Der Film fällt leider in die Kategorie “Hat sich wieder keiner gefunden, der der Regisseurin sagt, wann sie aufhören muß?”
Es beginnt mit einer bunten kinderbuchartigen groben Scherenschnittanimation zur Geschichte der Schwarzen in Amerika seit dem Sezessionskrieg, gefolgt von einer halben Lehrstunde “so eskaliert ein Straßenkampf”, in der zeitgeschichtliche Originalaufnahmen extrem schnell mit Bigelow’schen Szenen gegengeschnitten werden, Handkamera, Feuer, Blut (mehrheitlich Schwarze), Schreie, Nachtaufnahmen, zunehmend martialischere Staatsgewalt (überwiegend Weiße), Plünderungen, Pflastersteine gegen Schußwaffen, irgendwann Panzer.
In den folgenden zwei Stunden walzt Kathryn Bigelow breit, was nicht neu ist und noch immer Bestand hat: Rassismus ist übel, Polizeiwillkür auch, Justiz bedeutet nicht zwingend Gerechtigkeit. Sie tut dies in einem klaustrophobisches Kammerspiel*. Die Stimmung in diesem begrenzten Raum wird zunehmend hysterischer**, schnelle Schnitte, Handkamera, Gebrüll, schlechte Beleuchtung, Kampfgeräusche von außen, von innen, Gewalt, Blut. Das ist auch der Moment, wo es sich Bigelow zu leicht macht, sie führt nämlich Officer Krauss ein (Will Poulter, zum Niederknien gut), einen All American Boy in Blue, in Personalunion aber auch gewalttätiger Sadist, notorischer Schwarzenhasser, “trigger happy” (also jederzeit freudig bereit, seine Schußwaffe einzusetzen), kurz: ein Psychopath und macht aus dem systemischen Problem eine individuelle Haßfigur.
Was dazu führt, dass wir diesem Officer nun bei seinem ganz privaten Kreuzzug zusehen, gegen den schwarzen Vietnam-Veteran, dem er aber sowas von zu verstehen gibt, dass seine Orden und Auszeichnungen zu Hause nichts zählen und dem er dafür, dass er auch noch Pilot war, nochmal extra auf die Schnauze haut, gegen die beiden jungen weißen Frauen (Motto: “Girls just wanna have fun”), die dieser mittelwestenweiße Weißbrot-Cop in einem Schlafzimmer (!) mit einem schwarzen Mann antrifft (was da an unter- und überschwelliger sexueller Spannung abläuft, ist meisterlich gelungen), gegen die beiden schwarzen Musiker, die eigentlich nur für die Nacht ein Zimmer genommen hatten, weils auf der Straße zu gefährlich schien, gegen alle anderen Schwarzen, die ihm in die Quere kommen und gegen den schwarzen Security Mann (“Onkel Tom” für die Schwarzen, mißtrauisch beäugt von den Weißen), der die undankbare Aufgabe hat, in diesem hysterischen Chaos die Stimme der Vernunft zu verkörpern. Historisch ist nicht belegt, dass Mr. Dismukes tatsächlich nur ein Amrandsteher und Beobachter war. So, wie ihn John Boyega spielt, würde man jedem Aufruhr eine solche Person wünschen. Er ist mit Abstand der stärkste Schauspieler in diesem Film.
Mir ist nicht ganz klar, wo Bigelow und Mark Boal (Autor, wie schon bei Hurt Locker und Zero Dark Thirty) mit dem Film hinwollten. Mit der historischen Wahrheit nehmen sie nicht ganz genau, was unter anderem daran liegt, dass seinerzeit viel vertuscht bzw. nicht dokumentiert wurde, so dass sie wohl nie vollständig bekannt werden wird, hingegen unternehmen sie den Versuch, ihren Film mit historischen Aufnahmen von Zeitzeugen von Dr. Martin Luther King bis hin zum damaligen Gouverneur von Michigan, George Romney (genau, der Vater von Mitt – soweit zum Thema “in Amerika gibt es keine Dynastien”) zu, ja was? Zu legitimieren? Und scheitern genau daran, weil ihre Mördercops fiktive Gestalten sind?
Es ist nicht ganz rund geworden und auch noch zu lang, nein, das war der bislang schwächste Film dieses Duos und wahrscheinlich bin ich mit zu hohen Erwartugen hineingegangen und deswegen umso mehr enttäuscht.
Muß man nicht sehen.
* Ort des Geschehens dieser wahren Geschichte war das von Schwarzen frequentierte Hotel Algiers, wo am Ende der Unruhen drei Schwarze erschossen aufgefunden worden waren. Die Täter wurden nie gefunden.
** Ich habe gelesen, dass sich die Schauspieler am Ende eines Drehtages in Gruppenumarmungen immer wieder gegenseitig versichern mußten, dass sie einander mögen. Was immer da dran sein mag.
PS: Ich frage mich, ob man bei einem Film, der eine wahre Geschichte wieder gibt, eigentlich spoilern kann?