Home sweet Home

Der Abschied von Therapeutinnen und Pfleger/innen gestern war herzzereißend. Selbst wenn ein Gutteil des Mitfreuens über den schnellen Heilerfolg dem professionellen Stolz geschuldet gewesen sein mag, aber daß fast jede/r nochmal rasch vorbeikam, um mich beim Auszug zu herzen und zu drücken, das war schon rührend. Ich bade ohnehin in einem Meer von Zuwendung: kaum war ich mit viel Ächzen und Stöhnen ins Auto ein-, war ich auch gleich wieder ausgestiegen, denn Toni und ich waren zum Mittagessen im Restaurant ums Eck. Richtiges Essen, mit Geschmack. Und weil alles gerade so gut lief,  anschließend beim Grocery Shopping. Toni ist stolz darauf, weder für Wehr- noch Zivildienst eingezogen gewesen worden zu sein, aber wie bei allem im Leben, rächt sich sowas… Ich finde ja, er ist als Zivi geradezu begnadet. Wagerle ans Auto stellen, Zeug hinterherschleppen, sich im Supermarkt nach Sachen bücken oder strecken, Teele kochen – you name it, er tut’s. Ich habe keine Ahnung, wie ich das je wieder gut machen kann.

Kaum daheim, mußte ich erst mal ein Schläfchen machen und als ich erquickt – nach zweieinhalb Stunden – zurückkehrte, bei den Nachbarn angeben und vorhinken, was ich schon alles kann. Worauf Carmen die extra-große Backform zückte und uns mit Lasagne bekochte und für mich noch einen schnellen Zäsarensalat zusammenschnibbelte, mit Croutons und Dressing extra, damit alles schön knackig bleibt. Wir treffen uns jetzt täglich auf ein check-in Schwätzle, man weiß ja nie und wenn ich mich nicht binnen 5 Minuten auf eine SMS rühre, steht sie da. Abendessen, Heute-Show und dann war für mich schon wieder Bettzeit, während Toni, der Allerguteste, an meinem Rechner die mal wieder längst fällige Maintenance übernahm. Wie gesagt, keine Ahnung, wie ich das je wieder gut machen kann.

Das war vielleicht eine Nacht! Eine meiner besten: keine Dämonen, kein Gefiepe, kein Schnarchen (wobei Toni angeboten hatte, das zu übernehmen, wenn Bedarf besteht), kein Rumgerenne auf dem Gang und niemand, der mich um 2:30 Uhr früh weckt, um meine “vitals” zu überprüfen. Blutdruckmanschette, Klipper auf dem Finger und Thermometer in den Schnabel und sich dann wundern, wenn der Blutdruck sehr tief und der Puls eher langsam ist. Aber immerhin war sichergestellt, daß ich damit immer pünktlich um halb vier mit dem Texas Ranger* bei den Nightwalkers mitschob.

Nein, ich habe viele Stunden geschlafen und dann meine ersten Spaziergänge unternommen. Bis zum ersten, zweiten, dritten Straßenreinigungsparkverbotschild. Bis ganz ans Ende der Straße und dann bis vor zur Angus und wieder zurück. Und meine Perimeter stetig erweitert. Heute Nachmittag dann schon mit Begleitung ganze vier Blocks marschiert – es wird zunehmend besser.

Ich bin total begeistert! Ich bin dem Genesungsplan eine gute Woche voraus und kann schon fast alles wieder alleine, wahrscheinlich sogar duschen, weil Toni heute mit einer Engelsgeduld in einem viel zu kleinen Badezimmer eine Duschbank für mich installiert hat. Sogar Wäschewaschen geht, wenn ich die Maschine mit dem Greifer be- und entlade und mir wer den Wäschekorb (Danke, Toni!) nach draußen trägt – aufhängen gildet schon wieder als Geh- und Stretchtraining. Ebenso abhängen, für den Rest engagiere ich Korbträger.

Morgen kommt ein Kollege mit seiner Tochter vorbei und sie haben frische leckere Lebensmittel vom Farmers Market angekündigt. Seit ich heute nun die Vertragsverhandlungen abgeschlossen habe, geht am Montag “Home Care” los, da kommen Physio/Ergo-Therapeut ins Haus und turnen mit mir, was ich alleine nicht turnen kann. Abends kommt ein anderer Kollege und bringt Essen – seine Frau kocht saumäßig gut und findet, daß jeder Mensch wenigstens eine wohlschmeckende indische Mahlzeit pro Tag essen sollte.

Für Dienstag hat sich die liebe Frau eines weiteren Kollegen angesagt, “to walk with you, chat with you, and make sure you’re well fed”** und am Mittwoch gehe ich ins Krankenhaus, damit der Doc seine Naht bewundern und die Klammern rausziehen kann. Dafür, daß ich krank zu Hause bin, ist richtig schön viel los. Wer mich auf skype sieht, klingle durch – ich freue mich über Gesellschaft! The more the merrier.

* So haben wir heute den Walker genannt. Meine Oxys machen so dermaßen saualbern. Oder ich war schon immer so. Weiß nicht. Krönung schräger Wortschöpfungen ist bis dato die “Bohnensäge”. (Im Englischen ein durchaus sinnvolles Wort: “bone-saw”. Im Denglischen einfach nur gut für einen mehrminütigen Kicheranfall, auch mehrfach. Carmencita, hast du vielleicht in die Lasagne noch was anderes gerührt als Nudeln, Tomaten und Hackfleisch?)

** Ganz fest im amerikanischen Denken verankert ist die heilende Wirkung von “Dishes”. Fertig zubereitete “homemade” Mahlzeiten in einer netten Portion auf einem Teller, den man zum Aufwärmen nur noch in die Mikrowelle schiebt.

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