Mit der Überschrift für diesen blogpost habe ich eine ganze Weile gerungen. Mein erster Gedanke war, sie so ein bißchen lustig zu gestalten, sowas wie “Unter Schnüfflern” oder “Schnüffelnase”, aber das klang mir dann zu sehr nach Geheimdienst und den Stofftüchern, mit denen Stasischnüffler Geruchsproben von vermeintlichen Regimegegnern auf den Sitzflächen von deren Stühlen abrieben – ähbäh, das hätte in die vollkommen falsche Richtung geführt. Also nicht schnüffeln. Riechen, vielleicht? Nein, riechen ist auch kein schönes Wort. Wenn im Deutschen einer sagt “hier riecht’s”, dann assoziiert niemand Rosen- oder Myrrhenduft, sondern was ekliges. Nein, riechen auch nicht. Schnuppern? Ja, schnuppern täte gehen, aber ein schönes Verb ist das auch nicht und wittern, nein, das geht bei Menschen nur für Morgenluft und ansonsten bleibt es der Tierwelt vorbehalten. Duften, sagen Sie? Nein, sage ich, das kann der Mensch mit seiner Nase gar nicht tun und steht nur für einen Duft verbreiten. Schade, im Deutschen gibt es wohl kein mir bekanntes Wort für einen Wohlgeruch aufnehmen (ich möchte wetten, dass das Japanische dafür mindestens einen Begriff vorhält).
Phhhh. Dann halt nicht. Dann halt keine originelle Überschrift mit einem Synonym für das Verb riechen, so lange der Schmaus weiterhin Ohren und Augen vorbehalten bleibt (und die haben nicht vor, was abzugeben).
Stattdessen erzähle ich einfach von der eher außergewöhnlichen Ausstellung mit diesem Titel in der Villa Stuck, wo unter Glasstürzen Bücher unterschiedlichen Alters, verschiedenster Herkunft und in allen Qualitäten liegen. Und von der Künstlerin Hisako Inoue, die dazu einlädt, die schweren Glasglocken anzuheben und den Duft der Bücher zu inhalieren. Einem guten Dutzend liegen zur Orientierung Netzdiagramme der Messungen und Analysen der Wissenschaftlerin Mika Shirasu bei, die mit Hilfe eines Gaschromatographie-mit-Massenspektromie-Kopplung-Geräts (ist das ein Wort, was?) untersucht hat ob das Buch jetzt ranzig oder vanillig oder würzig riecht. Fischig, süß, pflanzlich, sauer, blumig, minzig? Es wird zunehmend spannender, die Stürze nach oben zu reißen und dann ganz schnell den Kopf tief hineinzustecken, um einen der Gerüche zu erhaschen. Oder mehrere und sich dann über ihre Verteilung Gedanken zu machen. Wer’s gerne ordentlich hat, kann nachher die einzelnen extrahierten Duftnoten aus Glasflakons noch einmal separat inhalieren.
Wirklich, ein ganz außergewöhnliche Ausstellung. Alles ist flüchtig. Die Gerüche, die Klänge (der Takt des Umblätterns eines Buches). Und dennoch geht man sehr beglückt und erfüllt von dannen. Außerdem ein bißchen verwundert, dass sowohl Bücher wie die doch recht schweren Glasstürze von allen Besuchern respektvoll und sorgsam behandelt werden. Dann andererseits: wer geht schon in so eine Ausstellung? Die tun das daheim auch. Die haben wahrscheinlich alle sogar Lesezeichen und benutzen sie.
Die Ausstellung läuft noch bis zum Dreikönigstag und sollte angesehen werden.
Nachtrag: in einem der Bücher fand sich ein Lesezeichen, mein Lieblingsfundstück: eine Danksagung aus dem Jahre 1964 anläßlich der vielen guten Wünsche zur Geburt des Stammhalters, verbunden mit einer aufrichtigen Entschuldigung, dass sie erst so spät komme. Man habe einfach nicht früher die Zeit gefunden, da die (titellose) Mutter ihre neue Aufgabe noch erlernen müsse und der (Professor-)Vater auf Reisen gewesen sei.