War früher alles besser?

Früher hätte sie auf dem aus dem Wochenblättchen ausgeschnittenen und sorgsam an die Pinwand gehefteten Tidenkalender nachgesehen, ob das Wochenende eine gute Zeit fürs Tidepoolen ist und wenn ja, hätte sie Eimerchen, Schäufelchen, Karodecke und je ein Sortiment Strandkleidung (für warm und für brrrhhhh) in den Kofferraum gepackt und wäre ins Blaue gefahren. Das Blau hätte sich, kaum daß sie über dem Hügel gewesen wäre, als Grau entpuppt, Meer und Himmel eine Matsche und wäre sie doch ausgestiegen, hätte sie der überraschend kalte Wind fast umgeblasen. Möglicherweise hätte sie das Beste daraus gemacht, das heißt, auf dem Steg in Pacifica im Büdchen ein Heißgetränk zu sich genommen, bevor sie ohne Tidepools wieder auf die sonnige Seite der Peninsula zurückgekehrt wäre.

Heutzutage guckt sie kurz auf die Webcam und sieht die graue Matsche sowie den sonnigen Garten hinter dem Haus und denkt sich, wie sehr ihr die Tidepools unter diesen Voraussetzungen gestohlen bleiben können. Das spart Zeit und Sprit und ein Heißgetränk kann sie wahrhaftig auch zu Hause brauen.

Titan

Jetzt ist es schon fast drei Monate her, daß ich meine Hüfte habe upgraden lassen und ich merke ständig, wie gnädig das menschliche Erinnerungsvermögen ist. Die Mühsalen der ersten Zeit sind zu Anekdoten geworden, wie die von dem Tag, als Toni mich aus der Reha abholte und meine Muskeln noch so schwach waren, daß mir die Fliehkraft in der ersten Kurve das Bein verrissen und die Hüfte schier ausgekugelt hätte. Alles vorbei, alles schon fast wieder gut. Das beste ist, daß ich keine Schmerzen mehr habe. Nicht, wenn ich gehe, nicht, wenn ich turne, nicht, wenn ich mich bücke, nicht, wenn ich aufstehe, nicht, wenn ich ein Pedal trete – ganz egal, ich bewege mich einfach ganz normal. Ende Juli ist offiziell meine “Schonfrist” um und meine Physiotherapeutin Laura* hat sich vorgenommen, mich innerhalb der nächsten zwei Wochen wieder Treppensteigen zu lehren. Um mir den Schonablauf auszutreiben – nix mehr ein Fuß auf die Stufe und dann den anderen nachziehen – machen wir in jeder Stunde “Silly Walks”. So silly, John Cleese wäre stolz auf mich.

Morgen will ich zum ersten Mal seit gefühlten Ewigkeiten wieder zu den Tide Pools. Am Meer sein, ohne Stock und Rumeiern und Schiß vorm Ausrutschen, weil das Bein auf unebenem Gelände nicht trägt. Ich freue mich schon so dermaßen.

* Beim ersten Termin hat sie sich mit breitem Grinsen erkundigt, ob ich wisse, wofür “PT” stehe und gleich selbst die Antwort gegeben: “Pain and Torture”. Laura ist eine Frau nach meinem Geschmack. Im Gegensatz zu manch anderem amerikanischen PT hat sie keine Bedenken, daß der Patient sie womöglich verklagt, wenn sie nicht ei-tei-tei macht und Schmerz vermeidet. Sie setzt eher darauf, zu erklären, warum was wehtut und was wir gemeinsam dagegen unternehmen. Wie gesagt, Laura ist eine Frau nach meinem Geschmack.

Früher war damals, heut’ ist heut’

Früher hätte ich auf die Ankündigung “Sportlehrer verhindert, Stunde fällt aus” mit Freude reagiert. Noch nicht mal klammheimlich, sondern laut und offen. Wenn unsere Desha sich heutzutage rezertifizieren lassen muß und am Samstag nicht kann, dann treffen Jan und ich uns einfach trotzdem in Jans Pool und turnen halt ohne Aufsicht – es ist ja nicht so, daß wir das nicht schon lange genug täten und die Abläufe nicht blind beherrschten. Wir waren sehr stolz auf uns und haben uns hinterher als Belohnung bei guten 30°C Lufttemperatur im Hottub auskochen lassen und waren nach einer halben Stunde gar und seeehr entspannt.

Ich möchte wirklich nicht in so einem Appartmentkomplex mit Türcode und Wachmann und Eigentümerversammlung wohnen, aber jederzeit Zugang zu Pool und Hottub hat schon was…

Summertime, and the living is freezy

Es ist heiß-heiß-heiß. Und wie reagieren die amerikanischen Hitzephobiker? Sie drehen die Klimaanlagen bis zum Anschlag runter wegen kalt-kalt-kalt. Wenn man den Eingangsbereich unseres Office Parks betritt, frieren die verschwitzten Klamotten sofort am Körper fest. Das ist allerdings noch nichts gegen die Toiletten. Da riskiert man Gefrierbrand.

Bei uns im Büro steht die Raumtemperatur in direktem Bezug zum Anwesenheitsverhältnis von Eingeborenen und Zugereisten aus aller Welt. Sind erstere in der Überzahl, erkennt man letztere nicht etwa an der Hautfarbe, denn die changiert bei allen ins Bläuliche, sondern daran, daß sie Schals und Jacken tragen und regelmäßig nach draußen gehen, um sich ein bißchen aufzuwärmen. Verkehrt sich das Verhältnis, tragen wir im Hochsommer auch mal Sommerkleidung und die Amis schwitzen und hecheln. (“Is it me or is it hot in here?”, wedel, wedel, wedel.)

Meine Erkältung ist seit letzter Woche kein Stück besser geworden. Trotz aller Gegenwehr und -maßnahmen huste, niese und rotze ich wie am ersten Tag. Is it just me oder liegt es womöglich daran, daß mein Schreibtisch direkt unter einem Eisgebläse steht?

Wann ist ein Mann ein Mann?*

Ein echter Kerl zieht des Morgens in die Wildnis, Zombies und anderes Gschwerl zu erlegen. Am Abend daheim nimmt er eine leichte Mahlzeit aus Fleisch, Fleisch und Fleisch zu sich, abgerundet mit Süßkram und Salzgebäck. Dann guckt er mit den Kumpels anderen Männern beim Ballspielen zu oder sie zocken und konsumieren dabei alkoholische Getränke.

mancrateWoher ich das weiß? Von den echten Männern, die Kisten für echte Männer verkaufen: http://www.mancrates.com/shop. Inklusive Stemmeisen. (Als Alternative zu “weibischen” Geschenkkörben.) “There is no order too crazy and no idea too outlandish for us to consider.”

Wie ich darauf gekommen bin? Weil ich morgens auf dem Weg zwischen San Carlos und Büro Beifahrerin bin und meinen Blick schweifen lassen kann. Auf den mannshohen goldenen Buddha zum Beispiel, den es aus unerfindlichen Gründen in den Vorgarten des persischen Medallion-Teppichhandels verschlagen hat. Oder auf ein recht derhautes Gebäude, in dessen Fenster ein funkelnagelneues Banner von “Awesome Gifts for HIm**” kündet. Der Rest ist Research.

 

* Der Dank für das Motto geht an Häbbät G.

** Die Schreibweise habe ich exakt so übernommen und auf Material für einen weiteren gotteslästerlichen Blogpost gehofft. Hat nicht sollen sein.

Gelesen: World of Trouble: The Last Policeman Book III

Der Meteorit wird in zwei Wochen einschlagen und dann ist die Erde, wie wir sie kennen, Geschichte.

Zu lesen und zu bedenken, was das mit Hank Palace, dem Last Policeman und den Menschen macht, auf die er auf seiner letzten Reise trifft, ist bereichernd.

Das muß man lesen.

Larger than Life

Ich komme noch aus einer Zeit, wo es üblich war, Dicke sofort nach Betreten eines Bekleidungsgeschäfts nach hinten in die Übergrößenabteilung abzudrängen und ihnen zügig was Sackartiges in Schwarz überzuwerfen, weil “das kaschiert”. Auswahl? Modisch? Stilvoll? Hübsch, gar? Alles Fremdwörter, wenn es darum ging, einen runden Menschen zu bedecken. Dann kam das erste Aufbäumen und “molly-chick”. Ein gräßliches Wort, das nur dafür stand, daß die schwarzen Säcke gegen grellfarbige in migräneauslösenden Blumenmustern aus Kunstfaser ausgetauscht wurden. Modisch oder gar zum Typ passend war immer noch nichts.

Schiere Profitgier trieb die Textilindustrie schließlich dazu, die durchaus finanzstarke Zielgruppe “Starke Frauen” zu umgarnen (hihi Wortspiel). Ein Abnäher hier, ein paar Zentimeter Stoff mehr da, gute Stoffe, vernünftig verarbeitet und das alles angeboten in einer Auswahl an Farben und Mustern, so wie es für Dünne schon immer üblich war. In den USA werden diese Modelle als “Woman” bezeichnet, kenntlich an dem *W* neben der (konventionellen) Größe und in Abgrenzung zu “petite” oder XS (Knochengestell bzw. Veronica Beckham). Ich habe mich allerdings immer schon gefragt, was das dann aus den anderen Frauen macht, die in der Konfektionsgröße irgendwo zwischendrin angesiedelt sind. Sind das keine Women? Soll aber nicht meine Sorge sein, denn jüngst hat ein Anbieter es hier echt auf die Spitze getrieben. Nix mehr übergroß oder molly-chick oder sonstwie verschämt. Bei denen heißt das: “Goddess Sizes available at no extra cost!”

Wahrscheinlich inspiriert von Freya, Juno und Hera, dem Vernehmen nach alle drei sehr gstandene Weibsbilder. Ob die da bestellt hätten?

Guter Rat

“Be good” (ganz genau, so wie in “Jonny, be good”) bedeutet ungefähr sowas wie “benimm dich” oder “sei brav”. Etwas näher am Leben scheint mir die Variante, die ein Freund seinen Söhnen mit auf den Weg zu geben pflegt. “Be good. And if you can’t be good, be careful.”

(Wenn du dich schon nicht gut benehmen kannst, dann paß wenigstens gut auf.)