“This is, like, Lake Tahoe” 1/2

erläutert ein Biker seinen umstehenden Freunden, die sicher von alleine nicht draufgekommen wären. Ein bißchen lästig sind die schon: ich liege hier am Seeufer und mache ein Mittagsschläfchen bei Wellengeplätscher und Vogelsang und dieser Wichtigtuer hat seinen Trupp direkt hinter meinem sanft beschatteten Bänkchen aufgestellt, lärmt rum und schwätzt dumm (oder heißt das “dummschwätzt”?).

Ein wenig Entspannung haben wir uns verdient: wir sind Freitag gegen Mitternacht (Toni möchte erwähnt wissen, dass es ganz einfach sei, die Strecke in knapp vier statt 24 Stunden zu schaffen – obwohl der Weg wieder (wir haben dieses Mal die I-80 genommen, von der I-50 haben wir vorerst die Schnauze voll) von Umleitungs-Leuchtschrift-Schildern (mir ist angesichts des ersten ganz anders geworden) gesäumt ist. Wir sollen SOFORT das Radio einschalten auf AM 1620 habe man uns was zu sagen. Oha? Auf AM 1620 nuschelt sich eine Dame mit Störgeräuschen durch eine Detour-Meldung, die wir auch beim 5. Mal anhören nicht wirklich verstehen. Irgendwas ist in Nyack: Busse, Trucks und local traffic sollen in die rechte Spur. Wir sind nichts davon und bleiben links, was uns (das ist die Umleitung) auf die entgegenkommende Seite der Interstate bringt. Mit dem Effekt, dass das Navi nun vor Panik beinahe ausrastet, weil es wohl dem Radio nicht zugehört hat und uns für Geisterfahrer hält. An Emigrant Gap vorbei nehmen wir wie vorgesehen die Abfahrt zur Donner Road – und stehen vor dem traditionsreichen Truckee Hotel.

Alles ist gut. Rob (steinalt mit dickem weißen Rauschebart und Pferdeschwänzchen) checkt uns ein, unterweist uns in die Hausregeln: “no smoking of pets in the rooms” und wir gehen auf ein Nightcap in die American Bar gegenüber, wo gerade eine Live-Band Hank Williams vergewaltigt.

Das Hotel hat sich in den letzten 138 Jahren erfolgreich allen Renovierungsversuchen widersetzt, die Böden und Treppen sind schief und krumm, der augenarztpflichtige Teppichboden hat die Räude, überall blättert was ab, Waschbecken und Toiletten sind auf einer Höhe angebracht, die kleinwüchsige Menschen in einen Glücksrausch versetzen könnte und es gibt nichts, was nicht knarzt, knackt und quietscht. Ungefähr stündlich rattern – laut pfeifend – ellenlange Züge der Union Pacific Railroad Company vorbei und gegen 2:00 Uhr morgens fangen die Aussteller der “Famous Truckee Arts and Crafts Fair” an, ihre Stände aufzubauen. Leider verstehen sie einander nicht blind, sondern arbeiten eher auf Zuruf (“Get your darn vases out of my way, you knucklehead!”) und mit voll aufgeladenen Akku-Schraubern. Man kann getrost von einer sehr unterhaltsamen Nacht sprechen.

Morgens besichtigen wir Truckee (das ist wirklich ein hübsches Städtchen) und Toni findet eine wunderbare Route am Truckee River entlang. Mann, ist das schön hier. Zwischen den dunklen hohen Redwoods  flirren Birken im Sonnenlicht und streuen Lichttupfen, das Flüßchen springt und sprudelt unbegradigt in allen Farben zwischen dunkelnachtblau und flaschengrün in seinem steinigen Bett – och, echt? Wir sind schon da? Tahoe City war Mitte Mai noch ein verschlafenes Bergstädtchen im Squaw Valley, jetzt geht hier der Punk ab. Hiker, Biker, Aqua-Sportler in bunten Outdoor-Klamotten, Strandfaulenzer, Rieseneisportionenesser, Kanuschlepper, FlipFlop-Teenies, Harley-Biker mit dicken Bärten,  bunten Bandanas und Tattoos, Gehhilfen-Greise und Toni und Sabine, die irgendwo mitten im Trubel was essen, flanieren und See und Leut’ anschauen. Und dann einen eigenen menschenleeren ruhigen Strand weiter südlich suchen, zum Dösen und Wasser treten.

Wie? Was? Was soll das denn jetzt? Da erklärt dieser Fahrrad-Lärmbatz seinen Kumpels die Bäume (“Wald”) und das andere Ufer (“Nevada”) und brüllt schließlich wie ein Viehtreiber “C’mon, guys- let’s ride. Yeeehhaaa!” Ich kann bekanntermaßen überall und immer schlafen und wache dann im allgemeinen selbständig wieder auf. Aber so? Wegen dem Brüllaffen wäre ich beinahe von der Bank gefallen.

Dennoch, so ein Schläfchen kräftigt, let’s ride. Durch die Wälder, am See entlang. Hier abbiegen, da ist der erste Vista Point an der Emerald Bay (über Vikingsholm). Emerald bedeutet Smaragd, das ist aber für dieses Farbenspiel noch untertrieben. Grünschattierungen, kontrastiert von goldgelben Sandstränden, Granitfelsen, dunklen Riesennadelbäumen, mitten in der Bucht ein Felsinselchen mit Birken und allerlei Blühendem – traumhaft schön. Über uns kreisen Ospreys (Fischadler), im Gras flitzen Eidechsen herum, um jedes Blümchen summt und brummt es, die Eagle Falls rauschen, die Sonne lacht, der See glitzert und funkelt, hinten am Horizont geht der volle Mond auf – eine rechte Augenweide.

Den Abend beschließen wir in South Lake Tahoe, von hier aus geht es morgen aufs Schiff.

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