California Dreamin’

Es gibt so Tage, da besinnt sich Kalifornien auf einmal und bedient alle Klischees, als habe sich mindestens der Klischeeoberkontrolleur zur Inspektion angekündigt.

Today is one of these days: vom blitzeblauen wolkenlosen Himmel strahlt eine leuchtende Sonne, endlich, endlich, endlich sind die Tagestemperaturen der Jahreszeit angemessen und abends duftet das Häuschen nach aufgeheiztem Holz und Sommer, statt nach ausgekühlt und Heizung anmachen. Der kalte Wind ist abgezogen und hat einem freundlichen kühlenden Wirbellüftchen Platz gemacht, das die Magnolienknospen sanft kitzelt, bis sie platzen und fürderhin als dicke Blüten himmelwärts streben, die Jacaranden ergießen sich dazwischen in blauer als blauem Blau. Am Straßeneck steht Jim Morrisons Wiedergänger, langes offenes schwarzes Haar, dunkle Glutaugen, Lederhosen mit seitlicher Kreuzstichnaht und streicht gedankenverloren über die Saiten seiner weißen Gitarre*, während im Autoradio ein anderes Mitglied des 27 Club beteuert, daß er keine Gun habe. Drüben beim Autohändler verspricht ein restaurierter feuerroter 60er-Jahre Mustang “endless summer fun”, der bei mir auch genauso lange anhält, bis ich das Preisschild lesen kann. In den verdorrten Vorgartenrasen blühen bunte Schildchen, die darauf hinweisen, daß man hier nicht etwa das Produkt eines nachlässigen Gießers, sondern das Statement eines dürreverantwortungsbewußten Kaliforniers vor sich habe. Zum krönenden Abschluß kreuzt auf dem Heimweg ein elegant windsurfender Pelikan ein paar Handbreit über dem Stau den Highway 101 auf seinem Weg in die rote Sonne, zum Pazifik. Hach!

Brav, Kalifornien. Das hast du gut gemacht. Das darfst du wieder tun. Noch ganz ganz oft!

* Nach einer Bilderrecherche auf Google vermute ich, daß es um eine Fender Stratocaster gehandelt haben könnte, verstehe aber leider nicht genug davon, um sicher zu sein. Spielt auch eigentlich keine Rolle, schließlich war Jimmy Sänger und nicht Zupfer. Bestimmt hat der “doppelganger” das Instrument nur kurz für den Gitarristen gehalten.

Ja, wo laufen sie denn?

Am 1. Juni fängt in Nordkalifornien der Sommer an und es ist vollkommen wurscht, daß der Wettermann die ganze Zeit erzählt, daß dichte Nebel umeinanderhängen und es für die Jahreszeit zu kalt ist. Wenn Sommer, dann Lauftreff. Alle Sorten Mensch in allen Farben, Größen, Altern lassen sich in die grellfarbenen T-Shirts ihres Vereins stecken (die favorisierte Farbe dieses Sommers ist Warnwestenorange) und rennen im Rudel los. Dagegen hab ich nix, wer das gern macht und glaubt, daß es ihm guttut, soll doch.

Wogegen ich sehr viel habe, ist, daß die Rennstrecke all dieser Gruppen die Autobahnauffahrt kreuzt. Viel blöder geht Routenplanung nicht. Am allermeisten stört mich aber, daß, wenn man Anführer und Mittelfeld durchgelassen hat, immer, und zwar IMMER in Großbuchstaben, noch ein Nachzügler daherhechelt und auch noch über die Straße muß. Jedes Mal: Quietschbremsmanöver, häßliche Handzeichen und hupende AuchaufdieAutobahnwoller im Kreuz.

Wenn ich in den Laufschuhen des Unterkonditionierten wäre, würde ich das als Chance verstehen und verschnaufen. Aber was weiß ich schon.

Aus dem Vokabelheft

Was dem deutschsprachigen Redewender sein Deckel ist, ist dem amerikanischen sein Scheunentor. Der eine legt erst auf, wenn das Kind bereits im Brunnen liegt, der andere schließt ab, wenn sein Pferd schon abgehauen ist ( “To close the barn door after the horse has bolted”).

“Geht, Krieger!”*

Golden State WarriorsDie Golden State Warriors spielen drüben auf der anderen Bayseite im Oracle Stadium in Oakland irgendein Ballspiel**, in dem sie fürzisch Jahre lang nicht mehr Meister waren. Richtige Fans, und das sind – jetzt wo sie wieder Erfolgsaussichten haben – sehr viele, pappen Fähnchen an die Außenspiegel ihrer Pickups. Wenn die neben mir auf der Autobahn fröhlich im Fahrtwind flattern und knattern, kann ich gar nicht anders, als frei zu assoziieren. Und zwar viele große aufgeregte Hunde mit wehenden Buntohren, die gerne Stöckchen holen wollen. Go Warriors!

Mir verstopfen die Riesendackel auf dem Heimweg wieder den Highway, aber glücklicherweise nur bis zur nächstmöglichen Brücke, da biegen sie alle nach rechts ab und ich habe freie Fahrt. So frei, daß vor mir nur ein paar andere dahinflitzen und im Rückspiegel kurzfristig sogar fünf leere Spuren auftauchen. Das gibt es eigentlich gar nicht. Nicht an einem Wochentag abends um sieben. Go Warriors!

 

* Ganz ganz freie Übersetzung des Kampfrufes “Go Warriors!”; die korrekte Übertragung ins Deutsche wäre wahrscheinlich eher “Jetzt gehts lohos”!

** Für weniger ignorante Menschen als mich: sie spielen Korbball und heute Abend gegen die Cleveland Cavaliers Spiel 1 der NBA Playoffs.

“I can do all things through Jesus”

Ich war richtig erleichtert, als sich der Stau heute früh auflöste, und das Fahrzeug mit dieser handgeklebten Botschaft im Heckfenster beschleunigte und aus meinem Sichtfeld verschwand.

Oder klingt das nur für mich wie eine Drohung?

Was tun, wenn’s voll wird?

Ganz einfach: Preise erhöhen.

Die Disney Corporation hat diese Woche bekanntgegeben, daß die Besucher ihrer Vergnügungsparks künftig mit “congestion pricing” (wörtlich: Verstopfungspreise) zu rechnen haben. Das heißt, daß an Tagen wie zum Beispiel Weihnachten, an denen man sich eh schon in gräuslich langen Anfahrten über verstopfte Autobahnen gequält hat, viel zu viele Menschen im Siebenerüberspaßlooping kreischen, lange Schlangen auf Tiermasken- und Prinzessinnenschminken warten und man mit der extra quengeligen Brut ewig lang für schlechtes Fastfood und anschließend für müffelig-überlastete Toiletten ansteht, der ganze Spaß viel teurer ist als sonst.

Warum genau heißt Disney Land nochmal “The Happiest Place on Earth”?

Schutzlos

Wer vermeintlich jugendgefährdende Inhalte wie den Tatort aus dem Fundus der Öffentlich-Rechtlichen streamen will, hat dazu nur zwischen 20:00 Uhr abends bis zum nächsten Morgen um 6:00 Uhr Zeit, tagsüber passen die Sender aber sowas von auf die Kids auf! Hallo? “Streamen”. Das geht nur mit Internetzugang. Bei all den Inhalten, zu denen die Generation der Digital Natives jederzeit und überall Zugriff hat, wirkt diese zeitlich begrenzte Ausstrahlungssperre entzückend naiv und ganz gräßlich unbeholfen. Wer bei Google “mediathek” eingibt, bekommt unter den ersten Treffervorschlägen gleich mehrere “Zeitsperre umgehen”-Alternativen angeboten.

Übrigens, die paar Schlußminuten, vor denen die ARD Kinder und Jugendliche unter 12 und mich gestern Nacht geschützt hat, waren der fadeste, blut- und leichenfreieste Teil des ganzen Krimis.

Tatort interruptus

Herzlichen Dank auch, ARD Mediathek! Thiel und Börne sind gerade ganz knapp davor, daß entscheidene Indiz für die Aufklärung des Falles “Erkläre Chimäre” zu ermitteln und in exakt diesem Moment besinnst dich darauf, daß es in Deutschland kurz vor 6:00 Uhr morgens ist und deswegen dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zum Schutze der Jugend Folge geleistet und die Verbindung aber sowas von sofort gekappt werden muß.

Weißt du eigentlich, wieviele Faktoren bei San Bruno Cable zusammenspielen müssen, damit ich ohne Wackeln und ständiges Puffern einen Film streamen kann? Nicht? Dachte ich mir. Nicht nett, daß ihr mich heute Abend da nochmal durchjagt. Gar nicht nett.takeyoursarcasmtowork_blk_bumper_sticker1

 

Sam, mein Rasenmäherprinz

Heute früh denke ich noch so bei mir, “der Vorgarten”, denke ich, “der Vorgarten sieht aus wie Sau!” Räudig, braun-grau-gelb-bäh-gefleckt und dazwischen ragen Disteln und magere Löwenzähne. Schön ist anders.

So wie zum Beispiel beim Heimkommen heute Abend, wo Sam dem ganzen Elend einen 5mm-Schnitt verpaßt hat. Jetzt ist alles wieder, wie wir das mögen. “Nice and clean.”

Wie immer: danke. Und nochmal: Vielen Dank, dem besten Nachbarn der Welt.