Ms. Jemisin hat mich, als ich sie gerade neu kennenlernte, vollkommen weggebeamt (s. https://flockblog.de/?p=40150) und ich habe seitdem einiges mehr von ihrem Werk gelesen und komme aus der Begeisterung nicht heraus. Sehr ans Herz legen kann ich allen ihre “The Great Cities”-Reihe. Der erste Band war atemberaubend (s. https://flockblog.de/?p=45358), der zweite ist vorgestern erschienen und wird es leider nicht auf meinen Reisebuchstapel schaffen können (unterbrochene Lieferketten, auch hier), aber den lege ich mir dann halt unter den Weihnachtsbaum.
So, aber darüber wollte ich gar nicht schreiben, sondern über den außergewöhnlichen Comic, den sie gemeinsam mit Künstler Jamal Campbell verfaßt hat. Obwohl “verfaßt” klingt so…, so flach. “Kreiert”, auch wenn das Wort geschrieben immer so aussieht, als hätte sich jemand gerade übergeben, also im Sinne von “eine Kreation geschaffen” ist wohl wesentlich angemessener.
Worum gehts? Um “The City Enduring” (enduring = ausdauernd, beständig, bleibend), eine nach langen Kriegen geschaffene Stadt im Weltraum, deren Bürger (Insassen?) durch eine in ihre DNA integrierte Droge namens “Emotion Exploit” mit einer stark gedämpften eingeschränkten Gefühlsskala leben (existieren?). Bis eine Droge namens “Switchoff” wieder jede Emotion ohne Limitierung freisetzt und – bumsti – schon geschieht der erste Mord. Das erste Gewaltverbrechen in The City Enduring seit über 500 Jahren.
Als externe Unterstützung (Bauernopfer?) wird zur Aufklärung der Übeltat “Sojourner ‘Jo’ Muellein” abgeordert, ein Mensch unter fremden Rassen, hard boiled Cop, Woman of Color und eine Green Lantern in der Ausbildung. Ausgerechnet Green Lantern. Unter allen Superhelden einer der lahmsten. Denkste. Was Jemisin und Campbell daraus machen, ist Science Fiction, dazu Politik, Intrigen, Cyberpunk, Whodunit and Why, großes Drama, kleine Affären – als wäre einem Comicfan mit umfassender Bildung und ausgesprochen weiten Interessensgebieten die Phantasie explodiert. Jedem Kapitel stellt sie Zitate schwarzer Berühmheiten voran und es wäre nicht Jemisin, wenn das Buch nicht auch ein flammendes Plädoyer gegen Rassismus und für eine faire und gleichberechtigte Gesellschaft wäre.
Campbell ist ein kongenialer Partner für dieses Vorhaben. Auf einer Doppelseite läßt er ein Paar tanzen und ich schwöre, man spürt aus den Seiten die Luftströme, die aus dieser Bewegung kommen. Seine Figuren sind Ergebnis genauester Studien in Gestik und Mimik und er hat ein ganz besonders Talent daür, Bewegung zu zeichnen. Kämpfe, Verfolgungsjagden, eben diesen Tanz, mindestens Triple-Hach! Pannelgrenzen mag es geben, er umgeht (ignoriert?) sie aber gekonnt und setzt den strengen Rahmen nur ein, wenn er der Story dient.
Falls wer sich wundert: Ja, ich habe letztes Wochenende im wesentlichen Comics gelesen und kann sie nur empfehlen. Auch und gerade diesen.
Lesen! Lesen! Lesen!