Ist der Ruf erst ruiniert

Schmuddelwetter, nasskalt, grau, Mützeschalhandschuh, Hochnebel, unruhig wandern, Bätter treiben, Grablaterndl, Trübsinn, frösteln, Melancholie, Gustav von Aschenbach, Tiefnebel, mehr frösteln, Knochenkälte, Johanniskraut, Raureif, Gipfeljagennebelschwaden, Tom Waits (http://bit.ly/1iKX1IL), frieren, Zug zu spät, Totaldepri, Schuhesockenfüßenaß, Bäume kahl, Sträucher kahl, richtig ernsthaft frieren, Veteranenschleifenkränze, the sun ain’t gonna shine anymore, alles räbähbäh.

Ich glaube, der November hatte es richtig satt, daß beim freien Assoziieren nie jemandem auch nur ein nettes Wort zu ihm einfiel und sich dieses Jahr gedacht, daß er auch anders kann. Frühlingshafte Temperaturen, Blauhimmel und Sonne satt. So isses recht, November. Sehr brav. Da bekommst du jetzt einmal ein ganz großes Lob! Und ihr anderen nehmt euch ein Beispiel. Ja, du bist gemeint Dezember und ihr auch, Januar und Februar und März.

Nur zur Erinnerung: jetzt, wo ich wieder da bin, liegt die Schneefallgrenze in Garmisch. Allerfrühestens.

LärcheBusch
Apfel

Schon wieder Metropoltheater: Unter dem Milchwald

Was ursprünglich “Ein Stück für Stimmen” war (so heißt ein Hörspiel, wenn Dylan Thomas es poetisch umschreibt), ist hier von Ulrike Arnold mit einem verblüffend kleinen Ensemble auf der Drehbühne inszeniert worden. Die Truppe brilliert mit schnelle Rollen- und Kostümwechseln, damit auch ja jeder Einwohner des kleinen walisischen Kaffs Llareggub (rückwärts gelesen für “Bugger, all!”) zu Stimme und Wort kommt. Das ist so gewöhnungsbedürftig wie es unterhaltsam ist – mir sind schon lange keine zwei Stunden mehr so schnell vergangen.

Einzig Gerd Lohmeyer schien ein wenig überfordert, die übrigen vier Darsteller (Lena Dörrie, Markus Fennert, Thomas Meinhardt, Eli Wasserscheid) waren helle Augen- und Ohrenweiden. Das Stück läuft noch bis Ende November in Freimann und hätte viele Zuschauer verdient.

Lügenbold

Als Wohungssuchender ist man stets auch Adreßsuchender und gerade in Neubaugebieten gerne schwer aufgeschmissen. Wenn also der Googlemops noch einmal behauptet, wir wären jetzt an unserem Zielort angelangt, obwohl ich im wirklichen Leben knapp vor dem Besichtigungstermin mit dem Smartphone in der Hand, mehr oder minder stark transpirierend und mit in Auflösung begriffener Frisur mitten auf einer stark befahrenen mehrspurigen Straße stehe, dann… Dann kaufe ich mir doch nochmal einen ausklappbaren Stadtplan. Analog. Aus Papier. Hah! Dann schaut er aber, der Google.

Von wegen allwissend.

Berufsleben

Wie im Flug ist sie vergangen, meine erste Arbeitswoche bei meiner neuen Firma. Das liegt zum einen daran, daß ich bis Jahresende nur in Teilzeit beschäftigt bin und zum anderen, daß mir meine neuen Kolleginnen und Kollegen noch sehr viel beibringen und ich noch lange nicht so schnell bin, wie ich in ein paar Wochen sein werde.

Aber dann…

Es wechseln die Zeiten

Echt jetzt, Alter, “München leuchtet” ist so dermaßen 20. Jahrhundert, daß es schon fast noch 19. ist. Ab sofort gilt: “München qualmt”.

muenchen mohawk

Amerika bekränzen

wreaths accross america

Bloß, weil ich nicht mehr dort lebe, heißt nicht, daß mich nicht ab und zu seltsame Nachrichten von der anderen Seite des Atlantik erreichen. Erst neulich hat das Unternehmen, das meinen früheren Arbeitgeber akquiriert hat, alle seine Angestellten zum Kranzspenden aufgerufen, weil wir alle unsere Teilhabe an der freien Welt den Opfern tapferer Krieger zu danken haben. Nämlich. Die Schleiferlkranz-Stiftung sammelt denn auch mit dem hehren Ziel, Erinnerung zu pflegen, Veteranen zu ehren und uns andere zu lehren.

Wobei ich nicht ganz verstehe, wieso man Veteranen mit Kränzen behängen will. Die leben doch noch und bedürfen eher medizinischer und/oder psychologischer Betreuung (wo sich die USA nicht gerade mit Ruhm bekleckern). Den Gefallenen ist die Deko ziemlich sicher totwurscht.

Wäre es nicht einfacher, Amerika, wenn du dich hinfort weltweit halt weniger oder am besten gar nicht in Kriegen engagiertest?

Zitat: Help to Remember and Honor our veterans buried at Arlington Cemetery by going to the web site mentioned below and sponsoring a wreath or two. The cost is only $15 per wreath, a small price to honor and remember those who have given us our freedoms with their sacrifices.  WAA receives no government funds and must rely on donations and wreath sponsorships to carry out its mission to Remember, Honor and Teach. www.wreathsacrossamerica.org 

Aus dem Tagebuch einer Unbehausten

Das neueste Phänomen auf dem Münchener Wohnungsmarkt sind bestgelegene Immobilien zu Preisen stark unter dem Mietspiegel. Nimmt die Mietinteressentin via Wohnungsbörse Kontakt auf, entpuppen sich die Vermieter in spe ausnahmslos als junge Männer, die via Google translate oder schlimmeren Programmen mitteilen, daß sie durchweg aus familiären Gründen sehr spontan in ihre angestammten Heimatländer zurückreisen mußten und die darum für eine Besichtigung des vermeintlichen Schnäppchens leiiider nicht zur Verfügung stehen können, wo sie doch gerade La Mámmas schweißige Hand an deren Kranken- wahlweise Sterbebett halten. Außerdem ist es ihnen sowieso in den nächsten fünf Jahren dummerweise nicht möglich, nach Deutschland zu reisen. (Es sind immer fünf Jahre, ich muß noch rausfinden, wo die Magie in dieser Zahl liegt.) Das sei aber kein Grund zur Sorge, denn erstens seien sie seriöse junge Männer und an Langfristmietverhältnissen interessiert und zweitens hätten sie zwar weder Freunde noch Verwandte im kalten Alemania, aber doch immerhin einen “agent” aufgetan, der sich um alles weitere kümmern werde. Leider, leider, leider sei es bei der Bank zu Problemen gekommen und deswegen wäre es voll nett, wenn der potentielle Mieter dem “agent” einen kleinen Vertrauensvorschuß in Höhe von ummara 1.000 Euro auf dessen Konto auf den Caymans überwiese. Dann stünde der mit Hausschlüssel und Mietvertrag aber sowas von auf der Matte und der Betrag werde selbstverständlich verrechnet, wobei weder Pasquale, noch Stephen, noch Simon sich mit so schmutzigen kleinen Details wie verrechnen? –  womit? und wann? aufgehalten haben. Geiz ist zwar geil, ich bin aber auch nicht blöd: Wir, meine Herren, kommen nicht ins Geschäft und ich hoffe, die Plattform schmeißt euch bald raus.

Manchmal sind es auch die guten bayerisch-bodenständigen Besitzer von Wohnungen, die einem kalte Schauer über den Rücken jagen, zum Beispiel, wenn sie die Schönheit ihrer Immobilie mit den Worten hervorheben, daß es einmal jährlich im Garten hinter dem Haus zum Eigentümer-Mieter-Grillen komme. Langt es euch nicht, wenn ich euch jeden Monat einen erklecklichen Mietzins überweise? Wollt ihr tatsächlich ein Pfund von meinem Fleische? Wenn ihr mich stecht, dann blute ich doch…

Ring deutscher Makler - TitanicUnd wer darf bei den Unbillen der Wohnungssuche nie fehlen? Genau. Makler. Man fragt sich, was einen jungen Menschen zu dieser Berufswahl treibt – es hat sich seit der Titanic-Kampagne aus den Neunzigern (die Älteren werden sich vielleicht erinnern, den Jüngeren diene sie zur Mahnung) nichts, nichts und nichts geändert. Erst dieser Tage bin ich, nachdem ich mit einer auf 10 Interessenten anwachsenden Gruppe eine Dreiviertelstunde im Kalten gewartet hatte, im Stockdunkeln einer sehr aufgeräumten Dame hinterher gelaufen, die ein “echtes Schmuckstück” zu vermieten hatte. Leider war sie weder über das Stockwerk noch sonstige Details zur Lage informiert, aber sowas findet sich ja, wenn man alle drei Etagen absucht und einfach mal schaut, wo der Schlüssel paßt. Und wer braucht nachts um acht schon Licht, um eine Wohnung zu besichtigen? Immerhin hatte sie eine Taschenlampe mit, vollkommen hinreichend um über den Parkettboden (Ein Interessent: “Das ist doch Laminat?” Maklerin: “Wenn Sie meinen. Das ist sowieso haltbarer.”) und die frisch gestrichenen Wände zu wischen und darauf hinzuweisen, daß der Glückliche, der diese Wohnung bekommt, das Bad erstbenutzen dürfen werde. Wenn es den eingebaut sei. Supi! Als ihr dann diese Dummheit von den Lippen perlte: “Der Balkon geht nach Westen. Oder wars Osten? Aber es ist in jedem Fall recht hell. Aber da brauchen’S jetzt nicht rauszugehen, jetzt ist ja dunkel.” bin ich wortlos gegangen. Irgendwann langts.

Das Schlimmste an solchen Abenden ist, daß ich an jeder Menge Häuser mit hell erleuchterten Fenstern vorbei zu einem Punkt gehe, wo mich ein öffentliches Verkehrsmittel aufklaubt. Und hinter diesen Fenstern sind jede Menge Menschen, die wo wohnen. Mit ihren eigenen Möbeln und so. Und dann bin ich manchmal ganz arg neidisch.

Not in Kansas anymore

Wo man schaut, tragen Menschen (vor allem präpotente männliche) feuerrote Schuhe.

Nun frag ich mich: sind die jetzt auf a mal alle Papst oder hat König Horst die Umbenennung Bayerns in “Oz” verfügt (“aber sagts bloß dem Markus nix davon!”)?

Ich glotz TV: Kückückskind (DE 2014)

Manchmal möchte man nicht. Nicht Gewalt, nicht Psycho, nicht einstürzende Bauten, nicht Doomsday, sondern einfach mal leichte Unterhaltung, die nix von einem will. Und dann guckt man in der Glotze “Kückückskind” und sehnt sich nach nichts mehr als Gewalt, Psycho, einstürzenden Bauten und Doomsday. Vor allem Doomsday.

[Spoiler Alert]

Also, echt voll krass, Alter, das glaubsdunisch, dem Ayse und dem Dominik sind voll bei die Geburt in Krankenhaus vertauscht worden und dann haben die Güngörs dem Mädschen gekriegt und Natalia Wörner dem Kerl und macht aus ihm Weischei und wie der Streß mit Suleyman hat und voll blutet, findet der Krankenhaus raus, dass er ist der Sohn von Erdal und eschte Türke. Dann kommt Gernot Haßknecht von die Heute-Show, macht auf Jugendamt und dann holt sisch Dominik coole bunte Ballonseidejacke und zieht ein bei Gemüsehändler-Baba und -Anne und Ayse zieht ein bei Designer-Mutter in Designer-Villa und dann ist schon wieder Streß, weil der Suleyman dem Dominik sein Handy krallt und der ist immer noch Weischei. Aber dann Schulvorstellung Faust und dem Dominik rapt und sagt Arschloch und Scheisendregg und dann voll der coole Türke, verstehst du? Gibt Suleyman sofort Handy zurück, weil jetzt Respekt. Und wenn du glaubst, daß is schon genug Streß, glaubst du total falsch, Alter. Weil dann hat Ayse sturmfrei Bude, macht Party und die Kanakenkids verstehn nix von Design und dann ist Kollektion im Arsch und übermorgen Fashion Week. Was glaubst du? Ayse voll verzweifelt, aber dann kommt voll der Notfallprogramm und Liebe und türkische Familie und Tante Hatice und Tante Yasemin und Kusine Khadidja und können alle nähen und machen besser und bunter Kollektion mit viel sexier Minikleider wie vorher und dann ist große Erfolg und alles gut und wir alle Türkei. Krass, Alter.

Anmerkung der Betrachterin: Selten eine derartige Häufung dermaßen voll krass saublöder Stereotypen gesehen. Zu denken, daß dergleichen Produktionen von Gebührenzahlern finanziert werden; wäre das mein Geld gewesen, stünde ich jetzt am Lerchenberg und verlangte es zurück.

Neu im Kino: Macbeth

Die Story trägt: Daß einer für Macht und noch mehr Macht über Leichen geht, ist so alt wie die Menschheit. (Und während Macbeth den Prophezeihungen der Wyrd Sisters erliegt, behupen draußen Autokorsos die absolute Mehrheit der AKP; in der neuen Zeit muß man halt manchmal öfter wählen lassen, bis das Volk das richtige Ergebnis z’sammbringt.) Daß er es tut, weil der Tod seines Kindes ein tiefes Loch in ihn reißt, steht schon als Option bei Shakespeare und wird in dieser Version aufgegriffen.

Michael Fassbenders Macbeth (mit blauen Braveheart-Streifen auf dem Fight-Face) ist glaubwürdig, seine Entmenschlichung nachvollziehbar und einmal hab ich sogar lachen müssen, als er endlich alle überwunden und ausgeschaltet hat und ihm so recht fad ist und er dann gar nichts damit anfangen kann, mit seiner Macht. Justin Kurzel inszeniert ein Schottland in Nebelschwaden und Schlechtwetter und im Verlauf des Films verschwinden fast alle Farben. Übrig bleiben Rot und Schwarz, satt wie in Comic-Panels.

Wie schon so oft im Schottischen Stück, ist entweder Macbeth stark angelegt oder seine Frau. Marion Cotillards Lady bleibt eigentümlich farblos. Sie ist zu hübsch und zu ätherisch, als daß man ihr die Kampfschottin an seiner Seite abnähme. Ihr Tod hinterläßt noch nicht mal bei Macbeth eine Lücke, umso weniger beim Publikum.

Hätte es noch einer weiteren Macbeth-Verfilmung bedurft? Weiß ich nicht. Wenn ja, dann diese.

Anschauen!