Perfect Timing

Wie könnte man es nennen, dieses seltsam triumphale Gefühl, anderen Gästen im Biergarten beim hektischen Aufbruch wegen der ersten paar Regentropfen zuzuschauen, dann in aller Ruhe noch die zweite Runde Getränke zu holen und beim ruhig Wegtrinken und kurz angetröpfelt werden die nächste hektische Aufbruchswelle um sich herum auf- und abebben zu sehen, auszutrinken, langsam z’samzupacken, nochmal aufs Klo und hocherfreut [YES!!] zur Kenntnis zu nehmen, dass erst wenn alle im Auto sitzen, angeschnallt sind und der Motor angelassen wird, Gewitter und Starkregen mit Macht losbrechen?

Jetzt, wo ich mir das Geschriebene so anschaue, merke ich: den Begriff gibts längst.

Saudusel halt.

DuselRandbemerkung: Übrigens, wenn man zum Begriff (Sau)Dusel bei Google Bilder sucht, wird einem fast nur der FC Bayern-Dusel angeboten.

Der aber dafür grammatikalisch saufalsch.

Verschwörungstheorie?

Nicht doch. Spätestens seit heute Nacht weiß ich es mit granitener Gewißheit: Eltern zahnender Kinder beziehen Wohnungen mit Ausrichtung zum Innenhof.

Über das Motiv kann ich natürlich nur spekulieren, aber ich schätze, es geht in die Richtung, dass geteiltes Leid halbes Leid sei. Eltern zahnender Kinder, ich versichere euch, das ist es nicht!

Neu im Kino: Valerian and the City of a Thousand Planets

Achtung: Spoiler!

Seit Catnip Everdeen müssen alle jugendlichen Heldinnen so sein. So wahnsinnig selbstbewußt & frech und gescheit & mutig und witzig & wehrhaft und, ganz wichtig, raushängen lassen, dass sie besser sind als die gleichaltrigen Helden. Die hier (Cara Delevingne) sieht dann auch noch aus wie der lang vermißte Zwilling von Hermione Granger und man erwartet eigentlich ständig, dass demnächst Harry um die Ecke kommt. Oder wenigstens Ron. Es ist aber nur der jugendliche Held und Major Valerian (Dane DeHaan), ein Milchgesicht mit einem Rest Babyspeck, dabei natürlich Special Ops- und Frauenheld mit einer langen Latte (er nennt es “playlist”) von Eroberungen (zumindest bis jetzt) und außerdem ihr kommandierender Offizier – so ganz mit allen Traditionen bricht auch die ferne Zukunft dann doch nicht.

Wir haben ja schon die eine oder andere Space Opera gesehen und kennen das Genre und weil wir (das ist ein “Royal We”, ganz recht) Luc Besson (wg. Léon und Leeloo) grundsätzlich wohlwollend gegenüberstehen, nennen wir die alten Bekannten “Zitate”. Jabba The Hutt, Verfolgungsjagden in der Wüste, Stormtrooper (in elegantem Schwarz und mit eher länglichen Helmen, das ist woanders geklaut), eine Art Lt. Uhura, die für das Phänomen steht, dass irgendwer mit dem Computer spricht und dessen Botschaften laut aufsagt, Jar Jar Binks (in klein, aber dafür im Dreierpack und genauso geschwätzig), Raumschlachten, ein wahnsinnig edler indigener Stamm, der genauso im Einklang mit seiner Umgebung und seiner Natur lebt, wie die Na´vi auf Camerons Pandora und drum auch aussieht wie bläuliche Massai und so weiter und so fort. Darüber hinaus: an ihrer Macht klebende Alte Weiße Männer. Die sind kein Zitat. Die sind das realistische Element. Auch im 28. Jahrhundert. Damnit!

Besson erfindet ganz wunderbare Dinge, wie zum Beispiel den Vater, die Mutter, ach was, mindestens die Großeltern aller Basare auf dem alle Welt und Welten auf unzähligen Ebenen Ware feilbietet, feilscht und wuselt. Man kann den Markt fast riechen, obwohl er selbst im Film eine Virtual Reality ist. Oder das geradezu galaktische (das doppeldeutige Adjektiv konnte ich mir nicht verkneifen) Vergnügungsviertel, ein Rausch von Farben und Bildern. Gar nicht zu sprechen von Alpha, der Raumstation auf ihrer Reise durch die Schwerelosigkeit, auf der Dependancen der titelgebenden 1000 Welten angesiedelt sind und die aussieht wie ein überdimensionales Wolleknäuel mit Blinkerbeleuchtung, mit dem sich ein ganzer Wurf junger (und ebenso überdimensionaler) Katzen sehr lange sehr vergnügt hat.

(Hierzu meine Dauerfrage: warum gibt es im Deutschen kein Äquivalent zu “kitten”? Hunde haben doch auch Welpen, warum fehlt für Katzenjunge eine entsprechende Bezeichnung und wie würde sie sein, wenn es sie gäbe? s.u.*)

So viele so schöne Versatzstücke, allein, das mit der Rahmenhandlung, das müssen wir noch einmal üben, Monsieur Besson. Das bißchen Sieflirten, Siestreitensich, Siekriegensichdoch reicht nicht. Und dass Sie Ihren eigenen Bildern nicht trauen und sicherheitshalber alles noch einmal erklären, was Sie gerade zeigen, das ist schade. Oder unterschätzen Sie die Intelligenz Ihres Publikums? Dann ist es frech. Das konnten Sie schon besser. Leisten Sie sich doch das nächste Mal wieder jemanden, der Ihnen ab und zu widerspricht und Längen rausschneidet, dann wird das schon.

Christophs Kurzkritik, nachdem er einen (1) Trailer und bevor er den Film gesehen hatte, zeugt von seinen seherischen Fähigkeiten: “bum bum bum, woosh, bum bum, dummer spruch”.

Man muß für Valerian nicht eigens ins Kino. Ich werde mir aber die Comics besorgen und berichten.

 

* Gut, da haben Google und ich einander mißverstanden, aber das Resultat ist trotzdem sehr witzig:

kitten

Klimawandel

Ich bin kein Fan von Klimaanlagen und seit der Zeit in Amerika, wo man sich im Hochsommer fürs Büro einkleiden mußte wie hierzulande für einen Skifahrtagesausflug auf den Gletscher, schon doppelt und dreifach nicht.

Seit heute bin ich bereit, eine Ausnahme zu machen. Man möge bitte den Reha-Foltermaschinenraum nachrüsten. Der ist, wie schon häufiger erwähnt, mit einer raumlangen Fensterfront nach Westen ausgerichtet und selbst, wenn die nach so einer langen schwülen Woche alle offen sind, spüret man kaum einen Hauch (und wenn doch, dann einen sehr warmen) und die Luft in diesem Raum war spätestens schon am Mittwoch gegen 14:35 vollkommen aufgebraucht.

Heute früh war ich, nach anstrengender Hüpfgruppe (12 Mithüpfer und alle Fenster zu wg. “Küchengestank”) und sehr schmerzhafter Krankengymnastik (Das muß der Physiopath in der Ausbildungseinheit “Ran an die Faszien! Und vor dem nächsten Anlauf immer erst den Patienten wieder von der Decke pflücken und auf der Liege fixieren.” gelernt haben), bereits schweißgebadet und hatte dann noch eine gute Stunde HMTT* vor mir. Auf dem Fahrrad – beim (ausgerechnet) “Aufwärmen” – habe ich nur gelitten, tret-tropf, tret-tropf und als ich das endlich hinter mir und meinen Flüssigkeitspegel wieder aufgefüllt hatte, zur Belohnung die Beinpresse vorgezogen, mit der ich sonst immer abschließe, weil sie mir eigentlich Spaß macht und fast schon etwas Meditatives hat. Soweit ist es nämlich schon, das Stockholmsyndrom hat mich fest im Griff und ich fraternisiere mit einzelnen Foltergeräten.

Maschine einstellen, Handtuch auflegen, in Position legen (merken, das wird wichtig) und mit der Übung beginnen. Mit dem Schlitten heranfahren und wieder wegdrücken, heranfahren, wegdrücken, heranfahren… Ja, und dann weiß ich eigentlich nur noch, dass ein paar hektische junge Menschen in weißen Polohemden mit Signet um mich herumstanden, sich nach meinem Befinden erkundigten, mir Luft zufächelten, und mir jede Menge Wasserbecher gereicht wurden. Man half mir auf, setzte mich auf einen Stuhl, die herbeigerufene Ärztin diagnostizierte ein Kreislaufversagen, gab noch eine Runde Riechsalz aus, verordnete für den Resttag Schonung und irgendwer im Hintergrund wurde zischend zum Schweigen gebracht, als er sagte, das sei nun heute schon die vierte Patientin und noch nicht einmal 10:00 Uhr.

Beim Umziehen in der (natürlich auch nicht klimatisierten und fensterlosen) Damenumkleide im 2. Untergeschoß wurde mir nochmal kurz schwummrig, da wollte ich aber nicht umfallen, denn der Boden ist gefliest. Nix wie heim und seitdem frage ich mich, ab dem wievielten Kreislaufversagen die endlich merken werden, dass das systemisch ist (und nicht den Weichei-Patienten zuzuschreiben).

 

* Die Abkürzung habe ich selbst geprägt: Das “H” steht für “Hatha”, eine Yoga-Abart in gut geheizten Räumen, das “MTT” für “Medizinisch Therapeutisches Training”; das bedeutet ins Deutsche übertragen “So Tun, als ob diese Quälerei gesund wäre”.

Der Junge muß zum Arzt!

El Knie steckt seit ein paar Wochen in einer tiefen Identitätskrise. Eigentlich war er ja angetreten, ein ordentliches Scharniergelenk zu werden, stattdessen hat er  seine Leidenschaft für eine Karriere als Schwellkörper entdeckt und übt sich darin fleißig. Das bereitet meinem Physiotherapeuten Sorgen und mir Schmerzen und ist gar nicht gut. Drum habe ich El Knie heute einem Doktor vorgestellt (genauso, “El Knie – Doktor.” “Doktor – El Knie”). Seitdem gehts mit etwas besser.

Der Dottore nämlich meint, das sei zwar nicht schön, aber bei einem so komplizierten Gelenk auch nicht ungewöhnlich und man könne da mit ordentlich Lynchdrainage sehr schön gegensteuern. Tja, El Knie, das hast du nun davon: nun wird gemolken.

Was macht der Elefant im Gebirge? (Für Gabi, mit Dank!)

Die mir bis dahin naheliegendste und einleuchtendste Antwort wäre gewesen: “Der Elefant gehört zu Hannibals Armee und macht seinen Job”.

Seit dem Wochenende in Brixen weiß ich, dass es auch eine andere Antwort auf diese Frage gibt. Dann nämlich ist der Elefant der “Soliman”, war 1500 ummadum mal auf der Durchreise in Südtirol, hat in Brixen recht viel Dung sowie ein Hotel und Wandmalereien hinterlassen und scheint den dortigen Fremdenverkehrsverantwortlichen die lang ersehnte Antwort auf die Frage zu sein, wie sie denn um Himmels Willen noch mehr Touristen in ihr beschauliches Städtchen locken können.

Man kommt dem Soliman in Brixen jetzt nimmer aus. Selbst mitten im Hanf-Feld steht einer, mimt den 8 Meter hohen Aussichtselefanten und spritzt Regenbögen.

soliman

Nein, der THC-Gehalt der Pflanzen war nicht hoch. Warum?

Sommerreise

Die Zugfahrt von München nach Brixen dauert grade mal gute drei Stunden und während man auf den klugerweise vorreservierten Plätzen so aus dem Fenster träumt, passiert der Zug dabei so lustige Stationen wie Würgl (doch, genauso hat’s der Lokführer ausgesprochen, und der muß es schließlich wissen) oder Plakate, auf denen jemand prahlt, er habe auch nach 127 Jahre noch immer alle eigenen Zähne*, beobachtet an den Mitreisenden, dass der dernier cri dieses Sommers mit Ananassen bedruckte Oberteile zu sein scheint, wundert sich in Innsbruck kurz, dass ein Stand Kebab Pizza Wurst Elfi anbietet und dann ist Franzensfeste, wo man nicht zum letzten Mal auf dieser Reise denkt, dass italienisch (Fortezza) einfach viel hübscher klingt und an der nächsten Station sind wir auch schon in Bressanone (Brixen) und steigen aus.

Es ist ein brühheißer Samstagmittag. Unser Hotel Elephant liegt am anderen Ende der Altstadt, wo alles schläft. Die “mondo delle candele”** schläft. Der Beauty Salon schläft. Dass im Esoterikladen daneben je was los war, sieht man nur an den Spuren, die das Pendel im darunter aufgestellten Sandteller hinterlassen hat. Alles ruht, zum Glück wacht der Koch in einem kleinen Restaurant am Weg, wo man uns eine Auswahl leckerer Knödel reicht und dann ist es auch nicht mehr sehr weit, man kann den Elefanten auf dem Dach schon sehen. Gschamster Diener, der dortige Rezeptionist, kriegt sich vor lauter Freude über unsere Ankunft gar nicht ein, heischt untertänigst um Papiere, katzbuckelt die Schlüssel heraus und kriegt einen zweiten Euphorieanfall, als wir drei Minuten später wieder unten stehen, um uns zu beschweren. Kein Doppelbett? Kein Problem. Dann bekommen wir eben zwei nebeneinanderliegende Einzelzimmer, auf Wunsch sperrt er auch die Verbindungstür auf – einfach alles, was uns glücklich macht. Geh du einfach zurück in deine Rezeption, uns macht jetzt der Aufenthalt im hoteleigenen wirklich wunderschönen Garten mit bequemen Liegen im Schatten am Pool glücklich. Und zwar so lange, bis wir zum Abendessen aufbrechen, wo wir den Finsterwirt links liegen lassen und stattdessen in einer lauschigen Weinlaube gut essen und den hiesigen Wein verkosten und nach gründlicher Untersuchung (“bringen Sie uns doch statt Dessert mehr Wein”) für recht ordentlich befinden.

Dann ist Theater. Es wird ebenfalls Wein gereicht. Das Wetter spielt ein paar Schabernäcke mit uns, aber immer, wenn sich jeder in seinen Regenumhang gewurschtelt und den hinteren Reihen mit dem Schirm die Sicht verstellt hat, hört es auch wieder auf und das anhaltende Wetterleuchten im Gebirge rundherum trägt, neben Kim Jong-uns Böllern, nur zur allgemeinen Unterhaltung bei. Auf dem Rückweg leuchtet uns Elephant von noch weiter weg heim.

Am nächsten Morgen schlemmen wir uns durch das allseits hochgelobte Frühstücksbüffet und weil der Gewitterregen in der Nacht, gefolgt vom stets eifrig plätschernden Brünnelein vor dem Fenster, mir eine sehr unruhige Nacht mit sehr wirren Träumen beschert hat, gehe ich nachschlafen und Christoph übernimmt die Verantwortung für das morgendliche Schwimmen. Danach bin ich wieder fit genug, um zum weiteren Faulenzen im Garten dazuzustoßen und dann checken wir bei Gschamster Diener aus und machen uns auf den Weg. Grobe Richtung: Bahnhof. Vorher noch was essen und vielleicht noch ein wenig durch den Hofgarten trödeln.

Das mit dem Hofgarten wird irgendwie nix, aber wir finden das neueste André-Heller-Projekt, ein Hanf-Labyrinth. Und kriegen uns schon nach der ersten Kurve nicht mehr ein:

no smoking

Es dürfte sich um das meistfotografierte Verbotsschild in Südtirol handeln und ich würde mir wünschen, dass die Hanf-Labyrinth-Betreiber ganz bewußt ironisch waren. Ich glaubs aber nicht.

Über uns grollen Donner und zucken Blitze, manchmal fallen auch große Platsche-Tropfen, aber wir erreichen den Zug einigermaßen trocken und wohlbehalten und lassen uns sehr gemütlich heimfahren. Das Gewitter scheint mitgereist zu sein, in München rummst ein dicker Donner durch die Bahnhofshalle und eine wilde Bö wirbelt Papier und Röcke auf. Mir wurscht. Ich habe Hosen an und fahre U-Bahn und bis ich wieder an der Oberfläche ankomme, ist’s das mit dem Regen auch gewesen.

 

* Der Eigenzahnhaber stellt sich auf der Rückfahrt als die Achenseebahn heraus.

** Wie hübsch das Italienische erst wird, wenn frau es Schwäbisch ausspricht. Obwohl, die Freude schien nicht teilbar und ganz auf meiner Seite…

Kultursommer hinter Gittern – “Ein Sommerknasttraum” in Brixen

Volkshochschule Kleinhadern, Kurs “Die ganze Welt ist Bühne” (für Fortgeschrittene). Die Dozentin, noch nie besonders engagiert, heute noch dazu ganz besonders furchtbar lustlos, greift zur probaten Aufgabe für diese Befindlichkeit und weist ihre Klasse an: “Teilen Sie sich in Arbeitsgruppen auf und entwerfen Sie Ihre Vision vom besten Theaterstück aller Zeiten”, dann Abgang nach links zu ihrem Dozentinnentisch, auf den Stuhl sinken, Handy zücken und den Blick nicht mehr vom Display nehmen.

Die Klasse hält sich nicht lang mit Arbeitsgruppenaufteilung auf, sondern schreitet sofort zur Diskussion. “Eine Poesie muß es haben, das Stück”, postuliert der Herr mittleren Alters im beige-grauen Gewand und den Kreppsohlenschuhen in seinem ersten und letzten Beitrag für diesen Abend, “gell, Mama?”. Die solchermaßen angesprochene Matrone, die schon bei der Geburt angefangen hatte, sich dieses Buben zu schämen, schmettert ab. “Ah, was! Humbug! Damit du wieder was für dein Album hast. Gedichte, die sich reimen, gehören nicht auf die Bühne.” Ihre Gestik wird zunehmend raumgreifender, als sie, mit viel Drama und rollendem “R” in der Stimme vorträgt: “Große Stimmen brauchts, für die große Oper. Einen Wagner. Oder Puccini, Rossini. Natürlich Verdi. Von mir aus auch der kleine Österreicher. L’Opéra, das ist großes Theater [dräuender Blick in die leicht verschreckte Runde], sonst ist das doch nur Sprücherl aufsagen in Verkleidung. Das genügt mir nicht!”

Ihr mausiger Bub nickt zustimmend, so, wie er das seit seinem ersten Atemzug immer getan hat, in der Gruppe jedoch regt sich Widerspruch. Die Studentin der Theaterwissenschaften, letztes Semester noch groß im “Grand Guignol” und einem ganz kleinen Ausflug in die weite Welt des Sado-Maso, dieses Jahr im Agitprop und beim frühen Brecht angekommen: “Niemals. Theater hat eine Botschaft. Muß eine Botschaft haben. Gegen Unterdrückung, gegen die Obrigkeit, gegen den Klerus, gegen das eine Prozent. Das Private ist politisch! Oper, pah. Das ist Hofnarrentum, Singen für die da oben. Theater, das muß in den Ohren der Mächtigen klingen und die Schwachen erstarken. Theater muß weh tun!” Die Matronenmutter setzt zu einer wütenden Zurechtweisung an, allerdings verpufft ihr tiefer Atemzug zu einem nutzlosen Ammmppfff, weil sich jetzt der Lümmel aus der letzten Bank einbringt. Klamotten in Vintage-Hippie, schiefgetretene Cowboystiefel, Pferdeschwanz zur Glatze. “Theater ist doch sowieso tot. Das einzige, was zählt [schiefes Grinsen, in der (wahrscheinlich doch vergeblichen) Hoffnung, dass irgendwer in diesem Sauhaufen die Anspielung versteht], das einzige, was zählt ist MMW. Der hat in jedem Lied mehr Wahrheit als deine ganzen Opernhansel zusammen.”

Der pensionierte trachtenjankrig-haferlschuhige Heimatpfleger aus Weilheim versucht, die Wogen zu glätten und provoziert den nächsten Ammmppfff, weil er in aller Ruhe ausholt: “Theater. Das ist doch zunächst einmal Heimat.” [Jetzt bleibt allen vor Überraschung erst einmal die Luft weg. Wovon spricht der Mann?] “Heimat. Heimatverbundenheit. Die Scholle. Der Mensch da, wo er hingehört. Wo er spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Über das, was ihn umtreibt. Es ist ihm gleich, ob er von denen von weiter weg verstanden wird. Darum geht es nicht. Seine Leute wissen schon, was er meint. Eine größere Welt braucht er nicht.” Jetzt setzen sie aber alle zur Gegenrede an: “Opérrrr- mppfff” – “MMW forev…” – “Geh doch weg mit deinem Inzestantenstadl, du Heiminsreichwürstchen…” – “Aber, aber, meine Herrschaften, kein Grund ausfällig zu werden, ich spreche hier nur von der Sprache, vom Dialekt als Bindeglied zwischen…”, da klingt aus der Ecke hinten die tiefbeleidigte Stimme des alten Herren, den sie wieder am Ende seines Kurses “Der Elefant in der Renaissance” nicht aufgeweckt hatten. “Gut” spricht er, “wirklich gut ist Kunst nur, wenn eine Tuba zugegen ist.”

Die verblüffte Stille, die nach dieser Bemerkung entsteht, nützt der beige-graue Sohn, der sich eifrig Notizen gemacht hatte: “Mama, und Sie alle auch. Aufhören mit der Streiterei: das Stück gibt es, mit Gesang & Tanz, Verdi & Westernhagen, Lokal- und Weltpolitk, Klerus-Bashing, großartigen Schauspielern und einem bunten Misch-Masch aus Sprachen und Dialekten. Und ja, mit Tuba: Geht’s einfach in den Tschumpus zu Brixen und schaut es euch an.”

https://www.tschumpus.com/ein-sommerknasttraum

Schee wars und hat viel Spaß gemacht, auch wenn mein Begleiter wieder das Erste-Reihen-Glück hatte und heftig angespielt wurde. Ich preise mich ja schon sehr glücklich, AutorInnen und eine recht eine gute Regisseurin zu meinen Freunden zu zählen. Vielleicht hätte ich seinerzeit das Studium der Theaterwissenschaften auch abbrechen sollen…

“August Ziehung steht vor der Tür.”

teilt mir ein nicht näher bekannter Absender heute per e-mail mit. Hmmm.

Seltsam genug, dass das erste was mir in den Sinn kommt, ein Tusch ist und die meeenzerischste aller Fragen: “Wolle mr en roilasse?”

Nein. Wolle mr nich. Es sei denn, er wird ein sehr schöner heißer Sommermonat, der August. Dann kann er von mir aus mit Nachnamen heißen, wie er will.