Ausstellung: Du bist Faust

Ich bin gar nicht zufrieden mit mir, wie wenig ich von dem großen Münchner Faust-Festival mitbekomme. Jetzt ist schon fast Halbzeit und was habe ich bisher angeschaut? Nix, nada, niente, nitschewo. Zu meiner Verteidigung rede ich mir ein, dass ich in meinem Leben bestimmt schon mindestens sechs Bühneninszenierungen (wenn’s langt) gesehen habe, manche davon mehrfach und fast alle Verfilmungen, ebenfalls mehrfach und mir gelegentlich im Auto die Quadflieg/Gründgens-Version (auf CD!) vordeklamieren lasse und massig Peripherie kenne, ob das nun Klaus Manns Buch oder István Szabós Brandauer ist, und das halbe Stück eh aufwenig aufsagen kann und mich schon von Berufs wegen mit dem strebenden Gelehrten, seinem Teufel und der frommen Margarete und was an ihnen gar so deutsch ist oder grade nicht lang und ausführlich auseinandergesetzt habe. Dennoch. Da machen sich Menschen Mühe und bereiten dieses Stück in meiner Stadt daheim so bequem mundgerecht auf und was tu ich?

Ich geh heraus zum ersten Mai in die Ausstellung in der Hypo-Kunsthalle und weil ich ein gar so schlechtes Gewissen habe, nehme ich mir sogar einen Audio-Guide. Den hätte es nicht gebraucht, die Exponate sind glänzend und ausreichend informativ beschriftet, das Gewurschtel mit den rutschenden Kopfhörern kann man sich sparen. Und sonst? “Die innovativ inszenierte Schau nimmt die Besucher mit auf eine Reise durch das Drama und macht sie zu Weggefährten Fausts auf seiner rastlosen Suche nach Sinn und Ziel des modernen Lebens.” Steht so im Ausstellungskatalog und stimmt soweit. Die Ausstellungsgestalter haben’s mit Spiegeln und Vorhalten und kriegen sich manches Mal vor lauter Symbolik gar nimmer ein, die ausgestellten bildenden Künstler nehmen sich aus dem Faust, was sie darin sehen und setzen es mit ihren Ausdrucksmitteln um. Die Räume sind nach Figuren bzw. Szenen aus dem Stück gestaltet. Vieles ist Mittelmaß, aber es gibt Ausnahmen: Gleich zu Anfang grient Gründgens beim Prolog im Himmel sein “von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern” in die Runde und im Mephistopheles-Kabinett hängt eine herrlich teuflische Fotografie von Robert Mapplethorpe. Ein Stückchen weiter nimmt Käthe Kollwitz Anteil an Gretchens Elend, dieser Kindsmörderin wider Willen, mit einer wunderbar ausdrucksstarken Radierung, und dort ist auch ein Gemälde von Anselm Kiefer augestellt, “Dein goldenes Haar, Margarete” mit dem er den Bogen zu Paul Celans Gedicht und dem Mißbrauch deutscher Mythen durch die Nationalsozialisten spannt. Ausgerechnet Gretchen. Da schau her. Ich mag die Figur nicht besonders, aber ich bin ihr jetzt näher gekommen – nicht dem frommen Zopfkleinbürgermädchen vom Anfang, aber der zerstörten Existenz vom Ende. Die musikalischen Adaptionen habe ich eher schnell hinter mir gelassen; mir wird sich nie erschließen, warum man singen muß, was man sprechen kann – allerdings nicht, ohne Goethen zu bewundern, der ein ganzes Bündel sangesfertiger Solos eingebaut hat. Auch die schmerzensreiche Neigung. Ein Zimmer hängt voller großflächiger Bilder mit nackten Weibern und Teufeln und dem, was die da tun; die Walpurgisnacht, die im Stück nicht allzuviel Raum einnimmt, hat da wohl die wildesten Phantasien befeuert. Alles gut, Jungs. Kalt duschen und dann Faust II. Im letzten Kabinett finden sich noch zwei geniale Buchillustrationsserien von Max Slevogt und Max Beckmann zum 2. Teil der Tragödie, denen sollte man Zeit widmen.

Das letzte freie Plätzchen ging an ein ironisches Augenzwinkern.

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Am Ausgang liegt ein Gästebuch bereit und die Besucher dürfen mit Stickern abstimmten, ob sie nun Faust (geballt in gelb) sind oder Mephisto (Hörndl-Emoji, lila) oder Gretchen (rotes Herzerl). Halloho? Da fehlt doch wer? Teufelsweib, Kupplerin, Giftmischerin?

#JesuisMartheSchwerdtlein.

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