Schnell und billig

… muß ja nichts Schlechtes sein, vor allem nicht, wenn frau früh ihr Auto für TÜV und allgemeines Nachschauen beim netten Herrn Bagci in der Werkstatt vorbeibringt und schon am frühen Nachmittag den Anruf bekommt, der kleine Corolla würde gerne frisch getüvt und mit bestandenem Abgastest noch am nämlichen Abend für erfreulich wenig Geld wieder abgeholt werden.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Erfahrungen im Haus nebenan, das ich wegen identischer Hausnummer morgens zuerst angefahren hatte, ebenso befriedigend sind. Werde dort aber voraussichtlich vorsprechen: nicht nur die Jobseite (aber die ganz besonders) braucht nämlich dringend eine Korrektorin. (https://www.the-red-1-munich.de/jobs/)

Neu im Kino: Dunkirk

Wie jeder gute Kriegsfilm ist Dunkirk ein Antikriegsfilm.

Christopher Nolan kommt mit sehr wenig Dialog aus und läßt seine Bilder sprechen; er übersetzt die großen Schlachten in viele kleine Kämpfe ums nackte Überleben und macht das sehr großartig, auch wenn ich auf die paar Minuten Hollywood-Pathos am Schluß hätte verzichten können. Hansi Zimmer läßt so gut wie ununterbrochen saitenfetzend fiedeln, auch das nicht meins, aber es schadet auch nicht.

Es empfiehlt sich, den Abspann zu lesen. Ein paar der Protagonisten haben Namen bekommen, aber die meisten sind sowas wie French Soldier 1, 2 und 3, ein Irate Soldier, ein Shivering Soldier, Lifeboat Soldier 1 und Lifeboat Soldier 2, ein Furious Soldier und dann noch die militärischen Ränge rauf und runter, bleiben aber anonym in einer anonymen feldgrauen Masse. Nolan rettet eben nicht einen Private Ryan, sondern erzählt eine Episode aus einem Vernichtungskrieg und da ist ihm (und uns, den Zuschauern) jedes Individuum gleich viel und gleich wenig.

Anschauen! Anschauen! Anschauen!

 

PS: Es scheint sich um eine britische Eigenart zu handeln, dass immer dann, wenn die Marine aus welchem Grund auch immer nicht zur Seenotrettung ausfährt, die privaten Bootleskapitäne ausrücken; s. hierzu auch “The Boat That Rocked” (“Pirate Radio” aus dem Jahre 2009).

Tatort “Virus”

Wenn der Spon einem Tatort 3 von 10 möglichen Punkten gibt, dann ist das normalerweise eine Qualitätsgarantie und meist eine Folge, die sich anzusehen lohnt, zumindest, wenn man einen ähnlichen Sinn für Schwachsinn hat wie ich.

Dieses Mal hatte der Spon leider recht. Von ein paar wirklich witzigen Dialogen (die allesamt bereits in den Kritiken zitiert wurden) und der Fachkenntnis der Frau Major in Sachen Konjunktiv abgesehen, hangeln sich Eisner und Fellner durch ein eher langweiliges “Outbreak”-Szenario in der österreichischen Provinz, immerhin mit soviel Komparserie wie noch nie. Der Mord ist am Ende doch bloß ein saudummer Unfall und die Moral von der Geschicht allenfalls, dass man einen Beamten vom Katastrophenschutz nicht ärgern soll, weil der einen sonst für die nächsten drei Wochen in einen Quarantäne-Schneewittchensarg steckt.

Gelesen: “American War” von Omar El Akkad

Das Buch wird gehyped und best gesellert, der Autor in denselben Dystopie-Olymp katapultiert wie Cormac McCarthy. Und warum das alles? Vollkommen zu Recht.

Es geht um das, was wäre wenn, nach all den Stellvertreterkriegen, die die “Vereinigten” Staaten auf der Welt geführt haben, ein zweiter Sezessionskrieg auf ihrem eigenen Boden entbrennte, inklusive aller Greuel und Grausamkeiten (Drohnen, Folterlager, Entführungen, Black Sites, Einsatz von B- und C-Waffen, Selbstmordattentate etc. pp.) und getoppt von den Folgen des Klimawandels.

Mich hat das Buch so vollkommen eingesogen, dass ich sehenden Auges das Risiko eingegangen bin, das möglicherweise letzte schöne Wochenende dieses Sommers nicht am See zu verbringen, sondern recht statisch (in der Fahrtzeit hätte ja ich nicht lesen können) auf dem Balkon fixiert und jede Seite verschlingend.

Die deutsche Übersetzung ist dieser Tage erschienen und soll recht gut geraten sein. Ich lege die Lektüre hiermit einer und einem jeden sehr ans Herz. Lesen! Lesen! Lesen!

Bayerisches Dilemma

Eine Freundin, die bis dato eher im links-grünen Lager verortet war, will bei dieser Wahl für Merkel stimmen. (Merkel, wohlgemerkt. Nicht die CDU. Eine reine Personenwahl.)

Und sie hat ja so recht: Selbst, wenn ich es jemals in mir fände, einer Partei mit einem großen “C” im Namen meine Stimme zu geben: hier in Bayern könnte ich noch nicht mal für Merkels Partei votieren, sondern müßte die von König Horst nehmen.

Geht gar nicht.

Datumsgrenze

Gestern in der U-Bahn: Wenn man den Uhren am Gleis trauen will, sind alle, die Richtung Großhadern fahren eine Stunde jünger als die, die stadteinwärts wollen.

Hat jetzt die MVG, ohne darum einen großen Bohei zu machen, doch glatt das Zeitreisen erfunden. Respekt.

“Siegfried” – die zweite

Es liegt in der Natur des Menschen, sich noch Unvertrautes durch Vergleiche fassbar zu machen. Darum erklärt die g’schtudierte Tante heute einmal den Aufführungszyklus eines Theaterstücks.

Premiere ist (Vergleiheich!) wie ein frisch geschneidertes Kleidungsstück zum ersten mal anläßlich eines wichtigen Anlasses auszuführen. Damit es auch ganz bestimmt ganz gscheit sitzt werden Nähte noch mal ganz schnell aufgetrennt oder irgendwas gerafft und provisorisch getackert oder sonstwie festgesteckt, vielleicht fehlen auch noch ein paar Straßsteinchen, weil die Straßsteinchenstickerin gerade indisponiert war und möglicherweise wurden die perfekten Schuhe oder der Hut oder sonst ein Accessoire zu spät oder noch gar nicht geliefert und man behilft sich mit irgendwas, das sich in der Hauptsache dadurch auszeichnet, dass es halt grad mal zur Hand ist. Zu den Gesetzmäßigkeiten einer Premiere zählt, dass irgendwann eine Sicherheitsnadel aufgeht.

Nach ein paar Vorstellungen ist der Dress dann quasi “eingewohnt”.  Das eine oder andere Provisorium darf bleiben, weil es nämlich schön ist oder lustig oder überhaupt. Außerdem sind Schleiferl oder Rüscherl oder lustige Applikationen hinzugekommen (vergl. hierzu Kriemhilds Ausführungen zur Kreuzstichstickerei), die Frisur ist anders, als sie mal geplant war – kurz, man hat das Diktat des Modeschöpfers durch die Kunst des Tragbaren ersetzt.

Irgendwann ist es soweit und obwohl es ein wirklich schönes Klamott ist, wollen wir auch mal wieder was anderes anziehen und wir tragen es zum letzten Mal. Wenn die Robe eine gute ist, ist aber nichts fad geworden und nichts ausgeleiert oder verschlissen und dann kommt sie nicht in die Altkleidersammlung, sondern wird mit dem Begriff “Vintage” veredelt und zu besonderen Anlässen wieder aus dem Schrank genommen (s. a. “da capo”).

(Auf dem Theater ist die letzte übrigens traditionell die einzige Vorstellung, bei der die Regisseurin die Schauspielerinnen und Schauspieler nicht schimpft, wenn sie einander kleine Streiche spielen. Sehr beliebt ist zum Beispiel das Requisitenverstecken. Da kann’s dann schon einmal vorkommen, dass der Dolch fehlt und der röchelnde Recke am Boden als Todesursache angeben muß: “Mich dünkt, der Stiefel war vergiftet.”)

So auch Siegfried.

Weil mir irgendjemand die Schädlichkeit von 1 x Wälsungenblut pro Woche erst noch beweisen muß und gestern außerdem die Hamburger überraschend in der Stadt waren, war ich wieder in einer Vorstellung und kann mit Freude berichten, dass Siegfried jetzt, eine Woche nach der Premiere, in Stage 2 angekommen ist. Neuhinzugekommen (s. o.: “Schleiferl oder Rüscherl oder lustige Applikationen”) ist – unter anderem – mehr Musik für den Helden (tut ihm sehr gut) und ein Zwerg mit Baß (es ist lange nicht klar, wer von beiden gewinnt) und ich freu mich jetzt schon auf die vorletzte Vorstellung nächste Woche. Da gemma nämlich wieder hin. Falls wer mitmag, einfach Bescheid geben.

Das Peter-Prinzip (Ein Fallbeispiel)

Alle Aufsichtstherapeuten sprechen mich heute beim Geräteturnen nacheinander an, sie seien “angemessengert” worden mit der Bitte, mir auszurichten, ich möge “bei den Damen vorne” vorstellig werde. Wenn ich nach ein paar Stunden Sport verschwitzt und hungrig und insgesamt sehr unleidig da vorne stehe und erleben muß, wie eine Verwaltungsmitarbeiterin des Reha-Zentrums meine Zeit verbrät bei dem Versuch, in einem auf diesen Berufsstand perfekt zugeschnittenen passiv-aggressiven Vorgehen die Schuld für eine administrative Fehlleistung zügig aus dem Verantwortungsbereich des eigenen Sauhaufens weg- der Patientin zuzuschustern, dann fällt selbst mir auf, dass ich nimmer so nett bin wie ehedem.

Ihre Versuche, mich gnädig zu stimmen (“Goi, der Computer ist halt auch nur a Mensch, vor allem am Freitagabend” und “Des kriagn mir scho hi, mir zwoa”) lassen mich kalt, sie soll halt ihren Fehler verbessern. Hurtig. Ich habe nämlich noch Wassergymnastik auf dem Plan und muß mich dafür noch umziehen. Und weniger hungrig (= unleidig) werde ich schon von der Aussicht auf noch mehr Spocht auch nicht gerade.

Wie ich im Abgehen bin, ruft mir sie mir nach, dass sie doch beinahe vergessen hätte, abzukassieren. Ich spüre, wie sich, während ich mich wieder zu ihr umdrehe, meine Augen zu Schlitzen zusammenziehen und über meinem Kopf in der Denkblase steht: “Was genau, junge Frau würden Sie denn jetzt, nachdem Sie durch Ihre Inkompetenz meine Zeit vergeudet haben, abkassieren wollen? Was? Hm?” Es wäre wegen der Rezeptgebühr, sagt sie, bereits wesentlich kleinlauter als vorhin noch. Okay, verstehe ich, das muß ich bezahlen. “Warum schicken Sie mir nicht einfach die Rechnung und ich überweise Ihnen, was ich schuldig bin.” Ja, nein, so gehe das nicht, hier bei ihnen in der Reha-Einrichtung, da kassiere man bei allen Patienten in bar. WTF?

Zzziinnnnggg!! – (richtig, so klingt es, wenn der Frau flockblog der Geduldfaden reißt). “Erstens stehe ich hier bargeldlos vor Ihnen, bin verschwitzt und müde und inzwischen schon etwas spät dran für die nächste Trainingseinheit und zweitens habt ihr mir noch letzte Woche eine Rechnung zuschicken können. Was genau ist diese Woche anders und warum?” Ich erspare uns allen die Details, es ging noch eine Weile so hin und her, wir konnten uns dann aber darauf einigen, dass sie mir die Rechnung ausdruckt und ich das Geld ganz entspannt am Wochenende überweise. Inzwischen hatte meine Wassergymnastik längst angefangen, also bat ich sie, mich für die nächste Gruppe in einer halben Stunde einzutragen. (Wie gesagt, meine Zeit. Vergeudet. Ich bin inzwischen in einem Alter, wo mir das Lebensende näher ist als der Anfang. Sowas schmerzt mich.)

Ja, macht sie gerne – dabei fiel ihr auf, dass in meinem Konto noch eine unbezahlte Rezeptgebühr-Rechnung hinterlegt sei. “Drucke Sie aus, überweise ich dann in einem Aufwasch.” Bis wir miteinander fertig waren, hatte sie noch zwei weitere Rechnungen gefunden, aber leider beim Ausdrucken das Barzahlungskästchen angekreuzt. Ob ich nicht vielleicht doch cash bezahlen könnte? Nein, kann ich nicht. An meiner Bargeldsituation hat sich in der kleinen Ewigkeit, die ich hier inzwischen schwitzend herumstehe, nichts geändert. Gar nichts. “Drucke Sie noch einmal, kreuze Sie dieses Mal halt einfach richtig an.” Und es ist mir totwurscht, dass Sie das jetzt manuell und mit Aufwand korrigieren muß. Sie hat’s falsch gemacht. Sehe Sie’s doch als Lektion, quasi nicht zur Strafe, nur zur Übung. (Man muß sich das vorstellen, wie von Palfrader in “Wir sind Kaiser” gesprochen*.)

Zum Glück war das Wasser im Bewegungsbecken heute ziemlich kühl. Außerdem ist mir wieder eingefallen, welchen guten Rat mir sintemalen meine Freundin Gerti mit auf den Weg gegeben hatte, als ich mich bitterlich bei ihr beklagte, dass die an­o­rek­tischen Tussis am Empfang des Fitness-Studios mir immer doppelt und dreifach das Gefühl geben, dick und eklig zu sein. “Vergiß nie”, sprach sie damals weise, “dass diese Lycra-Hühner für einen Hungerlohn hinter diesem Tresen stehen und aus ihnen nie mehr werden wird. Ganz im Gegensatz zu dir.”

Hach, that’s what friends are for. Auch viele viele Jahre später noch.

 

* Falls es wer nicht kennt: https://www.youtube.com/watch?v=hZH1ERoyJXc