Dystopie? Da steh ich drauf. Hat auch der Algorithmus gemerkt und mir mitgeteilt, dass “Leser, die sich für … interessieren, auch “Snowpiercer – The Graphic Novel” erstanden hätten. Die Geschichte des Zugs nach Nirgendwo klang interessant, und frau gönnt sich ja sonst nichts, als her damit.
Snowpiercer ist einer der wenigen Fälle, in denen der Film das Buch um Längen übertrifft. Es mag mit daran liegen, dass die Bilder beim Lesen, dem Medium geschuldet, nur statisch daherkommen; es liegt aber vor allem daran, dass der Regisseur Bong Joon Ho unglaublich starke Bilder findet, pars pro toto die Vorbereitung eines Kampfes mit dem Imprägnieren von Äxten im Blut eines Fisches.
Worum geht es? (Achtung, Spoiler!). Die Welt ist aus den Fugen. Der letzte chemisch induzierte Schlag der globalen Wissenschaft gegen die Erderwärmung hatte die nächste Eiszeit zur Folge. Die einzigen Überlebenden fahren in einer neuzeitlichen Variante der Arche Noah, einem Perpetuum Mobile-Zug, im Kreis. Vorne die Reichen und Schönen, hinten die Armen. Dann, natürlich, Revolte. Was aus den Massenquartieren am Zugende quillt ist schmutzig, grau, verkrüppelt, hungrig und elend und betritt, je weiter das immer kleiner werdende Häuflein nach vorne kommt, eine immer bunter werdende Welt, mit Obstplantagen, Fleischkühlhäusern und Aquarien, einem fröhlich-farbenfrohen Schulklassen-Waggon (die Kinder (und die Lehrerin erst!) überwiegend blond, blauäugig und in Rüschen gekleidet), einem Friseursalon mit dicken Schnatterdamen in Goldlaméumhängen unter Trockenhauben – alles wie in dem “guten Amerika” der Stepford Wives. Natürlich kommt es zum Showdown im steril kühlen Tempel der “Sacred Machine”, deren Erfinder (Ed Harris) lakonisch die bisherigen Maßnahmen zum Erhalt der “Balance” aufzählt (Massenmord, Hunger, blutige Niederschlagung von Aufständen), um dann dem letzten der Aufständischen anzubieten, sein Nachfolger als Maschinist und Gott zu werden. Nix da! Und doch: Nach über zwei Stunden endet die Geschichte mit einem Fünkchen Hoffnung.
Unbedingt anschauen! Anschauen! Anschauen! (Und große Freude an Tilda Swinton in wieder einer Paraderolle haben.)