Nördlich von Italien

Auf meiner Zehnminutenfeierabendfahrt ein halbes Dutzend Autos mit sonnenbebrillten Fahrern und herabgelassenem Verdeck gezählt (2 x BMW, 2 x Mercedes, 1 Smart (nun ja) und irgendwas italienisches) und mich gefragt: gibts das woanders auch oder ist das halt mal tipico, in Monaco di Baviera?

Mein erster Arbeitstag oder This is not Zauberberg

Habe mich heute im Laufe der Auf- und Nachholjagd in der Arbeit mehrfach nach den Zeiten zurückgesehnt, in denen ein guter Doktor seiner Patientin eine längere und ausgedehnte Rekonvaleszenzperiode mit Spaziergängen, ausgedehnten Luft-, Licht- und Sonnenbädern sowie erbauende Lektüre im Liegestuhl verordnete.

Merke: Später Geburt ist nicht zwingend mit Gnade gleichzusetzen.

Genesen

Bzw. soweit wieder auf dem Damm, um die Frage nach dem Grad der Fähigkeit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit mit “hinreichend” beantworten zu können.

Schau ma moi, wie sich das morgen im Büro entwickelt…

Fack ju!

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur.

Wer hätte gedacht, dass das Wetter den Faust so gut kennt…

Aber jetzt ist dann auch mal gut, Winter. Irgendwann würde man für den Osterspaziergang gerne mal draußen sein und zwar trockenen Gewandes.

Die Sonne duldet kein Weißes.

Jeremy Renner

Ich hatte es bestimmt schon mehrfach erwähnt, wahrscheinlich das letzte Mal in meiner Kritik zu “Arrival”: ich mag Jeremy Renner. Deswegen habe ich mir dann gestern nach Wind River noch ein, zwei, drei Folgen der sehr unterschätzten Serie “The Unusuals” gegeben, in denen er einen wortkargen New Yorker Cop mit großem Herzen spielt. Sie hat es nicht über die erste Staffel hinaus gebracht, wie viele Serien, die ich, siehe oben, für sehr unterschätzt halte.

Man möge sie sich trotzdem ansehen.

Ich für meinen Teil werde mir im Rahmen meiner Renner-Festspiele heute Abend noch einmal The Hurt Locker anschauen.

Nimmer ganz neu im Kino: Wind River

Ich hatte mich ja sehr auf den Film gefreut, seit dem Soundtrack sogar noch mehr und es sah aus, als bestehe er nur aus guten Versatzstücken: Grausamer Wyomingwinter, Cowboys (neuzeitlich, Ölbohrer), Indianer (neuzeitlich, reservatsgeschädigt), Clash of Cultures, Raubtiere, die domestiziertes Vieh reißen, Fremde, die guten Willens sind, aber Zeichen und Spuren nicht lesen können, Schnee, Eiseskälte, Mensch gegen Natur, Natur gegen Mensch und Jeremy Renner in einer Paraderolle als schweigsamer Jäger, der schwer an der Vergangenheit trägt.

Dann kam, was einen schlechten Film von einem guten unterscheidet. Nichts, nichts und nichts wird der Vorstellungskraft des Zuschauers überlassen. Während die sehr vorhersehbare Story zügig Richtung Aufklärung des Mordes getrieben wird, fällt Autor und Regisseur Taylor Sheridan nichts besseres ein, als ganz ausführlich Vergewaltigung und Mord und Totschlag und Leiden der Opfer zu zeigen und einen viel zu langen viel zu blutigen (sieht halt toll aus, so rot auf weiß) Showdown*, in dem alle, Gesetzeshüter wie -brecher, so lange auf alle schießen, bis keiner mehr steht. Mit Schrotflinten, Gewehren, Pistolen, Revolvern, halb- und vollautomatischen Waffen, halt allem, was man als über Achtzehnjähriger so kaufen kann. Nachdem die Leichen abgeräumt sind, wird noch eine Art Parabel aufgepfropft (wir erinnern uns an die Raubtiere vom Anfang, die friedliches Herdengetier dahinmeucheln?), die in Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Selbstjustiz mündet und dann ist die Geschichte aus und der Gerechtigkeit Genüge getan.

Dabei werden interessante und wichtige Themen angerissen, zum Beispiel, wie so ein harter Naturbursche damit umgeht, wenn sein Kind zu Tode kommt. Oder wie die indianische Bevölkerung in dieser modernen Gesellschaft nicht angekommen ist, ihre traditionellen Wurzeln aber auch nicht mehr kennt und wie schwer es dann ist, zu trauern. Oder woran es wohl liegen mag, dass keinerlei Statistiken über vermißte “Native American Females” geführt werden. Versandet aber alles.

Obwohl die Bilder insgesamt großartig sind (man möchte in dieser Region zu dieser Jahreszeit nicht einmal dreimal tot über einem Schneeschutzzaun hängen), Jeremy Renner und Elizabeth Olsen ideal besetzt sind und die “Wilden” edel (pars pro toto: Graham Greene, Tantoo Cardinal und Gil Birmingham), ist der Film eine Enttäuschung. Schade.

 

* Der Dialog zum Shoot-Out:
FBI-Agent: Shouldn’t we wait for back up?
Local Police: This isn’t the land of waiting for back up. This is the land of you’re on your own.

Neu im Kino: Phantom Thread

Kann es sein, dass schon von Anfang an ein bißchen sehr viel Bohei um diesen, Daniel Day-Lewis’ letzten Film, gemacht wurde? Ja, Daniel Day-Lewis hat für die Rolle sogar eine erfolgreiche Schneiderlehre absolviert, blieb während der Dreharbeiten stets “in character” und hat sich auf dem Set nur mit seinem Rollennamen “Reynolds Woodcock” (oh je) ansprechen lassen, ja, die Figur Reynolds Woodcock ist großartig, ein Damenschneider sowie Muttersöhnchen, empfindsamer exzentrischer Künstler und furchtbarer Gockel, mit einer starken Schwester (herrlich: Lesley Manville), die sein Leben steuert und wechselnden Musen, die sein Sexualleben gesund und seine Kreativität intakt halten, ja, eines Tages kommt eine daher, die nicht weisunggemäß um ihn herumheimchent, sondern ihm etwas entgegenzusetzen hat (sehr gut und boheifrei: Vicky Krieps), ja, im letzten Drittel passiert eine sehr überraschende Wendung, die dieser obsessiven Beziehung noch eine weitere Ebene gibt, ja, Paul Thomas Anderson zeigt das in gewohnt perfekten wunderschönen Bildern und ungeheuer intensiv, aber ich komme auf meine Ausgangsfrage zurück – “Kann es sein, dass schon von Anfang an ein bißchen sehr viel Bohei um diesen, Daniel Day-Lewis’ letzten Film, gemacht wurde?” – und möchte lösen:

Ja.

The American Dream

In einem Fly-Over-State in bildungsfernen Haushalten aufgewachsen, gilt beiden der erstmögliche Schulabschluß als der ersehnte Schlüssel zu einem Erwachsenenleben mit selber Geld verdienen und eigenem Auto; nicht geplant (aber vorhersehbar in einem Land, wo zwar nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wie Kamelle verteilt werden, Geburtenplanung und – Gott behüte – Verhütungsmittel jedoch des Teufels sind) ist die frühe Elternschaft. Es folgen drei weitere Kinder, und weil zur Erfüllung des Amerikanischen Traums ein Eigenheim gehört, Hypothekenschulden und Arbeitslosigkeit und Wiederaufrappeln, noch ein schlechter Job zu noch einem schlechteren Job, alles, um die Blagen irgendwie großzuziehen und “to make ends meet”*. Dann sind die Kinder groß und bekommen Stipendien für Ivy League Universitäten und tun alles, um den geliebten Eltern die Opfer der früheren Jahre zu entgelten und they lived happily ever after.

Wie, hat das irgendwer geglaubt? Quatsch, nicht einmal Hollywood dreht mehr solche Schnulzen. Vielmehr sind die Kinder inzwischen erwachsen, beide Söhne bei der Army, wo man, speziell bei Auslandseinsätzen, wesentlich mehr Kohle macht als zu Hause im Heartland, wo es kaum mehr Arbeitsplätze gibt, egal wie gut oder schlecht qualifiziert jemand ist. Man kann natürlich dabei totgeschossen werden, aber das unterscheidet den Irak so gesehen auch nicht wirklich von daheim. Tochter 1 hat es nicht einmal zu einem Highschool-Abschluß gebracht und fristet ihr Jungwitwendasein irgendwo als Kellnerin in einem Billiglokal und Bezahlung unter dem Mindestlohn, die andere hat keinen Job, keinen Mann und ist dazu gezwungen, mit ihren beiden Kindern wieder bei ihren Eltern einzuziehen – unter dem Vorwand, sie müsse sich um die beiden Alten kümmern, deren Gesundheit stark gelitten hat und deren Krankenversicherung nicht einmal für die nötigsten Medikamente ausreicht.

Soweit zur Vorgeschichte von “Roseanne”, 10. Staffel, die 20 Jahre nach dem Ende der letzten ansetzt. Im Leben der Underdog-Familie Conner hat sich auch vier Präsidenten später nichts geändert; egal, wieviel sie schuften, Geld ist nach wie vor knapp, Rücklagen nicht existent (“living from paycheck to paycheck”), das hart erkämpfte Eigenheim immer noch kurz davor, wieder von der Bank geschluckt zu werden (“foreclosure”) und den Kindern geht es kein Stück besser als den Eltern davor. Roseanne Barr, Serienerfinderin, Autorin und Akteurin der Hauptrolle, hat Trump gewählt in echt und in der Rollenfigur, weil er Jobs versprochen hat und ein besseres Leben für die “Deplorables” – und das schlimmste daran ist: man kann die Leute verstehen.

Das heißt jetzt aber zum Glück nicht, dass Trump auf eine unkritische Unterstützerin mehr bauen darf. Nein, Ms. Barr und ihr Muttertier Roseanne gehen andere umstrittene Themen mit Verve an: eine der Töchter plant, sich als Leihmutter zu verdingen, um wenigstens einmal im Leben nicht ständig über die nächsten fälligen Rechnungen nachdenken zu müssen; ihr Enkelsohn ist dabei, seine Genderidentität zu suchen und trägt Mädchenklamotten, ihr Gatte bemüht, jetzt, wo wieder Kinder im Haus sind, sich dringend daran zu erinnern, wo man seinerzeit die hauseigene Schußwaffe versteckt hat, die Enkeltochter ist schwarz, der eine Sohn seit drei Monaten aus dem Irak zurück und arbeitslos, die Schwiegertochter noch dort im Einsatz, usw. usf. – man darf auf die nächsten fünf Folgen gespannt sein.

 

* Am nächsten dran an  “to make ends meet” wäre im Deutschen ein “irgendwie über die Runden kommen”, triffts aber nicht ganz.

Hosianna!

Holy Tschisaß! Ich wollte doch nur ein paar frische Zutaten for yet another soup besorgen und nicht beim Bäcker bis auf die Straße hinaus Schlange stehen und beim Metzger auch nicht. Aber so wie das hier zugeht, kann das nur bedeuten, dass ich in meinen krankheitsbedingten Klausurtagen verpaßt habe, was alle zu wissen scheinen, nämlich, dass uns ganz furchtbare Hungersnöte ins Haus stehen und der, der jetzt nicht wagenweise Zeugs einkauft, demnächst tot umfällt.

Hab mein bißchen Zeug zusammengerafft, ganz schnell bezahlt und zugesehen, dass ich die hysterischen Massen hinter mir lasse und wieder in meine Wohnung verschwinde. Für derartige Aufläufe bin ich noch nicht fit genug.

Befund uneindeutig

Wenn dieser Scheißhusten sonst zu nix taugt, eine Lektion in Demut und Bescheidenheit (dange, Maggus) ist es allemal. Darf aber dann auch mal wieder vorbei sein.

Weil er jedoch hartnäckig anhält und ich weiterhin schwach und matschig und semihirnig bin, wurde ich gestern doch lieber noch einmal bei der Ärztin vorstellig und wir haben uns beide nach dem Röntgenmarathon gefreut, dass es fast ganz sicher keine Lungenentzündung geworden zu sein scheint und uns darauf verständigt, dass ich mich jetzt noch einmal bis nach Ostern brav schone und es dann langsam wieder angehe…

Hrrrrgggggnnn! Die ganze Grippewelle ist wunderbar an mir vorbeigezogen und dieses Gehuste hats jetzt sein müssen. Gnagnagnagnagna!