Der Googlemops sagt mir, dass ich in knapp zwei Stunden sein werde, wo ich sein will. Wie schön, dann habe ich dort noch gut Zeit, um zu duschen, ein wenig zu ruhen und mich ins feine Gewand für die Hochzeitsfeier von Freunden zu werfen. Besser gehts gar nicht.
Eingepackt und losgefahren und ganz knapp vor der Auffahrt auf die Autobahn, auf der ich eineinhalb Stunden gemütlich auf die Schwäbische Alb zu gondeln gedachte, meldet das Navi, dass es auf meiner Strecke ein Zeitverluste verursachendes Hindernis gebe und es mich jetzt auf eine viel viel bessere Ausweichstrecke geleiten werde. Ich solle ihm glauben und hier abfahren, es wisse, was es tue.
Soweit ich das beurteilen kann, scheint es vor allem Lust auf eine sehr scenic route und nette kleine und kleinere Sträßchen zu haben. Die Dorflandschaft um Fürstenfeldbruck herum entfaltet sich in ihrer vollen Schönheit. Sunshine, Lollipops, Alleen, Misthaufen, Mähdrescher, aber sonst nix. Keinerlei Schilder, die auch nur entfernt darauf hinweisen würden, dass hier je mal wieder eine Autobahn kommt. Nur Zäune, über denen man noch nicht einmal schon seit drei Wochen tot hängen möchte und Menschen, die ihre Reinigungsarbeiten (Autos, Gehwege, Einfahrten) nur kurz unterbrechen, um dem vorbeiirrenden Münchner Auto einen scheelen Blick zuzuwerfen.
Ich habe mein Navi nie von Englisch auf Deutsch umgestellt, und so sehr es mich sonst erheitert, wenn es hiesige Straßen- und Ortsnamen verkauderwelscht, so sehr weckt es dieses Mal langsam mein Mißtrauen. Weiß es wirklich, wo’s lang geht? Vielleicht hat es ja Orientierungsprobleme? Es ist ja auch nicht von hier… Hmmm. Ich habe auf jeden Fall gar keine Ahnung, wo wir sind. Offensichtlich in einer von religiösem Fanatismus geprägten Gegend. Kein Ort ohne Kirche, Kapelle, mindestens aber Filialkapelle, Pfarramt, Burschen- und/oder Jungfrauenverein (doch echt) und überall ist Gott mit dir, du Land der BayWa. Bloß ich bin fremd. Zum Glück hatte ich vollgetankt. Noch könnte ich von hierwegkommen, wenn ich erst weiß, wohin. Grobe Richtung Westen, das geht bei dem Sonnenstand.
Alles wird gut. Sagt das Navi. Die Kavallerie kommt. Oder immerhin das, was es aus einem Kalvarienberg macht. Vollkommen gottverlassen. Ja. Kann ich nachvollziehen. Wir sind in Wenigmünchen angekommen. Nie war ein Ortsname treffender. Weniger München geht gar nicht. Aber noch gerade genug, als dass eine Odelzhausener Straße von dort wegführt. Mein Herz beginnt zu singen. Odelzhausen. Kenn ich. Da ist eine Autobahnauffahrt. Und wuppdich kann ichs wieder genießen. Sonnenschein. Blauer Himmel. Die Landschaft, wie hinter einem Goldfilter. Bäume in Glutfarben. Auf abgeernteten Feldern sprinkelt es diamanten. Leuchtende Raps- und Senffelder brüllen ihr Gelb in die Welt. Hach, ist das schön hier! Und da vorne ist ein Schild, das eine Autobahn verheißt. Yeah! Welt, wir haben einander wieder.
Der Mensch muß nicht in Ruhe ankommen oder gar ruhen. Er kann sich auch in unter 25 Minuten duschen, umziehen und schafft sogar noch fast eine Zigarette, bis der Shuttlebus zur Eventlocation abfährt. Ha!
Die anschließende Feier ist sehr schön und sehr entspannt. Es hilft, wenn auch das Brautpaar schon in der Lebensmitte angekommen ist. Dann fallen nämlich alberne Partyspiele und sonstige Hochzeitsbelustigungen weg und selbst ich kann beim Fest bleiben und muß mich nicht die halbe Zeit auf dem Klo verstecken, weil ich nicht mitspielen will. Danke!
Am nächsten Tag fahre ich über eine andere Strecke zurück und weil wieder die Sonne lacht, strahlen mich Sonnenblumen an und die dazwischen gepflanzten herrlich blauen Phacelia leuchten mit ihnen um die Wette und es ist gar herrlich schön und egal wie kitschig es klingt: Goldener Oktober ist und bleibt mein Lieblingsmonat.