Sonntagfrüh, kurz vor 09:00 Uhr. Ich entsteige gerade tropfnass der Dusche (ohne Hot Tub muss frau sich ihren Dampf holen, wo sie ihn kriegen kann), als es Sturm klingelt. Einmal, zweimal, fünfmal, es mag gar nicht mehr aufhören. “Schon wieder ein Leck in einer Gasleitung?” ist der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schießt (wir San Brunoians sind gebrannte Kinder), und “typisch, dass man dann mit nassen Haaren im Bademantel vor seiner Hausruine steht”. Also notdürftig abgetrocknet, den Bademantel umgeworfen und ein Handtuch um den Kopf gewickelt (man will ja im Katastrophenfalle der Kleiderordnung genügen) und zur Tür.
Dabei den zweiten Gedanken hegen, nämlich dass hier eigentlich nie jemand klingelt, sondern klopft (und das tunlichst auch und gerade dann tun sollte, wenn wirklich irgendwo Gas austritt). Und wenn’s ernst wäre, hätte wohl auch wer gerufen. Klingeln tut eigentlich nur meine greise Nachbarin Lyn. Und richtig. Da ist sie ja, immer noch auf dem Wegerl durch den Vorgarten, weil sie sich wahrscheinlich bei jedem Schritt auf ihrem Rückweg noch einmal umgedreht hat. Denn, so ihre Logik, das Auto steht in der Einfahrt, also bin ich daheim. (Dass berufstätige Menschen am Sonntagmorgen auch mal ausschlafen hätten können wollen, kam ihr nicht in den Sinn.)
Da steht sie vor mir, klein und hutzelig mit Plastikregenhäubchen auf und konstatiert ohne jede weitere Einleitung: “I figure you are lonely.” Ah so? Bin ich das? Aber keine Angst (wörtlich: “you must not fear”), heute Nachmittag kümmert sie sich um mich, und wir zwei Mädels werden Spaß haben. Ah so? Werden wir? Wie das? – Aber hallo! Und wie wir werden. Bei Sheila ist nämlich “Girl’s talk over coffee” und Sheila habe sie gebeten, eine Freundin mitzubringen. Ah so? Und das wäre dann ich? Und who the f’**k is Sheila? Nun ist Lyn aber entrüstet. Jeder kennt Sheila! Die macht allen im Altersheim die Haare! Ach, DIE Sheila. Klar. Ja dann… Ich kenne sie nicht, aber das wischt Lyn als Nebensächlichkeit beiseite. Außerdem, meint sie, mit einem kritischen Blick auf meine strubbeligen Haare (Kunststück, ich reibe sie gerade trocken), ein “Trim” schade ja nie, da könnte Sheila auch gleich die Schere anlegen.
Das tut mir jetzt aber leid! Ich bin nicht einsam, sondern nass, mir wird kalt und heute Nachmittag bin ich schon mit dem Cirque du Soleil verabredet. Nix is’ mit Sheila. Lyn ist ein bißchen beleidigt. Da macht sie sich schon die Mühe und dann habe ich schon was anderes vor. Hmmm. Aber dann hätte ich ja wohl noch Zeit genug, die Kürbisse wegzuräumen, die noch hier herumliegen (anklagender Zeigefingerzeig). Halloween sei ja schon längst vorbei. Ist recht, Lyn. Mach’ ich bei Gelegenheit mal. Jetzt gehe ich aber ‘rein und ziehe mir was an.
Keine Ahnung, was ich bei dem Mädelsnachmittag verpaßt habe, aber schöner als “Totem” kann’s fast nicht gewesen sein. Sonnenzirkus goes Ethno, großes Leit- und Rahmenthema ist Evolution und bis auf eine Glitzer-Disco-Nummer, die nicht so recht gepaßt hat, sind alle toll! Pocahontas, die Hula-Häuptlinge, die Froschtrapezisten, der Leuchtball-Tessla-Jongleur, die Gerippe-Akrobaten und die Band. Die Bühnenbauer durften sich nach Herzenslust austoben und die Kostümbildner nicht minder. Sehr sehr schön.
In Vegas laufen als “Resident Attraction” die Cirque du Soleil-Programme “Kà” und “O”. Sieht so aus, als stünde im Frühjahr mal wieder ein Trip nach Nevada an…