Neu im Fernsehen: “Battle Creek”, “Backstrom”, “No Offence”

Wenn Fernsehserien nicht verlängert werden, dann sind sie entweder von Joss Whedon und/oder viel zu intelligent / sarkastisch / visionär*. Wenn dann auch noch die Einschaltquoten wegen dummer Sendeplätze nicht stimmen, ist das für die Entscheider in den Senderzentralen schlimmer als der Gottseibeiuns, denn wenn Werbeeinnahmen zurückgehen, schrumpfen ihre Boni. Bewährte Gegenmaßnahme: Serie canceln, in der letzten Folge einen unglaubhaften Schluß draufkleistern, Sabine verärgern. Im Laufe des letzten Winters** habe ich mich durch die ersten Staffeln zweier Polizeiserien geguckt. Immer hatten die Helden eine traumatische Jugend und leben darum Ticks bis hin zu schwerst psychopathischen Verhaltensmustern aus (Dr. House ist dagegen ein Lämmchen). Dazu ein Rudel schräger Sidekicks, eine so gut wie hundertprozentige Aufklärungsquote und fertig ist der Polizist, der in seiner Funktion als Recht und Gesetz unbarmherzig und hart gegen Verstoßer und Beuger vorgeht. Aber immer auch Human Touch, also lieb sein zu Witwen, Waisen und Straßenkötern. Ganz wichtig.

So funktioniert “Battle Creek”, wo ein ungleiches Ermittlerpaar (FBI-Poliert-Bubi und desillusionierter Schmuddel-Cop) in einer heruntergekommen Kleinstadt in Michigan mit sehr unterschiedlichen Ansätzen gemeinsam erfolgreich Ganoven jagt. Battle Creek ist übrigens von Vince Gilligan, der auch “Breaking Bad”geschrieben hat; hat aber, im Gegensatz zum Meth-Renner, keine Zeit bekommen, sich überhaupt zu irgendwas zu entwickeln. So funktioniert auch “Backstrom” im verregneten Portland, dessen Hauptdarsteller Rainn Wilson der legitime Erbe von Jack Nicholsons sardonischem Grinsen ist. Außerdem Säufer, Raucher (!) und im steten Konflikt mit seinem Sheriff-Dad, ein Typ, gegen den John Wayne ein wenig unmännlich gewirkt hätte. Indianer kommen auch vor.

“No Offence” hebt sich von den anderen beiden Serien ab. Erstens spielt sie sie in Manchester, England, England*** , zweitens werden die Ermittler und -innen von einer starken Frau geführt und drittens fehlt noch eine Folge zum Season Finale der ersten sehr spannenden Staffel. Bin gespannt, wie sie das auflösen. In der ersten Folge gabs noch ein paar dumme und unnötige Slapstickmomente, aber den Unfug haben sie inzwischen bleiben gelassen und sich zu einer guten Polizeiserie gemausert. Eine zweite Staffel wird derzeit “diskutiert”.

Werte Fernsehverantwortliche: wäre die Welt nicht ein bißchen besser, wenn nicht Stars wo rausgeholt werden oder Bachelors und Bacheloretten an die Frau/den Mann gebracht werden müßten? Ich könnte auch gut ohne Heidi Klum leben oder bösartige Jurys bei Talentwettbewerben. Die freigewordenen Sendeplätze könnte man doch mit, ich sach mal, Qualität füllen. What think?

* Eine kurze und überhaupt nicht repräsentative Umfrage in meinem Bekanntenkreis führte zu dem Resultat “das red’ ich mir auch immer ein, wenn sie mir eine Serie absetzen”.

** Winter erkennt man im Dürrekalifornien daran, daß es früher dunkel wird und die Nächte kühler sind als im Sommer. Tagsüber ist es sonnig, warm und trocken, vor allem letzteres (außer im Mai/Juni, da ist es neblig und äh).

*** Ich verstehe inzwischen fast alle amerikanischen Akzente und kann sie zuordnen. Englisch von der Insel hingegen? Uiuiui…

Tea Time

Toni geht in die Küche, Tee kochen. Der übliche Ablauf wäre Wasserkessel aufsetzen, Gas anmachen, Wasserfilter nachfüllen, warten, bis der Kessel pfeift und heißes Wasser über die Teebeutel gießen. Stattdessen höre ich Wasserschwälle sich ergießen. Und nochmal. Und nochmal.

Als Toni mit dem Tee im Wohnzimmer erscheint, beantwortet er meinen fragenden Blick lapidar mit “Die hatten wieder Pool Party im Wasserfilter”.

Weiß irgendwer, warum Ameisen so auf die Aktivkohle im Brittafilter abfahren? Der Internet weiß es nämlich nicht.

We are the Champions

Kaum ist Toni im Heimaturlaub (Gute Reise! Gute Zeit!) harmonisiere ich meine Arbeitszeit wieder mit meinem bettflüchtigen Biorhythmus und fahre früher zur Arbeit an und entsprechend früher wieder heim zu Garten, Sonne, Buch. Soweit die Theorie. In der Praxis ist Stau. Heute sogar schlimmer als sonst zur üblichen Heimreisezeit. Was ist da los? Ich hätte bei so vielen flatternden blau-gelben Fahnen an den Autos eigentlich draufkommen können, daß es wieder um ein Ballspiel geht. Heute mußten die Fans rechtzeitig um 18:00 Uhr* schon vor einem Fernseher sitzen, um die Golden State Warriors gegen die Cleveland Cavaliers gewinnen zu sehen.

Endlich! Nach vierzig Jahren endlich wieder Meister! Ich bin ja nicht so: diesen Stau verzeihe ich ihnen und den nächsten zur Siegesparade am Freitag um 10:00 Uhr früh in Oakland werde ich noch nicht mal mitbekommen.

* Das NBA-Endspiel wurde in der “Quicken Loans Arena” (kurz “The Q”) in Cleveland, Ohio ausgetragen. Die Ostküste ist unserer Zeit drei Stunden voraus und hatte beim Anpfiff** längst Feierabend.

** Keine Ahnung, mit welchem Signal Basketballspiele anfangen.

Nachtrag zu “Die Kraft des Gebetes”

Montag.

Kein Mann, kein Hoodie. Aber ein Plakat. Ach was, ein Banner, an den Brückengeländerstreben aufgespannt brüllt in Großbuchstaben, Schwarz auf Gelb: Ask Jesus

Warum? Was hat der vor? Doch Ytong? Mir macht sowas Angst.

Aus dem Vokabelheft

Auf meine Nachfrage, wo denn ein für letzte Woche zugesagtes “deliverable” bleibe, schreibt mir meine neue Kollegin “it’s a wip”. Ich denke mir noch “die hatte so gar nix dominahaftes an sich, hob i mi do deischd? Ist es womöglich simple Legasthenie?”, bevor ich doch kurz das Internet befrage.

Das Internet, dieses Gscheithaferl, kennt sich natürlich bei Abkürzungen wieder viel besser aus als ich: WIP steht für “Work in Progress” und bedeutet “ich hab schon mal einen Block geholt und bin jetzt unterwegs zum Stifteschrank”.

Game of Thrones – Season Finale (5. Staffel)

Und ich sag neulich noch, daß sich überraschend viele gehalten haben – vor allem einer, bei dem ich in jeder Folge überrascht war, daß er immer noch lebt. Nun nicht mehr (nein, keine Angst, ich nenne keine Namen). Und mei, sind die Kleinen gewachsen.

Bis nächsten April dann. Wenn Herr Martin nicht bald mit den “The Winds of Winter” fertig wird, überholt ihn das Fernsehen womöglich noch.

Mitteilungen aus der Kampfzone

Hut mit breitem Schirm und Blumenmuster (wg. Tarnung), Camo-Kleidersackkandidat-Pulli (Muster eher zufällig) mit einer Unzahl herausgezupfter Fäden und – ganz wichtig – langen Ärmeln. Lange Hosen, die eh demnächst in die Wäsche müssen und – wg. heute mal mutig – Sandalen und keine geschlossenen Schuhe. Sowie gepolsterte Gartenhandschuhe und frisch geschärfte Rebschere. Ohne diese Ausrüstung, im Volksmund (also von mir) “Full Berry Gear” genannt, hätte ich nicht den Hauch einer Chance, dem Brombeerstrauch auch nur eine einzige reife Frucht zu entreißen.

Von harmlos “Beeren pflücken” kann bei diesem Strauchmonster keine Rede sein: erstens liegt alles, was auch nur entfernt erntewürdig ist, hinter dicken Dornenbarrikaden, mit ganz bösen Widerhakenstacheln in allen erdenklichen Größen. Zweitens hat er Alliierte: den Oleander, eigentlich harmlos, aber sehr bewandert in biologischer Kriegsführung (Läuse), einen Dornbusch mit blauen Beeren, bei dem ich nicht sicher bin, ob das, was der tut, schon unter Chemiekrieg fällt. Die Beeren hinterlassen pfenniggroße violette Flecken auf Haut und Kleidung, die für den Versuch, sie mit Seife und Bürschte zu entfernen, nur ein mildes Lächeln übrig haben und außerdem setzt er dem, was er als Eindringling versteht, ganz konventionell Stacheln im Ausmaß von Schaschlikspießen entgegen. Darüber hinaus hat sich der Bromsauhund durch drei verschiedene Rosen gewuchert und die gibt es bekanntlich nicht ohne Dornen. Klingt schlimm? Geht schlimmer: auf und um jede Beere krabbeln hart kämpfende Ameisen. Wat soll isch sagen: They die hard. Ich habe es heute auf knapp ein Pfund Beeren ohne Zusatzproteine gebracht.

1 Pfund Beeren

Der Strauch hat den Winter offensichtlich genutzt, um seinen Sun Tse zu studieren, sein Territorium massiv erweitert und ebenfalls die Westecke des Gartens eingenommen. Geschickte Nachschubplanung betreibt er obendrein, im Westen blüht er noch heftig und die wenigen schon sichtbaren Beeren befinden sich gerade im Farbwechsel.

Blüh

Farbwechsel

Für die Zukunft wünsche ich mir, daß sich Brommy ein Beispiel an anderen nimmt und einfach nur so hübsch vor sich hinblüht

Hortensia

und anschließend kampflose Ernten in Aussicht stellt.

plumbs

Ich back dann mal Blackberry-Cobbler. Ätsch!

Die Kraft des Gebetes

Ich krieche immer gar nicht gerne in fast stehendem Verkehr über die Autobahn und sehe dann auf den Fußgängerbrücken einen einzelnen Menschen auf die Fahrspuren unter sich starren. Mein Unterbewußtsein nämlich gerät da jedes Mal schon vorauseilend in Panik und erwartet, daß demnächst ein Ytongblock durch die Windschutzscheibe kracht und ich mich mit Betonklotz im Schoß und übersät von Glassplittern wiederfinde. Aber genug von meinen Seltsamphantasien, ich erzähle einfach ein bißchen aus der seltsamen Realität.

Montagmorgen. Auf der Fußgängerbrücke über dem 101 steht ein einzelner Mensch in schwarzem Hoodie, die Kapuze fest zugezurrt und  – nein, er wirft keinen Stein, er hält ein Plakat hoch. In schwarzen Lettern auf Gelb fordert er den gesamten Stau auf “Ask Jesus for help”. Ich breche umgehend in ein Gebet aus, aber der Sohn Gottes ist offensichtlich nicht für fließenden Verkehr zuständig. Dienstagfrüh. Mann, Hoodie, Plakat “Let Jesus help you”. Zweitgebet bringt ebenfalls nichts.

Mittwoch. Es regnet aus Kübeln, kein Mann, kein Hoodie, kein Plakat. Donnerstag. Das Wetter ist wieder besser und “Jesus is Help”. Hmmmm. Ach so. Falscher Ansprechpartner. Ich versuche es nochmal: “Heiliger Help, gib mir freie Fahrt.” Nix. Ah, das war unhöflich, klar. Auf ein Neues: “Heiliger Help, gib mir freie Fahrt, bitte.” Nix. Letzter Versuch: “Heiliger Help, gib mir freie Fahrt, bitte. Amen.” Nix.

Am Freitag: Kein Mann, kein Hoodie, kein Plakat, kein Stau. Ich arbeite im Homeoffice am Küchentisch. Halleluja!

Aus dem Vokabelheft

Die wunderbar versatile englische Sprache hat mir heute große Freude gemacht mit der Wortschöpfung: “The Also-rans”. Im Deutschen kennt man das als “ferner liefen”, kann es aber lange nicht so schön in eine ganze Gruppe von Verlierern zusammenfassen.

Nimmer ganz neu im Kino: God’s Pocket

Das kleine Indie-Kino in San Bruno hat großes Optimierungspotential, das fängt bei den saumäßig unbequemen Sitzen an und hört bei der sagenhaft ungeschickten Öffentlichkeitsarbeit nicht auf. Der grau auf grau kopierte Zettel, daß man heute Abend um sieben “God’s Pocket”  zeigen werde, den letzten von Philip Seymour Hoffman fertiggestellten Film, muß heute zwischen High Noon (Abfahrt zum Pool) und 16:00 Uhr (nasse Handtücher in die Waschmaschine geben) eingeworfen worden sein.

Noch drei weitere Menschen außer mir konnten solchermaßen kurzfristig ihre Samstagabendpläne umdisponieren und wir haben einen sehr guten Film gesehen. Eigentlich eine Milieu- und Charakterstudie über die Bewohner eines miesen Arbeiterviertels in einer amerikanischen Großstadt, ihren engen Zusammenhalt gegen “die da oben” und deren exekutive Vertreter, ihre Engstirnigkeit, die Flucht vor diesem Leben in die Kriminalität oder in die Psychose oder beides. Schön ist das nicht, aber atmosphärisch gelungen und mir ist es nahegegangen. Hoffmann war schon ein Großer.

Anschauen! Anschauen!