Ich hatte mich ja sehr auf den Film gefreut, seit dem Soundtrack sogar noch mehr und es sah aus, als bestehe er nur aus guten Versatzstücken: Grausamer Wyomingwinter, Cowboys (neuzeitlich, Ölbohrer), Indianer (neuzeitlich, reservatsgeschädigt), Clash of Cultures, Raubtiere, die domestiziertes Vieh reißen, Fremde, die guten Willens sind, aber Zeichen und Spuren nicht lesen können, Schnee, Eiseskälte, Mensch gegen Natur, Natur gegen Mensch und Jeremy Renner in einer Paraderolle als schweigsamer Jäger, der schwer an der Vergangenheit trägt.
Dann kam, was einen schlechten Film von einem guten unterscheidet. Nichts, nichts und nichts wird der Vorstellungskraft des Zuschauers überlassen. Während die sehr vorhersehbare Story zügig Richtung Aufklärung des Mordes getrieben wird, fällt Autor und Regisseur Taylor Sheridan nichts besseres ein, als ganz ausführlich Vergewaltigung und Mord und Totschlag und Leiden der Opfer zu zeigen und einen viel zu langen viel zu blutigen (sieht halt toll aus, so rot auf weiß) Showdown*, in dem alle, Gesetzeshüter wie -brecher, so lange auf alle schießen, bis keiner mehr steht. Mit Schrotflinten, Gewehren, Pistolen, Revolvern, halb- und vollautomatischen Waffen, halt allem, was man als über Achtzehnjähriger so kaufen kann. Nachdem die Leichen abgeräumt sind, wird noch eine Art Parabel aufgepfropft (wir erinnern uns an die Raubtiere vom Anfang, die friedliches Herdengetier dahinmeucheln?), die in Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Selbstjustiz mündet und dann ist die Geschichte aus und der Gerechtigkeit Genüge getan.
Dabei werden interessante und wichtige Themen angerissen, zum Beispiel, wie so ein harter Naturbursche damit umgeht, wenn sein Kind zu Tode kommt. Oder wie die indianische Bevölkerung in dieser modernen Gesellschaft nicht angekommen ist, ihre traditionellen Wurzeln aber auch nicht mehr kennt und wie schwer es dann ist, zu trauern. Oder woran es wohl liegen mag, dass keinerlei Statistiken über vermißte “Native American Females” geführt werden. Versandet aber alles.
Obwohl die Bilder insgesamt großartig sind (man möchte in dieser Region zu dieser Jahreszeit nicht einmal dreimal tot über einem Schneeschutzzaun hängen), Jeremy Renner und Elizabeth Olsen ideal besetzt sind und die “Wilden” edel (pars pro toto: Graham Greene, Tantoo Cardinal und Gil Birmingham), ist der Film eine Enttäuschung. Schade.
* Der Dialog zum Shoot-Out:
FBI-Agent: Shouldn’t we wait for back up?
Local Police: This isn’t the land of waiting for back up. This is the land of you’re on your own.