Qual der Wahl

Ich tu mich dieses Mal sehr schwer, mich bei der Bundestagswahl für die Partei zu entscheiden, die meine Stimme bekommen soll und es wird nicht leichter, weil ich wg. urlaubsbedingter Abwesenheit Briefwahlunterlagen bestellt habe und mich daher noch früher festlegen muß als der Rest des Wahlvolks.

Meine beiden Praktikanten, Millennials, diesen Sommer reifegeprüft und Erstwähler, können mein Problem nicht verstehen. Sie werden als Orakel den Wahl-O-Mat befragen und dann entsprechend abstimmen. Der sei, so versichern sie, voll “unabhängig” und total “überparteilich”. “So, so,” sag ich. “Ist er das? Und das wißt ihr wie?” Wußten sie nicht.

Habe Hausaufgaben aufgegeben und für Morgen einen Test angedroht:

1. Warum bekommt Sabine bei diesem Wortpaar eine Gänsehaut?

2. Wer stellt den Wahl-O-Mat und könnte damit welche politische Agenda verfolgen?

Bonusfrage: Wie schwer ist es, den Wahl-O-Mat zu hacken?

 

Da bin ich jetzt aber mal gespannt.

Jam Session in der Unterfahrt

Jam Sessions sind immer so wie Tom Hanks Pralinenschachteln, man weiß nie, was man kriegt. Heute wars die De-Luxe-Ausgabe mit einer tollen Hausband mit Geiger, ausgesprochen sehr guten Musikern im Jam-Teil sowie Jon Snow* und der Vogel des Gitarristen.

Der Vogel war ein leuchtendweißer Kakadu, der anmutete wie ein Relikt aus einer Zeit, als Klementines Persil noch einen jeden Grauschleier wegwusch.

 

* Sah aus, wie Jon Snow aussehen würde, wenn er ein Badezimmer besäße und benützte. Habe vor ihm noch nie einen Bassisten gesehen, der sein Instrument solchermaßen schmerzensreich leidend bedient.

Die Zeit ist keine gnädige Freundin

Es gilt die Vorrede des vorigen blogposts, Stichwort: s.o.

Weil meine Reha-Einheiten verschiedener Verkleidungen bedürfen (die guten Baumwollturnhosen und -hemden vom Machine-Floor taugen halt mal weder fürs Schwimmbecken noch für die Lynchdrainage), verbringe ich zur Zeit viel zu viel Zeit in einem fensterlosen Damenumkleideraum auf Tiefgaragenniveau (= 2 Ebenen unter der Oberfläche). Ich bin da nicht gerne.

Zum einen ist nachmittags, wenn ich komme, der Sauerstoffpegel längst unter die selbst von Luftanhalterekordhaltern empfohlene Mindestgrenze gefallen, zum anderen haben sich im Laufe des Tages die Chlorschwaden aus dem Pool, die Abgase sich angestrengt habender Rehabilitantinnen sowie die die vermeintliche zivilisatorische Errungenschaft der Menschgeruch überlagernden Substanzen (Deo- und Haarsprays (doch, gibts noch), Lotionen, Öle, andere “Duft”bomben) zu einer unheiligen Allianz mit ungeheurer Angriffslust auf Neuhinzugekommen-Schleimhäute zusammengeschlossen. Das ist schon sehr gräßlich, aber immerhin haben diese olfaktorischen Attacken wenigstens einen genesungsfördernden Aspekt: ich kann mich inzwischen schon sehr sehr schnell umziehen.

Wie ich meine leidenden Augen schützen soll, weiß ich allerdings noch nicht. Immer immer immer sind andere da und nackig, die sich vor 20, 30, 40 Jahren Tattoos auf den Steiß oder sonstwohin haben stechen und sich niemals hätten träumen lassen, dass nach der ewigen Jugend ein Zeitalter künstlicher Gliedmaßen folgen könnte. Man verstehe mich nicht miß, ich habe keinen Umstand mit faltiger, gedehnter, zusammengezuppelter, ledergebräunter oder seit Jahrzehnten nicht der Sonne ausgesetzter Haut. Ist wie es ist und den Lebensjahren angemessen.

Ich habe lange nachgedacht, warum mich gerade die Tätowierungen so dermaßen stören und ich bin zu dem Schluß gekommen, dass sie den alternden Körpern jede Würde nehmen. Vielleicht, weil sie einfach nicht zur gängigen Kultur gehören. Wie auch immer, seit heute Abend habe ich das Problem für mich gelöst – ich hatte meine Brille im Duschraum vergessen und mich flott (s.o.) im Bindflug angekleidet. Linsenfrei sehe ich nicht mal El Knies Narbe, geschweige denn anderer Frauen Arschgeweih und alles ist gut.

Neu auf der Bühne des Lustspielhauses: Siegfried – Götterschweiß und Heldenblut (Ein Germanical)

Die Zeit ist keine gnädige Freundin. Wenn wer oder was in die Jahre gekommen ist, dann quillt leicht mal was raus oder hängt über, das Feste wich dem Wabbel, Newtons Apfel erreicht die Wassermelonendimension, was straff war ward schlaff, Papier schlägt Stein, an den Rändern schlippern Fransen und nach unten leiert’s aus, Schwerter sind längst Pflugscharen und selbst das weichste Wasser hat ein paar Felsen auf dem Gewissen – kurz: s’isch nemme dés!

Wozu rät dann der Arzt mit dem wölfischen Grinsen (Spitzname: The Smirk) und der beruhigenden Elmar-Gunsch-Stimme? “Da brauchen’S doch keine Angst zum haben. Ein paar kleine Schnitte hier und da, ein größerer und noch einer oder zwei, drei dort, das alte Glump rausschaben, Haut schön straff drüber ziehen, ordentlich festtackern, Restfetzen ab und schon sehen wir wieder aus wie neu – und jünger als je zuvor.”

So auch Siegfried.

Kaum schneiden Gabi (Rothmüller) und Alex (Liegl) ihm ein paar von den alten Zöpfen, geben hier und dort etwas neuen Fug zu sowie feinen und ein paar Unzen recht groben Unfugs (pars pro toto: der Paketbote – ich habe ihn sehr sehr sehr gemocht. Oder gilt meine Neigung doch mehr Furchur, dem Aufblasdrachen? Hmmm. Beiden. Irgendwie.), schon springt der fellberockte Blondwälsung mit dem Pony so straff und fully energized durch den ganzen Ring, dass die in Bayreuth in der gleichen Zeit grade mal mit dem Stimmen der Instrumente fertig geworden wären.

Im Ensemble hat es ein paar Veränderungen gegeben; für die Österreicher Gröbner und Tauchen wurden eingewechselt: der Siegfried Martin Frank, Niederbayer sowie Bariton und sehr komisch; Wotan und seine Very-Drag-Tochter Brünnhilde alias Thomas Wenke mit viel Bass, Bauch und Seele. Als Kriemhild (und weil das nicht langt auch noch als Zwerg und Urgermanin) dummblondet sich Constanze “diese Frisur” Lindner daher, dass es eine wahre Freude ist. Die anderen kennt man noch von früher: Gabi als Wotans herrlich-holdes Weib “diese Perücke” Fricka, eine holde Jungfer, einen (wahrscheinlich auch holden, aber das sieht man bei dem Kittel nicht so recht) Zwerg und andere Kleinrollen, alle hold. Alex brilliert als Könige: Alberich (Zwergen) und Gunter (Burgunder). “Jubel”. Fehlt noch wer? Aber hallo! Hagen von Tronje, Alberichs intriganter Sohn. Den spielt Aron Altman sehr schön diabolisch, wenn er nicht nebenbei mit der wirklich tollen Band den Baß schlägt. (Außer Aron: Stephan Auer, Frank Schimann, Tina Zacher).

Die “sehr theateraffine” (Selbstbild) Dame bei uns am Tisch hat es sehr treffend auf den Punkt gebracht: “das ist mal ein ganzes Ensemble von ausgesprochenen Rampensäuen”. Sie meinte das als Kompliment und dem schließe ich mich, mit dem gesamten Premierenpublikum und außerdem vielem Dank vollinhaltlich an.

Das habt ihr gut gemacht. Das dürft ihr wieder tun. Ich werde mir in zwei Wochen anschauen, was daraus geworden ist und freue mich jetzt schon drauf.

Da waren es schon zwei

Mitte August, wenn hier dieser herrliche bayerische Sommerfeiertag bevorsteht, werde ich immer (also seit ungefähr zwei Jahren) ganz arg nachdenklich und spiele mit dem Gedanken, wie’s denn wohl gewesen wäre, wenn die Herrschaften Homeland Security mein Visum auf unbestimmte Zeit für gültig zum Aufenthalt in den Vereinigten Staaten von Amerika erklärt hätten. Ob ich dann wohl immer noch drüben wäre? Bei der übernehmenden Firma, die die meisten meiner früheren Kollegen längst verlassen haben? Einer anderen? Immer noch an der Westküste? Oder auf der anderen Seite oder irgendwo dazwischen? Oder auch heimgekehrt, aber unter anderen, besseren oder schlechteren Vorzeichen? Hätte ich in Trump’s Own Country überhaupt bleiben wollen? Oder wäre ich in der kalifornischen Blase davor geschützt gewesen, überhaupt zu realisieren, wer gerade an der Ostküste der peinliche Präsident ist?

Und dann denke ich mir, dass es eigentlich müßig ist, Zeit auf diese Überlegungen zu vergeuden, denn ich bin hier und das gerne und außerdem habe ich ein ganz ganz langes Wochenende vor mir und doch wieder schönes Wetter und wenn ich mir wirklich die Laune trüben will, dann könnte anfangen, darüber nachzudenken, wem ich bei der deutschen Wahl meine Stimme geben will.

Vereinte Nationen

Die Familie in der Wohnanstalt, denen ein Hormonholperer nach dem ersten Kind im letzten Frühsommer nun vorletzte Woche noch Zwilllige beschert hat, zieht aus. Es haben sich viele Helfer aus aller Herren Länder eingefunden, und es herrscht ein rechtes Durcheinander (der eine trägt wieder rein, was der andere gerade rausgeschleppt hat usw., man kennt das), bis der Vielkindsvater wie folgt organisiert: “Die Braunen räumen das Wohnzimmer leer, die Schwarzen das Schlafzimmer und die Weißen beladen die Transporter. Küche und Bad organisieren die Frauen.”

Jetzt klappt das da unten wie am Schnürchen. (In Amerika hätte das nie funktioniert, da erziehen sie ihre Kinder vor lautem falsch verstandenen Antirassismus zu “Farbenblinden”.)

Nimmer ganz neu im Kino: Guardians of the Galaxy Vol. 2

Wem der erste gefallen hat, der mag den auch wieder und selbst ich, die den ersten noch als unausgegorenen Klamauk abgetan hatte, war von Vol. 2 ein bissele amused. Man muß wahrscheinlich nur müde genug sein und nix erwarten, dann geht das Konzept mit flotter 70er Jahre Musik, dummen Sprüchen, Space Opera und seltsamen Charakteren (Waschbär, Grillenfrau, Zweig, Tattoo-Muscle und Kurt Russell als Superschurke Nomen-est-Omen-“Ego”) auf.

Extra ins Kino gehen lohnt aber nicht.

PS: Lobende Erwähnung für Sylvester Stallone. Merke: Sly kann immer noch mehr nuscheln, als man es gerade noch für möglich hält.

Sweet Tooth

Irgendwie hätt’ ich Lust auf was Süßes, stehe aber schon seit ein paar Minuten vor der abendlich leergeräuberten Auslage des Bäckers und kann mich nicht entscheiden. Nein, keine dicke Sahnerolle und nein, auch kein Appenzeller Apfelfleck (auch wenn der gar so hübsch alliterativ wäre). “Ich”, teile ich der verkaufsbereiten Bäckerin mit, “ich warte drauf, dass mich was anlacht.”

Da streckt sie mir wortlos ihn hier entgegen.

Amerikaner

Was soll ich sagen: dem Kundenwunsch zu 100% entsprochen, das war’s, was ich gewollt hatte. Den nehm’ ich. “Echt jetzt?” “Echt jetzt.”

“Du bist ja süß!”

Das letzte Mal, als das jemand zu mir sagte, dürfte ich noch reichlich unter 10 gewesen sein, wahrscheinlich mit Rattenschwänzen, Zahnlücken und schokoladenpuddingverschmiertem Mund.

Wenn man schon gut ein halbes Jahrhundert gelebt hat, dann bedeutet dieser Satz, gesprochen von einem diabolisch lächelnden Physiopathen, bei dem frau sich gerade artig dafür bedankt, dass es heute gar nicht so sehr verdammt wehtut, dass er bis dato nur sondiert hatte, welche Muskel-Faszien-Sehnen-Partien am Bein der armen Patientin er heute noch ganz besonders qualvoll zu “behandeln” gedenkt.

Wenn ich dann wieder kräuterweibleingebückt und den morgigen Muskeltiger (Kater langt für diese Schmerzen gar nicht) fürchtend aus dem Behandlungszimmer krieche, fällt es mir schon arg schwer zu glauben, dass das alles nur zu meinem Besten sein soll. El Knie glaubt erst recht gar nix. Der muppert bloß und will mindestens zwei Eis.

Frechheit siegt

Ein bißchen unverfroren ist es schon, wenn ein Biergartenbetreiber mit Aushängen auf den Toiletten unter der Überschrift Arbeiten in der Natur Nachwuchs an “Kriagerl-Buben und -Mädels (zum Tische abräumen)” zu rekrutieren sucht.

Es hätte vielleicht auch nicht geschadet, hinsichtlich der Geschlechterbezeichnungen einen Muttersprachler Korrektur lesen zu lassen.