer mit einem Fuß auf dem Nacken eines erlegten Zebras zeigt.

Auf Hawaii wird, wie ich aus Erfahrung berichten kann, der Elch durch Flip Flops ersetzt.

* Christoph behauptet, es habe sich um einen Wildebeestschädel gehandelt. Wir einigen uns auf Wasserbüffel und darauf, dass wir keine Ahnung von der afrikanischen Tierwelt haben.

Nicht unter Humboldt

Manchmal, spätmorgens nach dem Frumi, legen wir Expeditionskleidung an und machen uns auf, die Natur um uns herum zu erforschen und zu bestimmen. Bei Insekten freilich haben wir gar nicht erst angefangen, außer mit der feierlichen Taufe des Clownsnasenkäfers, der aussieht wie ein Marienkäfer nach jahrelangem steroidintensivem Bodybuilding, jedoch ohne Punkte. Die anderen unterscheiden wir lediglich in “Hat sich verflogen”, “Will nur was vom Frumi ab” sowie “Stecher & Blutsauger”. (Wir sollten wirklich endlich mal das Mygga aus dem Auto holen…).

In der Ornithologie sind wir schon weiter fortgeschritten, denn wir kennen sie alle: Möwe, Fischadler, Star, Weißer-Iro-Stelzvogel, Kormoran, Aus-dem-Himmel-spontan-fallen-laß-Boink!-Vogel, Elster, Ente, Rotbauchvogel, Nils-Holgerssons-Gans sowie Diverse.

Unsere Königsdisziplin jedoch ist die Botanik: Rotblum und Blaublum, Nochvielblauerblum mit und ohne Glöckchen, Gelbblum mit kleinen Blüten, Gelblum mit großer Blüte, den man gemeinhin Löwenzahn nennt, Zweitgelbblum, Goldregen, Blauklee, Weißklee, Rosaklee, Irgendwieviolettklee, Lupine, Schonwiederblaublum, Vielundbuntblum (Fachbegriff ist hier Wiese), Geißblatt, Spitzwegerich, Hahnenfuß, Margerite, Auchsehrhübschblum, Mohn- und Kornblum und die offensichtlich hier endemische Tellerminenblume (Tellmanniana).

Dann hinein in den tiefen Wald: Birken, WasmitNadeln, Buchen, WasanderesmitNadeln, Mehrbirken, Ahorn, Behorn, Cehorn, Büsche, Sträucher, Gestrüpp. Die Vegetation ist insgesamt noch ein bißchen hintendran; Björnbär, Blåbär, Tranbär, Surkörsbär, Krusbär, Lingon, Hallon und Jordgubbe tragen alle noch ihr recht einheitliches Frühstadiumsgrün, einzig die winzigen Smultron rufen frech und leuchtend rot von Waldboden “Vernasche uns”, aber darauf fällt man als Erdbeerallergiker wirklich nicht herein.

Professionelle Pilzkunde trauen wir uns nach nur einer Lehrstunde vor langer Zeit in Berkeley nicht so zu, noch dazu, wo seinerzeit das Hauptinteresse des Mykologen nicht der Eß-, sondern eher der Rauchbarkeit seiner Schwammerl galt. Wir belassen es daher bei der Beschreibung des bisher entdeckten Gelb-Flach-Lamellenreichen sowie des Klein-Knotigen-Schwarzstinkers.

Ansonsten haben wir einen sehr großen Hasen, der ab und an vorbeiläuft, aber meist in Eile zu sein scheint und Wetter. Nachts regnet es manchmal und sobald wir uns auf einen Tag mit Buch, Kuscheldecke und heißem Fläder im Haus eingerichtet haben, kommt die Sonne raus und der Wind bläst die Liegestühle in Nullkommanix trocken. Hört aber auch danach nicht auf zu blasen und zu heulen, was zwar gegen Mücken hilft, mich aber auch zunehmend zu der Erwägung hinreißt, mich in Scarlett umzubenennen.

Der versprochene Jungelch und auch Fuchs und Bär stehen noch aus, aber morgen ist ja auch noch ein Tag.

Zeitrechnung (entschleunigt)

Neulich haben wir in einer Diskussion festgestellt: “Irgendein Axiom brauchst immer…”

Darauf aufbauend wünsche ich folgendes Axiom aufzustellen: Irgendein Wochentag mit Datum ist immer. Welcher und warum das wichtig sein soll, ist uns inzwischen entfallen.