Freitags lerne ich seit neuestem entspannen (in der Volkshochschule).
Der Veranstaltungsort ist eine Rumpelkammer im Hinterzimmer einer Musikalienhandlung, fensterlos, dafür ist eine Wand voll verspiegelt. In dem Raum ist alles, was gerade woanders im Weg war (ein sehr buntes Sammelsurium aus Instrumenten, Kostümen, Verstärkern) sowie drei im Halbkreis auf einem Berberteppich (made in China) arrangierte Stühle. Und ein Zweimetermann im weißen Karateflatterdress und hüftlangen Rastalocken, mit zum Willkomm weit ausgebreiteten Armen. Aha.
Wir sind drei “students” (“threeeee only – verryyy goooood for medidation”): Erin, unruhig, zappelig, angespannt, permanent zwinkernd. Mary (man kann sie eigentlich nur in Diminnuitiven beschreiben), ein alterslos wirkendes Püppchen mit Stupsnäschen und hüpfendem Pferdeschwänzchen – es fehlt eigentlich nur noch das Karoblüschen, ein Röckchen mit wippendendem Petticoat und James Dean. Die dritte im Bunde bin ich.
Der “Master” (“don’t consider me your Master, I want to be your coach”) hat in allen estorischen Richtungen mehr oder minder erfolgreich dilettiert, in den ersten 5 Minuten machen wir einen wilden Parforceritt durch die Kabbalah, Tai Chi, Chi Gong, die Weisheit der Native Amercians im allgemeinen und der Cherokee im besondern, diverse japanische Schulen (“Karate and other stuff, you might not have heard of anyway”), Brahmanen und andere Inder, a bissele Voodoo (“nothing to be afraid of, you just need to learn how to deal with the dead”), die Intelligenz des Ghettos (“it’s all about surviving and to find a way out”), Ernährungswissenschaft, Purification (“Cleansing”, ganz wichtig, innen und außen), Gott (mono) und Götter (poly), seine Tourneetouren mit Kassandra Wilson durch Europa – anschließend brauchen wir dringend die erste Entspannungsübung.
So geht das muntere eineinhalb Stunden weiter. Erin ist vollkommen irritiert und steigt vollends aus, als unseren Organen Farben und Laute zugewiesen werden und wir sie gemeinsam freisingen. Ich finde die Milz ganz witzig, sie heißt hierzulande “spleen”, ist knatschgelb und macht “huuuuuuuuuu”. Mary kennt das alles, und fragt immer im Detail nach, welche Duftkerzen denn für bestimmte Rituale eingesetzt werden sollen (bei Weihrauch verweigert sie sich aber doch, davon müsse sie kotzen), und ob die Schüssel mit dem geweihten Wasser unters Bett oder auf die Fensterbank gehört und was davon denn nun wirklich gegen eine “very angry person” im ganz nahen Umfeld hülfe. Stellt sich raus, dieses Persönchen hat einen 20 Jahre alten Sohn, der sich freiwillig zur Infanterie und zum Einsatz in Kandahar gemeldet hat (“because he likes to blow up things”) und der in zwei Wochen wieder nach Hause kommt. Der Master schlägt vor, den Infanteristen mit Rosenduft zu räuchern, dann werde er umgehend friedlich wie ein Lamm. Ich habe wirklich viel Phantasie. Bei der Vorstellung allerdings kapituliert sie.
Ein Abschlussgebet (auf arabisch) und Hausaufgaben. Erin soll ein Bad nehmen (geht nicht, sie habe nur eine Dusche – Erin mag nicht mehr), Mary Rosenblätter trocknen und geweihtes Öl besorgen, ich eine weiße Schüssel mit Wasser (Leitungswasser ist okay) unters Bett stellen, damit ich besser schlafen kann. Ab jetzt sei er immer für uns da, wir können ihn jederzeit anrufen, wenn wir spiritueller Weisheit bedürfen. Als er uns seine Nummer gibt, frage ich nach seinem Namen – “Anthony” – ooops, das ist ihm so ‘rausgerutscht – “you call me True – T R U E” (eigens noch mal buchstabiert).
Also, ich gehe da wieder hin.