Aus dem Vokabelheft

Begriffe und Redewendungen, die durch übermäßigen Gebrauch starke Abnutzungserscheinungen zeigen nennt der höfliche Brite: “Tired Terms”. Das nehme ich, ist doch allemal hübscher als ausgelutscht oder abgedroschen. Wobei ich mich frage, ob sie dann, wenn sie vollends obsolet geworden sind, zu “Retired Terms” werden?

Meine Sorgen möchte ich haben.

Unbestimmtes Gefühl

Auf Parkplatz 539 im Bauch der Anstalt steht sehr schön mittig ein rosa lackiertes Mädchenfahrrad mit einem blumenverzierten Körbchen am Lenker. Erst denke ich “wie rührend” und dann weiter, ob es da wohl aus Trotz geparkt wurde, so in der Art “Wenn ich schon einen Parkplatz zwangsmieten muß, dann stelle ich da auch mein Fahrzeug ab” oder ob die Besitzerin wohl hofft, dass sich das Radl an den vierräderigen Fahrzeugen rundrum ein Beispiel nimmt, quasi “Wenn ich groß bin, werde ich Auto”.

Abschließend denke ich mir noch, dass ich wohl sonst nix Gescheites zum Denken hab und gehe heim, damit sich da was findet.

Man reiche mir ein Leihkind

Sie ist Schwedin. Autorin. Kinderbuchautorin. Eine Kinderbuchautorin, die Kinder in Alltags- und/oder Ausnahmesituationen beschreibt und sie selbständig denken und handeln läßt. Und nein, sie ist nicht Astrid Lindgren. Sondern Gunnel Linde, knapp 20 Jahre jünger als Astrid und für ihre Bücher mit sehr vielen Astrid-Lindgren-Preisen ausgezeichnet worden.

Neulich, auf einer U-Bahnreise zwischen Hadern und Ostbahnhof und zurück, habe ich die 1965 verfaßte Geschichte “Mit Jasper im Gepäck” inhaliert*, und möchte sie nun einer und einem jeden, die/der kleinen oder mittelgroßen Kindern vorliest, sehr empfehlen. Die Erzählung von den zwei Kindern, die beim Urlaub mit der ältlichen Tante bei der Tombola im Zoo ein Zwerppferd gewinnen und es umständlich und abenteuerlich auf einer Bahnfahrt im Schlafwagen nach Hause in die elterliche Garage schmuggeln, ist vielleicht ein bißchen aus der Zeit gefallen, aber das sind Michel, Karlsson und Pippi auch und darum nicht weniger anrührend und nicht weniger zeitlos. Quasi ewig.

Ich habe Jasper so sehr ins Herz geschlossen, dass er als Junior-Trostbuch neben Mary Poppins auf dem Nachttisch zu liegen gekommen ist. Für die schlechten Nächte.

 

* Ich bin aber auch schon groß und extremer Schnell-Leser. Außerdem steckte die Bahn sowohl hin wie zurück für jeweils ein paar Extraleseminuten im Tunnel fest. Warum so ein schönes Buch erst 2010 zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurde, muß man nicht verstehen. Hauptsache, dass.

Lichtblick

Es ist von relativ geringem Unterhaltungswert, schmerzensreich zu Ärzten aller möglichen Disziplinen zu hinken, auf dass endlich eine/r herausfinde, warum meine Blutwerte nicht der Norm entsprechen und was er oder sie dagegen tun kann.

Heute stand der Test der Tests an. Also der letzte final finale. Wenn der nun wieder negativ ausfällt, hat sich der Chirurg bereit erklärt, trotz aller Falschwerte zu operieren. Die Augenscheinuntersuchung ergab schon mal keine Auffälligkeiten, das Ergebnis der detaillierteren Laboruntersuchung sollte – toi toi toi und dreimal über die Schulter gespuckt – am Freitag vorliegen und wenn nicht, dann spätestens am Montag, dann ist immer noch alles im Zeitplan, um am 5. April endlich ein neues Knie zu kriegen.

Als ich aus der Praxis komme, ist es immer noch so sonnig und so warm, dass ich mir, vom München-leuchtet-Lebensgefühl überwältigt, auf der Leo das erste Eis des Jahres genehmige. Sitzend und schmerzfrei und UV-bestrahlt.

Zeit is wor’n, du Lahmfrühling, du!

Zeitumstellung

Mein geschätzter Deutschlehrer verewigte sich seinerzeit in meinem Poesiealbum* mit den Worten des Lord Chesterfield: “Verliere am Morgen eine Stunde und du wirst den ganzen Tag nach ihr suchen”.

Wie wahr. Ich hoffe, ich erlebe es noch, dass dieser Unfug wieder abgeschafft wird.

 

* Das Poesiealbum ist nach den vielen Umzügen noch nicht wieder aufgetaucht. Muß noch überlegen, ob es mir fehlt.

Schlaflos

Wieder so eine Nacht, wo die Schmerzen mich doch sehr plagen und ich stündlich nachsehe, ob sie denn nicht endlich vorüber ist. Ich beliebe, diesen Zustand “Insomnia Intercitienses” zu nennen. Dann ist wenigstens ein neues Wort dabei herausgekommen.

Schon wieder ein Preis

– “Was haben Gerhard Polt & die Biermösl Blosn, Helge Schneider und Fredl Fesl gemeinsam? Ja, du davorn in der ersten Reihe?”

– “Sie sind alle Bayern.”

– “Aha, ganz besonders der berühmte Straubinger G’stanzlsänger Helge Schneider, gell? Nein, das war nix. Du dahinten, weißt du’s besser?”

– “Sie sind alle komische Männer.”

– “Da müssen wir noch ein bisserl am Ausdruck arbeiten, aber in Summe nicht ganz verkehrt.”

 

Und warum schreibt die Frau vom flockblog sich so eine Anfangsszene? Weil sie gestern im Volkstheater war. Und damit auch alle merken, dass es sich um eine lustige Veranstaltung handeln soll, ging’s um 11:11 Uhr los. Was? Die Verleihung des “Großen Karl Valentin-Preises” 2017 an Sigi Zimmerschied.

Sagen wir mal so, wie man das am Theater so sagt: es war schon sehr viel Schönes dran und wurde im Verlauf der dreistündigen (!) Matinée zunehmend besser. Es hat wahrscheinlich niemand im ohnehin wohlwollenden Publikum verstanden, zu was die “g’schlamperte Begrüßung” (Zitat) der Direktorin des Valentin-Karlstadt-Musäums Sabine Rinberger hätte gut sein sollen und auch die äußerst lange Salbaderei des Valentin-Biograph Alfons Schweiggert hätte es nicht gebraucht, schon gar nicht, weil er ewig darauf herumritt, dass der Preis aus Nichts bestehe und dass das grad gar so valentinesk sei. Sie ham halt keine Kohle bei ihrem Verein Saubande (doch, so heißen die) und der Preis ist nicht dotiert. Kann man doch auch kürzer sagen. Luise Kinsehers Laudatio war – neben den musikalischen Zwischenspielen der Gruppen “Kofelgschroa“ und „Original Bauernsfünfer“ – der erste Lichtblick, der darauf folgende Preis-“Übergabe”-Auftritt zweier Valentin-Urenkelinnen nur peinlich. Dann war Pause und die ersten gingen, war schließlich auch höchste Zeit zum Mittagessen.

Die Hartnäckigeren unter den Zuschauern wurden in der zweiten Halbzeit für die bräsige Langeweile des ersten Teils mehr als entschädigt. Erstens hatte die Kinseherin ihre scharfe Zunge wieder gefunden und legte eine wunderbare (und sehr selbstironische) Kabarettnummer hin und dann betrat der Meister selbst die Bühne und spielte sein aktuelles Programm “Der siebte Tag – Ein Erschöpfungsbericht”. Und das werd’ ich mir sicher nochmal anschauen und lege es einem und einer jeden sehr ans Herz. Mann, ist der böse! Sehr sehr schön.

Es spielte im übrigen noch eine Musikcombo auf, “Coconami”. Irgendwer im Auswahlkomitee muß denen noch einen Gefallen geschuldet haben – von drei Nummern war grad mal eine komisch, und die war von Liesl Karlstadt, dann gabs noch Gospel mit “Praise the Lord” und “Das Isarmärchen” mit allen drei oder vier oder fünf qualvoll langen Strophen (hier, für Masochisten: https://www.youtube.com/watch?v=KFkZm4tafN8). Die sind wahrscheinlich im richtigen Rahmen gar nicht übel, aber den insgesamt ca. viertelstündigen Coconami-Auftritt hätt’ ich sofort gegen drei Extraminuten Zimmerschied eingetauscht.

Aber wie’s halt so ist, man kann immer nur hoffen, dass es nicht so schlimm wird, wie es schon ist.

Nimmer ganz neu im Kino: “Rogue One: A Star Wars Story”

Die Story ist generisch und so vorhersehbar wie die von David und Goliath: aus traumatisierten Kindern werden Freiheitskämpfer, die, wenn die Einsatzleitung der Rebellen Bedenken trägt, Freiheit (oder “Rogue One”, wurscht) auf ihr Banner schreiben und dann halt allein mit einer kleinen Guerilla-Truppe gegen das übermächtige Empire losziehen und eine Lehrstunde in assymetrischer Kriegsführung geben. Viel Pyrotechnik, viel Bummknallpeng, futuristische Waffen, 1 blinder Bogenschütze, haufenweise waidgerecht erlegte Storm Troopers, Top Gun Stunts (als die Bedenkenträger endlich ihre Rebellenärsche hochkriegen), Supershowdown mit Weißcapeschurke, außerdem Raumschiffe und brünstiger Star Wars Soundtrack.

Nein, Rogue One hat mich nicht vom Hocker geworfen. Dabei mag ich Space Operas auch 40 Jahre nach Epsiode IV eigentlich immer noch (doch, ich habe es nachgesehen: es war 1977 und ich kann es auch kaum glauben) und die Weiterentwicklung von Filmtechnik und CGI ist teilweise atemberaubend, aber bei diesem Prequel springt noch nicht einmal das kleinste Fünkchen über. Vielleicht funktioniert Rogue One eher bei der Generation, die mit den den Kämpfermädels von Hunger Games und Divergent aufgewachsen ist. So eines ist da jetzt nämlich der Held.

Ich für meinen Teil wende mich, so lange nichts besseres kommt, der Vergangenheit zu und schau mir dann doch lieber mal wieder ein paar alte Firefly-Episoden an und kriege Alan Tudyk in echt und nicht im Blechmantel als Schnodderschnauzenroboter K-2SO.