Kleine Auswahl gefällig? Viel Spaß!
Du weißt, du bist im Silicon Valley, wenn…
- Die Comic-Con eine Verkehrsberuhigungsmaßnahme darstellt (alle, die mir sonst den 101 verstopfen sind in San Diego). Wir Daheimgebliebenen freuen uns schon auf “Burning Man”.
- Du Zeuge des ernstgemeinten Verabschiedungsrituals der beiden Menschen vom Nebentisch wirst: ER: “May the Force be with you!”Darauf SIE: “And may the Odds be ever in your Favor.”
Noch’n Feiertag
An der Kreuzung gehts zu wie am Stachus um zwölfe, alle wollen entweder auf den eher klein dimensionierten Parkplatz vom Seven/Eleven* oder da wieder weg – dabei ist es Samstagnachmittag um 3:00 und ich komm’ gerade vom Pool und muß dringend heim und endlich was essen! Was ist nun wieder?
Die Nachbarsbuben klären mich auf: weil man in Amerika das Datum mit dem Monat beginnt, ist heute “7/11-Day” und zur Feier des Tages gibt es Slurpees** für umme.
Ja dann: Wohlsein!
* Seven/Eleven Supermärkte haben ihr ewiges Denkmal in Apus Supermarkt bei den Simpsons gefunden. Immer ein bißchen schmuddelig, immer mit Zeugs auf dem Warmhaltegrill, das schon beim Auflegen nicht mehr ganz echt war und immer mit einer Maschine, die farbenfrohen hochzuckerhaltigen dickflüssigen Kaltschleim in Pappbecher würgt.
** Dieser Kaltschleim heißt Slurpee und ist ein Schulbeispiel für Onomatopoesie, weil es vom ersten bis zum letzten Strohhalmzug so klingt, als wäre man längst auf dem Boden seines Milchshakes angelangt.
Grad’ mach ichs Maul zua*
Da erzähle ich von Dürre und vom Wassersparen, einen, zwei, viele blogposts lang und dann das: ein Sturm treibt Wolken über den eklig gelben Himmel, es donnert und dann fängt es an zu regnen und hört die ganze Nacht nicht auf und der Wettermann im Radio ist vor Begeisterung ganz außer sich, weil sich ein massiver El Niño aufbaue (Fachbegriff “Godzilla”) und für den ganzen Herbst und Winter und sogar bis weit ins nächste Frühling hinein schwere reiche Reservoirfüllerregenfälle verheißt. Sowie Schlammlawinen, “flash floods” und andere Scheußlichkeiten, für die man, mahnt er mit bedeutungsschwangerer Stimme, “Vorkehrungen” treffen solle.
Sowas machen Madame ja nicht selbst. Sam, der Guteste hatte am Nachmittag Rasen gemäht und keine Nacht später beginnt in meiner Vorgartensteppe alles zu sprießen, was bis dato in den staubtrockenen Ritzen verborgen war.
PS: Ich nehme jetzt bitte erst mal richtig Sommer und ein paar weitere Wochen Drought. Danach kann es von mir aus regnen, was es regnen mag.
* Schwäbischer Stoßseufzer; bedeutet ungefähr, daß man jemandem eine Sache lang und breit und vermeintlich idiotensicher erklärt hat, damit der es im nächsten Moment akrat verkehrt macht.
Gelesen: “The Water Knife” von Paolo Bacigalupi
Wo ich gerade dabei bin, “The Water Knife” ist das Buch zur Dürre. Ein echter hard-boiled Thriller über die nicht zu ferne Zukunft, wenn der amerikanische Südwesten zur “Dust Bowl” geworden sein wird und Wasserrechte alles sind.
Mich haben besonders kleine Beobachtungen beieindruckt, wie, wer geht zuerst, wenn kein Wasser mehr aus dem Hahn kommt? Mieter. Hausbesitzer bleiben. Sie haben doch für die Ewigkeit gebaut, zum Beispiel mit dem nachhaltigen Granitküchenblock, und brauchen länger, um zu begreifen, daß es keine Ewigkeit gibt ohne Wasser.
Keine Jobs, Ernten mager, Suburbia tot, Grenzen in die gelobten Länder (Kalifornien und – ausgerechnet – Nevada) dicht und von Milizen gehalten, Städte quellen über von Menschen und überleben nur so lange, bis der nächste geldgierige Schurke einen Damm sprengt, den See leert und den Fluß umleitet. Unter diesen Umständen halten Allianzen gerade mal, bis sich was besseres bietet – jeder Mensch des anderen Wolf.
Bacigalupi hat sein Buch in schnittgerechten Kapiteln geschrieben, man könnte es fast vom Blatt filmen und ich kann mir nicht vorstellen, daß es lange dauert, bis sich jemand die Rechte sichert. Dürre kommt grad gut (s. Mad Max).
Lesen! Lesen! Lesen!
Dürre-Maskottchen
Weil immer noch nicht alle verstanden haben, daß Dürre ist und Wasser knapp, gibt es jetzt in Kalifornien den “Lawn Dude”.
Und wen das nicht überzeugt, der kann zu einem neuen Superhelden aufblicken. Der Fantastische Frank macht seine Kehrwoche nicht mit dem Schlauch, sondern mit einem Besen. Whoohoo!
Seriously? WTF?
“The Book of Mormon” (Musical)
Die Schöpfer von South Park und Avenue Q haben die Welt um ein Musical bereichert und am Broadway säckeweise Tonys abgegrast. Bis sowas einmal über den ganzen Kontinent als Gastspiel in unser “neck of the woods” kommt, vergeht ein Zeitel. Aber am Samstag wars soweit. Endlich! “The Book of Mormon” handelt (Überraschung!) von Mormonen und Mormonenmonologen von Mormonenmissionaren – und ist richtig lustig, was unter anderem daran liegt, daß schon die Gründungsgeschichte dieser Religion vollkommen absurd ist und noch schräger wird, wenn man sie singt und tanzt. Fast hätten sie es geschafft, mich mit dem Konzept “Musiktheater” zu versöhnen. Fast. Doch dazu später mehr.
Erst möchte ich von dem Herrn erzählen, der hinter mir saß. Es muß sich um einen direkten Nachfahren des prüderen Flügels auf der Mayflowerpassagierliste gehandelt haben; jedes Mal, wenn auf der Bühne ein vermeintlich anstößiges Wort fiel, schlug er sich in großer Louis de Funès-Geste die Hand vor den Mund und wiederholte fassungslos “Asshole (tits / cock / fuck usw.). He said asshole (tits / cock / fuck usw.)” und schob ein kleines nervöses Kichern nach. Angesichts der schieren Häufung war er gegen Ende der ersten Halbzeit nahe am Infarkt und meine Innere Marthe Schwerdtlein kurz davor, ihm ein Riechfläschchen zu offerieren. Hat’s aber dann doch nicht gebraucht, denn nach der Pause zog sich die ganze Sache ein wenig. Man hatte das eine oder andere Liedlein schon gehört und daß der wirklich wirre (und bedauerlicherweise aus dem echten Leben gegriffene) “General Butt Fucking Naked” via Taufe zum hundertfünzigprozentigen Konvertiten wurde, hat’s dann auch nicht mehr herausgerissen. Merke: bloß, weil einem das Schreiben soviel Spaß macht, lassen sich die Ideen für eine zweistündige Vorstellung nicht auf drei Stunden strecken. Auch nicht gesungen und gesprungen und gejodelt und getanzt. Nicht mal von dunkelhäutigen Menschen in farbenfrohen “König-der-Löwen”-Kostümen. So scho grad ned! Und wieder sind, obwohl ich mich streckenweise wirklich amüsiert habe, das Musiktheater und ich nicht zusammengekommen.
Randnotiz: Die Veranstalter in San Jose haben sich ihr Programmheft mit Kleinanzeigen von ortsansässigen Geschäften sponsern lassen – und mit drei ganzseitigen von den Mormonen, wobei ich nicht weiß, ob das ein Zeichen von Selbstironie oder genialem Marketing ist. Erste Anzeige: ein weißer Mann, zweite: eine pan-asiatische Frau (irgendwie mandeläugig und mit Elfenbeinteint), die dritte: ein schwarzer Mann – und alle lächeln gewinnend und fragen, ob man denn nicht nach der Show nun doch lieber das Buch lesen wollen würde – das Buch sei doch immer besser. Da fehlt doch wer? Ich habe wild geblättert und nach einer Latina gesucht. Keine da.
Kein Wunder, eigentlich. Latinos sind keine erfolgversprechenden Kandidaten, bei denen waren die Katholensöldner ein paar Jahrhunderte früher dran und erfolgreich. Wer seit Abergenerationen deren Gehirnwäscheprogramm durchläuft, der hat genug Unfug im Hirn und glaubt nicht auch noch an den Engel Moroni, Zusatz-Evangelien aus der Neuen Welt oder daß Jesus sich für die Zeit zwischen Kreuzigung und Wiederauferstehung kurz nach Amerika gebeamt hat.
Meine beiden Lieblingsnummern:
– https://www.youtube.com/watch?v=xLb7_UrV3-A (mein Hintermann ist beim Zuschauen fast vornüber gefallen)
– https://www.youtube.com/watch?v=vhVFgko6ik8
Gelesen: “Natchez Burning” von Greg Iles
Wenn mich irgendwann mal wer fragt, was ich am 5. Juli 2015 um 10:00 Uhr früh gemacht habe, dann werde ich antworten, daß ich an diesem heißen trägen Sommertag länger im Bett geblieben bin und “Natchez Burning” verschlungen habe. Wenn dann nach meinem Alibi für die Zeit zwischen Mittag und gegen 18:00 Uhr gefragt wird, war ich im Garten und habe dort “Natchez Burning” verschlungen. Für die Zeit danach gilt dasselbe, allerdings auf dem Sofa. Um 2:oo Uhr früh heute morgen war ich mit dem Buch durch und bin schlafen (und wirr träumen) gegangen.
In seinem wortgewaltigen Thriller beschreibt Iles, wie die Sünden der Väter mit geradezu biblischer Wucht die nachfolgenden Generationen heimsuchen. In schnellen Perspektiv- und Erzählerwechseln zeichnet er ein beklemmendes Bild des “Deep South”, in dem das Städtchen Natchez, zu Zeiten der größte Sklavenmarkt, exemplarisch dafür steht, wie die Flammen der KuKluxKlan-Kreuze bis in die heutige Zeit züngeln.
Obzwar er betont, daß es sich um ein fiktionales Werk handelt, ist Iles nahe an der Realität; das Massaker bei der Bibelstunde in Charleston ist gerade mal gute zwei Wochen her und die nachfolgende Diskussion um das Abnehmen der Konförderiertenflagge hat deutlich gezeigt, wie tief der Aberglaube von der Überlegenheit der Weißen Rasse (“white supremacy”) noch in vielen Köpfen verankert ist.
Für meinen Geschmack war’s ein bißchen zu viel männerbündelnde Veteranentreue, Semper Fi, “oo-rah!”, Texas Ranger und Korea, Vietnam, Afghanistan, aber vielleicht ist das auch Wirklichkeit, und ich verstehe nur nichts davon.
Wer keine Zeit hat, 800 Seiten zu lesen und es nicht eilig hat: das Buch zum Film (eine Amazon-Serie, produziert von Tobey Maguire) ist schon in Vorbereitung. Vielleicht erfährt man dann auch das Schicksal der Figuren, zu denen Iles irgendwann nichts mehr eingefallen ist – da hat das Lektorat geschlampt.
Ansonsten: Lesen! Lesen!
Nachtrag zu “Mein 4. Juli”
Hey, Lyn – ich habe was herausgefunden:
Im Jahre 1975 wurde der 1948 wg. dieser Japsenfrechheit damals in Pearl Harbor eingeführte “Victory Day” (auch “VJ Day” und “Victory over Japan Day”) als “Federal Holiday” überall in Amerika* wieder abgeschafft. Das dürfte dem Import japanischer Autos möglicherweise recht zuträglich gewesen sein…
* Überall in Amerika? Nein, der U.S. Staat Rhode Island begeht den Feiertag bis heute, Schulen und Behörden sind an diesem Tag geschlossen.
Mein 4. Juli
Die anderen Nachbarn um uns herum böllern, knallen, qualmen und jagen ganze Monatsgehälter gen Himmel, was Lyn, schwerhörig und deswegen in diesem Lärm weiterhin zur Kommunikation fähig, offensichtlich auf einen schwer patriotischen Trip bringt. “Warum?” fragt sie, und deutet anklagend auf die auf der Straße parkenden Autos “Warum erlaubt diese Regierung den Import japanischer Autos? Warum?” fragt sie weiter, “Warum kaufen Amerikaner sowas?”. Früher hätte man sich zu Recht geschämt, einen Toyota zu fahren. “All good cars were made in Detroit. Warum?” will sie ausgerechnet von mir wissen, “Warum ist das heute anders? What has happened to America?” Egal, was ich jetzt antworte, es kann nur falsch sein. Zum Glück erwartet sie keinen Kommentar. Stattdessen stellt sie sich auf Zehenspitzen, schaut noch mal nach links und rechts und formt die Hände zum Abschirmtrichter, damit auch ja keiner mithören kann, wenn sie mir ihr Geheimnis ins Ohr zischt: “America is going down.”
Ich geh dann mal wieder rein. An meinem ausländischen Auto vorbei.








