Theatersommer 2021: “Ein Sommernachstraum”

In den letzten Jahren habe ich einen Teil meines sommerlichen Kulturbedarfs immer mit einer Dreiländer*-Theaterreise gedeckt. Dergleichen Nöte geht dem Drecksvirus ganz offensichtlich am Spike-Protein vorbei – nicht aber dem Braunauer Bauhoftheater. Sie öffnen, wie fast alle Einrichtungen in Österreich, nach dem 3-G-Prinzip: Geimpft – Genesen – Getestet und so findet am Einlass neben der Eintrittskarten- auch noch die “G”-Kontrolle statt und man trifft drinnen auf eine größere Menschenmenge fröhlich-unmaskierter Menschen. Lauter nackte Gesichter, wie ungewohnt. “Drinnen” steht dieses Mal übrigens nicht für den Platz zwischen zwei Kirchen in Downtown Braunau, sondern für den weitläufigen Konventgarten des Schlosses Ranshofen, der den Theatermachern Wolfgang Dorfner und Robert Ortner fast keine andere Wahl läßt, als in diesem Nochnichtnachpandemiesommer den Sommernachtstraum zu inszenieren (https://www.youtube.com/watch?v=IScglEv5WAM).

Die Handlung darf als bekannt vorausgesetzt werden: Es geht um Liebe, quer durch alle Bevölkerungs- und Fabelwesenschichten und dass sie nicht immer den/die Richtige*n trifft und verwirrend-verzauberte Nächte im Elfenwald. Dazu ein Sommerabend, nicht recht lau (aber wie mir gesagt wurde, soll ich aufhören, in einem Sommer wie diesem über solche Nebensächlichkeiten zu meckern) sowie zwei Vollmonde, einer groß und käsegolden über der Bühne, und rechts davon, in Sommerleuchtorange, der Beitrag von Mutter Natur. Hach!

Die herausragende Figur des Abends ist Patrick Brenners Puck, der nach dem Robespierre, dem “Blut-Messias” in Dantons Tod im vorletzten Jahr nun als Entertainer brilliert. Als Dramaturg (in echt und in der Rolle), Erzähler, Chansonnier, Manipulator, Handelnder, Getriebener und Clown, hinter dessen immer lächelnder Maske sich große Tragik verbirgt: er ist der Einzige an diesem Abend, dessen Liebe unerfüllt bleibt. Wie? Puck verliebt? Oh ja, denn man hat ihm eine ebenbürtige Mitspielerin hinzugedichtet, die Alles-was-du-kannst,-das-kann-ich-viel-besser-Zauberblume, ganz exzellent gegeben von Dita Sommerauer. Sie wäre der ganze Stolz ihrer beiden Mütter, Hermione Granger und Jeanie Bezaubernd. Von ersterer hat sie Intelligenz und Strebertum geerbt, von letzterer das Talent, den bestellten Zauber zu ihren Gunsten zu interpretieren sowie das ausgesprochen hübsche türkise Glitzerklimperkostüm.

Oberon (Boris Schumm) und Titania (Gabriele Pointner) sind, schon von der Physis, weit entfernt von den ätherischen Geisteswesen, die viele Inszenierungen aus ihnen machen. Diese beiden sind vielmehr ein altgedientes Paar; er mehr so der Sofa-Schlaffi mit Restherrscherautoriät für den Bedarfsfall, sie das, was Hera Lind im Sinn gehabt haben muss, als sie vor Zeiten ihr Superweib erschuf. Nicht mehr ganz jung, aber im vollen Saft stehend und zu allem bereit, bloß nicht zum Bezug des Austragshäuserls. Ginge ja auch gar nicht, allein schon wegen der schieren Anzahl ihres Elfen-Hofstaates, eine jede davon noch allerliebster als die andere. Falls die mal eine neue Chefin suchen, dürfen sie sich bei mir vorstellen, die nehme ich ohne weitere Referenzen. Hach!

Diese beiden präsidieren über dem Wald, in dem die jungen Athener Paare ihre Liebesverwirrspiele treiben, vielmehr von Puck, dem Schlamper, getrieben werden. Einmal Liebestrank in die falschen Augen geträufelt, und schon muss mit großem Aufwand eine ganze Szene zurückgespult werden – was täte der Kerl bloß ohne seine Zauberblume… Schon hier zeigen die Schauspieler*innen viel Freude am Slapstick (schließlich ist Lysander nicht nur einen, sondern zwei, drei, vier Köpfe größer als seine Liebe Hermia). So richtig aufdrehen tun sie dann beim Handwerkerspiel. Bernadette Prähofers Peter Squenz ist ein ganz wunderbarer kleiner Mann mit sehr großem Napoleonklomplex (Hach!) und schöner als Sarah Spermanns Schreiner Schmock in der Rolle des Löwen habe ich noch nie einen Menschen hyperventilieren sehen. Ich finde ja immer, dass man diesen Comic Relief im Sommernachtstraum getrost streichen kann, aber wenn man ihn schon drin läßt, dann gerne so.

Wie schon in den Vorjahren war die Musikauswahl auch in dieser Inszenierung sehr nach meinem Geschmack, was daran liegen mag, dass die Auswählenden und ich aus derselben Generation stammen. Alles life und alles kongenial life begleitet von Kajetan Löffler an der Gitarre. Hut ab!

Hab ich noch was vergessen? Hab ich. Den Zauberwald. Weil auch in diesem Jahr wieder 25 Menschen mitspielen, gibt es im Ensemble eine eigene Kategorie “Bäume”. Es traten auf, dienten als Verstecke, als Angebinde und wiegten sich im Winde: eine Knorrige Eiche, ein Wildtreibender Busch, ein Feuerroter Ahorn, eine Gertenschlanke Birke, eine Ungezähmte Ribiselstaude sowie, sehr herzallerliebst, ein Stacheliger Kaktus.

Eine äußerst schöne Vorstellung. Leicht, unbeschwert, fröhlich. Ausgesprochen gut fürs Gemüt.

Zum Großen Finale kommt nach und nach das gesamte Ensemble auf die Bühne und fällt in das angestimmte Lied ein, bis zum Schluss ein mächtiger Chor dem Publikum Major Tom mit auf den Heimweg gibt. Hach!

Wie passend. Zum Spiel. Und zu diesen Zeiten.

* Die Nabel (Näbel?) von Thalias Welt? Österreich, Italien, Niederbayern. Wer sonst?

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