Als ich am Wochenende zu Besuch bei Freunden auf dem Land war (in einem Dorf ohne Straßennamen mit einer Kirche und numerierten Häusern und, glaube ich, in der Zählung noch nicht bei zehn angekommen), ja, da hab ich mich noch in meinem Selbstverständnis als “Stodterin” gebrüstet.
Heute früh war ich mir da nicht mehr so sicher. Ich mußte am hellerlichten Morgen “in die Stadt”, zur Fachärztin auf der anderen Isarseite (meinen kleinen Alltagsbedarf an medizinischer Sorge deckt Hadern lässig). Kaum der U-Bahn entstiegen, blieb mir angesichts des sehr dunkelhäutigen Herrn in der sehr Tegernseer Tracht auf dem kurzen Weg zur Trambahnhaltestelle zum ersten Mal der Mund offen stehen. Keine paar Meter weiter wieder, als eine Dame in Regenbogen (Mütze, Schal, T-Shirt, Wallerock, Flipflops, alles, was irgendwie nach außen sichtbar war siebenfarbig, alles) laut “Bella Ciao” singend meine Bahn kreuzte.
Den Vogel abgeschossen hat schließlich der Trambahnfahrer, der der jungen heranhetzenden Passagierin beruhigend zusprach. “Selbstverständlich”, elmargunschte er, “selbstverständlich” werde man auf ihren jungen Mann warten, der denn auch nach ein paar Minuten später mit zwei dampfenden Pappkaffeebechern eintraf. “So eilig kammas gar ned ham”.
Die sehr alte Dame in der Straßenbahn, sehr degenhardtsch “Hütchen, Schühchen, Täschchen passend”, im sehr Rosarüschengewand, mit dem ascottauglich geschmückten Hut (Federn, Obst, Perlen und anderes Bling) erwähne ich gar nicht erst.
Also, entweder war heute morgen für die Theatinerstraße “extra surreal” ausgerufen worden und ich habe nur das Memo verpasst oder ich bin zum Haderner Landei mutiert und habe das bisher bloß noch nicht gemerkt.