Reisen auf amerikanisch

Von San Bruno nach Palm Springs sind es knapp 500 Meilen, also ca. gute 8 Stunden mit dem Auto oder ein lächerliches Stündchen mit dem Flieger. Von Häuschenhaustür bis Hotelzimmertür inklusive Flug und Übernahme des Leihwagens (wobei Avis aus dem bestellten Ford Mustang einen silbernen Chrysler 200 Convertible (hieß früher Sebring und war halb so cool) gemacht hat) haben wir knapp vier Stunden gebraucht. Und da waren wir dann, in Palm Springs, einer grottenhäßlichen Schachbrett-Retortenstadt mitten in der Wüste. Mit einem Flughafen, der aussieht wie eine Shopping Mall, 125+ sattgrünen Golfplätzen (mitten in der Wüste, das hatte ich schon erwähnt, oder?), einem Bevölkerungskonglomerat aus lederhäutigen Greisen mit dummen Mützen auf, Schwulen (selbst gesehen, wie der eine wohlgepflegte Klischee-Herr in Karo-Bermudas mit dem Hündchen auf dem Arm den anderen wohlgepflegten Klischee-Herrn in Karo-Bermudas am Flughafen abholt und letzterer das Hündchen mit den Worten herzt und knutscht “now your other Daddy is home, too, Sweetheart”) und betagten zähen Wasserstoffperoxidblondinen in Leopardenleggings auf High Heels, die faltigen Dekolletées mit viel zu viel dickem Gold behangen sowie schmuddeligen staubigen Vorstädten. Für’s spanischsprechende Personal. Ganz und gar grauselig. Man kann dort duschen und schlafen und schnell wieder wegfahren.

In die Wüste, genauer in den Joshua Tree National Park.  (http://1.usa.gov/2AOvHS). Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel chauffiert uns Christoph mit offenem Verdeck über die staubige kahle Route 62 zum Südeingang des Parks und in eine unwirkliche Traumlandschaft! Die “Flood”-Schilder und Sandsäcke sind noch nicht einmal final verräumt und in den “Washes” (das ist nix anderes als die Wadis im Oman, also Täler, die sich Wasser furcht) blüht die Wüste. Alle beeilen sich, treiben und blühen so schnell und so viel sie können, manche knicken unter ihrer schweren Blütenlast sogar um, aber es hilft nix, Wachstum muß sein, um jeden Preis; die Vegetationsperiode ist nur kurz und danach gibt’s bis zum nächsten Winter keinen Tropfen Wasser mehr. Wir halten am Straßenrand, gehen ein paar Schritte in unsere erste Wash und stehen in einem Farbenmeer auf grau-gelbem Sand, man meint, bei jedem Pflänzchen ein Wachstumsknirschen zu hören, denn kaum dreht man sich weg, ist es schon wieder ein bißchen länger oder hat ein buntes Blütchen mehr. Das fängt ja gut an!

So geht es auch weiter, wobei wir, weil wir doch nur einen einzigen Tag in dem ganzen großen Nationalpark haben, schon anfangen mit unserer Zeit hauszuhalten. Also vorbei an der “Fried Liver Wash” (den Namen finde ich einfach zu schön, um ihn unerwähnt zu lassen), die können wir heute Abend noch ansehen (Könner fahren die Strecke nämlich am Morgen von Süden nach Norden und am Abend wieder zurück, um alles noch einmal in einem anderen Licht zu sehen). Am “Ocotillo Patch” halten wir aber an und sind uns einig, das wir sowas noch nie gesehen haben. Wie beschreibt man diese Gewächse? Ein Ocotillo sieht aus, als habe ein des Zuhörens unfähiger Außerirdischer versucht, aufgrund der mangelhaften Beschreibung eines Schwachsichtigen einen Baum zu bauen und als sei es ihm gehörig mißglückt. Trotzdem irgendwie schön und auf alle Fälle sehr interessant. Ocotillos haben zum Beispiel das Konzept der Jahreszeiten für sich abgeschafft und grünen und blühen mehrfach im Jahr, sobald sie eines Tröpfchens Wasser habhaft werden.

Gleich ein paar Kurven weiter liegt der “Cholla Cactus Garden”. Mit ein wenig Distanz mutet das an wie eine Ansammlung puscheliger brauner hellgrün bemützter Krüppel-Teddy-Bären in allen Größen. Aus der Nähe haben sie eisenharte Stacheln und pieken gottserbärmlich (steht auch auf allen Warnschildern). Wir waren kurz davor, für die Website des Nationalparks ein Lehrvideo von der Dame (Typ: bei der Längenverteilung zurückhaltend gewesen, aber bei Körbchengröße D gleich zwei Mal “Hier” geschrieen) zu drehen, die sich nach einer Kaktusnahaufnahme (weit vorgebeugt, damit das Bild auch ja gelingt) fluchend wie eine gesamte Flugzeugträgerbesatzung von ihrem Begleiter die Widerhakenstacheln aus der Brust ziehen ließ. Leider kein Video, das wäre aufgrund der hiesigen Regeln hinsichtlich des Gebrauchs von Vierbuchstabenwörtern nie und nimmer jugendfrei geworden und somit als Lehrfilm für Junior Ranger ungeeignet.

Nach dem Berg kommen sie endlich: die Joshua Trees. Sie sehen aus, als hätten Kinder aus der Gruppe für manuell unbegabte (“challenged”) Schratzen sich nach dem Motto “ich mach mir die Welt, widde widde wie sie mir gefällt” einen Wald aus Abfallhölzchen gebastelt. Am Split Rock (ein Sandsteinfelsen, groß wie ein Einfamilienhaus mit einem Spalt in der Mitte) picknicken wir, wobei ein kräftiger Wind uns schier das Brot aus der Hand bläst und erklimmen frisch gestärkt den 5185 Füße hohen “Keys View” (also die paar Meter, die nach dem Parkplatz noch bleiben). Leider hat Los Angeles mal wieder kräftig Smog produziert und die Fernsicht ist sehr vernebelt, auch Mexiko hält sich bedeckt. Dann halt nicht, dann suchen und finden wir eben das “Hidden Valley” (bei den vielen Hinweisschildern hat es das Tal mit dem Verstecken wirklich nicht leicht). Christoph merkt an, daß ihm der Verlust eines Pferdes eher peinlich sei und er nicht gerade seine Mine danach benannt hätte (“Lost Horse Mine”), aber die Zeiten waren wohl andere und wir fahren da eh nicht hin, denn da ist heutzutage ein Trailhead. Wanderwege gibts hier wie Sand am Meer, von schwierig bis geradezu saumäßig ekelhaft, und wer nicht wandert, der klettert. Buntgekleidete Helmträger hängen in jedem Felsen, “wie die Fliegen”. Wir sehen sogar einen High-Liner, der auf seinem Seil zwischen zwei Gipfeln hin- und herturnt. Der dürfte es an diesem Tag zum meistphotographierten Menschen im Joshua Tree Nationalpark gebracht haben.

Ich beschränke mich darauf, Felsformationen wie “Jumbo Rock” und “The Skull” von unten abzulichten, mal mit, mal ohne Christoph darauf und wir sind total begeistert, wie schön sie alle daliegen im späten Nachmittagslicht. Noch einen Rückwegsabstecher zu den Cacti (der amerikanische Plural wird “Käck-Tei” ausgesprochen und ich muß dabei immer an ein Werkzeug für Bedürfnisanstalten denken – nicht zuletzt, weil der einzige Kojote den wir sehen, gerade am Straßenrand kackt), einen zu den Ocotillos und dann suchen wir uns einen Platz mit ganz wenig Lichtverschmutzung für unser Wüstensternenhimmelpicknick. Irgendwas haben die beim Vorbestellen scheint’s mißverstanden: wir wollten doch klaren Himmel. Nicht winterkalten Wind. Aber immerhin, Mars, Venus, Jupiter, ein dicker Halbmond und ein bißchen Orion und Großer Wagen schaffen es durch die Wolkendecke und bevor wir ganz verblasen sind, beschließen wir, daß das für heute genug Gestirn ist und machen uns auf den Rückweg.

Unser Rückflug hebt vom John Wayne Airport in Santa Ana ab und wir haben den ganzen Sonntag Zeit, um dort hinzukommen. Bevor wir uns aber auf den Mount San Jacinto hinaufwagen, sollten wir noch einmal tanken. Warum nicht in Banning?

Warum nicht in Banning? Dafür gibt es viele gute Gründe: erstens, eine von den beiden Tankstellen ist aufgegeben worden, was neben uns auch die “Rare Breed”-Harley-Gang wenig amused feststellt. An der anderen treffen wir auf die “Arizona Outcasts”; so wie die sich gerieren, sind sie grundsätzlich not amused, egal wovon. Schnell tanken. Und weiter. Rechts und links der Straße liegen verlassene Häuser mit eingeschlagenen Fenstern und – ganz schlimm – ein Spielplatz, auf dem die Geräte herausgerissen und verbogen vor sich hinrosten und eine Räude mit etwas Resthund darunter gerade ihre Notdurft verrichtet. Banning ist keine sterbende Stadt, Banning verwest bereits.

Mit vollem Tank schrauben wir uns durch die Mount San Jacinto State Wildernis auf die diversen Gipfel. Auf ca. 6000 Fuß Höhe halten wir an, um von einem Schneefeld aus noch einmal einen Blick auf Banning zu werfen (man kann das Grauen steigern…) und fahren dann via Hemet (nicht ganz so gräßlich) zum Diamond Lake, an dessen Ufer Menschen wohnen, die die Anwesenheit eines Sees leugnen. Es gibt keinen Zugang zum Wasser. Macht nichts, wir wollen eh noch zum Lake Elsinor (weil der Name so schön nach Edgar Allan Poe klingt – “says the Raven ‘Elsinor'”), um dort nett auf einer Seeterasse Kaffee zu trinken. Irgendwann möchte ich verstehen, warum Amerikaner eine solche Abneigung gegen Cafés am Wasser haben. Keine 200 Meter landeinwärts gibt es jede Menge Restaurants (Mexican, Mexican and Mexican), aber am Wasser? Nichts, ничего, nada, niente. Warum nur? Wurscht, wir holen uns was auf der Elsinorer Main Street, setzen uns da in die Sonne und erspielen uns den Seeblick. Pah!

Weil uns Toni trotz seines schlimmen Hustens am Sonntagabend am Flughafen abholt, sind wir 48 Stunden später wieder am Ausgangspunkt, um eine Wüste, ein paar Bergketten und die Banning experience reicher.

So geht Reisen auf amerikanisch.

Photos? Irgendwann verbringe ich mal nicht lieber Zeit mit zu Besuch weilenden Freunden, bin ganz und top gesund und wenn es darüber hinaus regnet, ist das dann der richtige Zeitpunkt für Photos. Irgendwann. Stay tuned.

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