Die Möglichkeit eines Schafs*

Das Häuschenvirus, unter Esoterikern und Managementratgeberautoren auch bekannt als “Extrementschleunigung” hat uns wieder voll im Griff. Es ist nichts los, dafür haben wir auch keine Pläne und absolut nix vor. Ein vorbeifahrender Traktor wird zum Faszinosum, die Diskussion über “Welcher Vogel fliegt da gerade?” kann Stunden füllen, zu den wirklich tiefschürfenden Bemerkungen zählt zum Beispiel “die Blumen dahinten gehen aber früh ins Bett.” Außerdem Schafe. Bimmeln. Bellen. Zwitschern. Mozart (wenn drüben im Haupthaus gekocht wird, Vivaldi beim Abwaschen). Sowie Katzen.

Keine Menschen.

Die Weilen werden lang und länger, die Zeit, eine Exhibitionistin erster Güte, genießt es, sich beim Verstreichen zuschauen zu lassen.

Wobei, so ganz stimmt das ja gar nicht. Heute zum Beispiel haben wir Pläne. Und zwar wie. Nein, nein, wir wollen weder nach Siena noch nach San Gimignano, was vor allem daran liegt, dass dort überall wahrscheinlich mindestens ebenso viele kulturbeflissene Touristiker umadum sind wie in Florenz. Christoph will das gar nicht erst erleben und letztendlich seien eine wie die andere “eh bloß mittelalterliche Städte mit Kirchen und Türmen”. Ich hingegen greife einfach auf die Erinnerungen an eine schon ganz lang zurückliegende Toskanareise zurück und muß mir drum diese neue übervolle Toskana gar nicht antun. Obwohl, das Foltergerätemuseum in San Gimignano hättte Christoph bestimmt gefallen.

Nein, wir haben Pläne, weil uns mangelt. Die Latte ist zwar noch nicht aus (s. hierzu auch: https://flockblog.de/?p=31218), man lernt ja, aber Saft und Brot und die Zutaten für unser last Supper am Samstag, die wir nicht aus dem hiesigen Gemüsegarten und der Käserei besorgen können. Insgeheim hoffen wir darauf, dass wieder ein netter Porcini-Mann am Straßenrand stehen möge, bei dem wir wie am Montag große Pilze kaufen können, aber dazu ist die Fahrt nach Radicondoli anscheinend doch zu kurz und die Gegend zu abgelegen.

Wir bekommen alles, was wir bis zum Sonntagsfrühstück brauchen werden im winzigen Zia Emma Laden und ich treibe das lokale Bruttosozialprodukt in ungeahnte Höhen, weil ich noch zwei weitere der insgesamt vier Geschäfte am Ort besuche und in der Tabaccheria eine Schachtel Zigaretten erstehe und in der Pasticceria cinquecento grammi gemischte cantuccini. Damit waren wir dann aber auch für den Rest der Ferien genug unter Menschen!

Zu Hause in der Capanna erwartet uns die Belohnung für seit Tagen den Katzen zuverlässig den Wassernapf auffüllen: wir dürfen uns zwei Liegestühle ausleihen. Sehr bequeme Liegestühle.

Jetzt a mal ganz ehrlich: warum sollten wir hier je wieder weggehen?

 

* Auf die Möglichkeit hin, dass auch heute wieder potentielle Schafe unten am Haus vorbei auf die Weide getrieben werden, hat Christoph bereits Stativ, Kamera und einen Filter aufgebaut, der die Herde dann als fluffig-weiße Wolke ablichtet.

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