Mein Papa sieht und hört nimmer so gut und seine Knochen sind alt und morsch, deswegen verbringt er viel Zeit mit dem, was meine amerikanische Kollegin Lucy “the electronic Nanny” nannte. Am liebsten schaut er Gerichts- und Ermittlersendungen “nach echt wahren Tatsachen”, also die Billigproduktionen der Sender, bei denen von der Straße weggefangene Darsteller* schlecht geschriebene Texte furchtbar hölzern aufsagen. Soweit das Vorurteil, und – wie ich nach mehrstündigem Intensivstudium (“setz’ dich doch mal ein bißchen zu deinem Vater und schau mit ihm fern”) belegen kann – auch Urteil. Aber es ist ja nie irgendwas so schlecht, daß es nicht auch sein Gutes hätte – die Dinger sind nämlich, wenn man die Lautstärke, die grottenschlechten Akteure, die haltlosen Stories und das Dummrumgehample abzieht, total komisch. Unfreiwillig zwar, aber wer kehrt? Nachfolgend die Highlights aus zwei Nachmittagen:
- Schnauzbärtiger Kleiderschrankdetektiv zum schnauzbärtigen nur halbkleiderschrankbreiten Detektivassistenten: “Das sind doch Einstichnarben, hier am Hals” (zeigt auf schlecht geschminktes Erste-Hilfe-Dummy). Assistentendarsteller (seinen Text mühselig memorierend): “Nein, da war keine Spritze. Der Tathergang sieht so aus, daß das Opfer (zeigt ebenfalls auf das wirklich schlecht geschminkte Erste-Hilfe-Dummy) versehentlich mit dem Hals in die Kreissäge gekommen sein muß.”
Es scheint, daß manche dieser Serien auch im jeweils lokalen Dialekt produziert werden. Das wird dann komisch, wenn man den schwäbischen Hausmeister mit einem sächsischen Laiendarsteller besetzt und der (sich windend) zum Vorwurf der Geldwäsche äußern soll.
- Schwarzrobenrichter zum Schmuddelangeklagten im grauen Berufskleidungskittel: “Angeklagter, wie erklären Sie die hohen Stapel frischgedruckter Geldscheine (denn so spricht er, der Richter) in Ihrem Spind?” Hausmeisterdarsteller: “Herr Rischter, isch wars nüsch.” (Kurze peinliche Pause, weil die Antwort noch gar nicht dran war.) Richterdarsteller rettet die Situation durch Wiederholung seiner Frage, diesmal donnernd, denn wie wir alle wissen, trägt erhöhte Lautstärke immer zum Verständnis auf der Gegenseite bei. Hausmeisterdarsteller (nun schwimmend): “Ja, aber. Aber das war doch vorher schmutzisch.” Seine Robenschaft schreitet daraufhin ohne weitere Nachfragen zur Urteilsverkündung.
Wenn der Fernseher mal kurz nicht läuft, dann dudelt bei uns daheim SWR 4. Da möchte ich gerne mal Mäuschen bei der Programmplanung spielen. Wobei, nein, brauche ich eigentlich nicht, ich kann mir die Direktive auch so vorstellen: 1 x stündlich “Atemlos durch die Nacht”, den Rest der Zeit füllen wir mit Archiv-Material. Costa Cordalis, Peter Alexander, Gabi Baginski, Lena Valaitis, der Junge mit der Mundharmonika, Griechischer Wein… Alle nicht totzukriegen. Dazwischen Verkehrsnachrichten und der Ansager wiederholt im Laufe der beiden Tage bei mindestens jeder zweiten Ansage nach dem Signalton dieses Späßle: “Mann, ist auf den Straßen viel los. Das ist ja die reinste Peep Show heute.” Weiah!
Ich erwäge zur Dekontaminierung den Aufenthalt in einem Kartäuserkloster.
* Wer sowas “Schauspieler” nennt, wird von einem Absolventen des Max-Reinhardt-Seminars umgehend und zu Recht standesrechtlich erdolcht.