Die Angelsachses haben in ihrer an Vokabeln eh so reichen Sprache eines meiner Lieblingsworte erfunden: “Serendipity”. Was soviel bedeutet wie “zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als neue und überraschende Entdeckung erweist”. Quasi “glücklicher Zufall”, aber mit etwas Goldstaub.
Jaja, ich komme gleich zum Konzert. Moment noch. Erst noch die Vorgeschichte.
Ich war nämlich am Wochenende bei Freunden eingeladen, die mich mit dem österreichischen Künstler Parov Stelar bekanntmachten, einem DJ und Produzenten. Dieser hatte irgendwann die sehr schöne Idee klassischen Zwanziger-Jahre-Swing mit einem harten Technobeat zu unterlegen. Tanzbar bis zum Morgengrauen. Die helle Freude! Was? Ja, wir gehen gleich ins Volkstheater. Mensch. Lass die Tante doch fertig erzählen. Also habe ich am Samstagabend mit Parov Stelar einen ganz einen neuen Groove entdeckt.
Dann Sonntagabend. Auftritt von Künstlern, die mir sehr Liebes vereinen. Den Göthe. Ihm seinen Faust. Und Jazz. Vor dem Vorhang steht Bandleader Roman Sladek und führt ein. Man sei eine Techno-Bigband, feiere demnächst das Neunjährige, was die “Bestandskunden” (großes begeistertes Gejohle) ja wohl wüßten, die “Neukunden” heute hoffentlich überzeugen und zu Bestandskunden machen werde. Man habe sich Goethen angenommen und den Faust nun auf technobigbandisch interpretiert. Es gehe um die großen Fragen: Der Mensch. Wieso? Weshalb? Warum? Was kann er? Was will er? Und ist er am Ende bereit, die Rechnung zu bezahlen?
Und dann geht der Vorhang auf und für die nächsten zwei Stunden toben vierzehn Vollblutmusiker und Vollblutmusikerinnen über die Bühne (auf dem Heimweg in der U-Bahn mitgehört: “De an der Tuba. Des war a Frau. Vogelwuid!”). Keine Minute ohne Bewegung, der Bum-Bum-Bum-Techno-Bass überwältigt den ganzen großen Raum, die ersten springen von den Sitzen und grooven mit, zum Schluß sind es fast alle. Atemberaubende Soli (der Schlagzeuger. Hach! Und alle anderen. Genauso Hach!), Tempo, Tempo, Tempo. Die Sängerin rezitiert den “Teil von jener Kraft” und das eine oder andere plakative Zitat aus dem “Faust”, Gretchens “Ruh ist hin”, wie immer – aber die Textanteile gehen im allgemeinen Musikrausch unter. Mir fehlt das, meinem Begleiter nicht. Wer also keine Ahnung von deutscher Klassik hat, aber Bigbandswing mit Techno unterlegt gerne hört und sieht, der ist dort sowas von genau richtig. Aber sowas von!
Und wenn das jetzt kein gelungenes Beispiel für Serendipity ist, dann weiß ich aber auch nicht.
Hingehen! Leertanzen!