“Tritt ein, sag’ Nein”

Die Jusos rufen seit Montag unter dem Motto “Tritt ein, sag’ Nein” dazu auf, möglicherweise nur vorübergehend in die SPD einzutreten, um beim Mitgliedervotum den Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD und damit eine Neuauflage der GroKo ablehnen zu können. Die Zahl der Neueintritte steigt täglich.

Ich weiß noch nicht, was ich von dieser Aktion des kühnen Kevin halten soll, “undemokratisch”, wie heute früh ein SPD-Grande zeterte, finde ich sie nicht. Frech ja. Frech ist sie auf jeden Fall. Aber das muß ja nicht schlecht sein und tut so langsam Not. Dazu paßt, dass Sonneborn erwägt, den PARTEI-Mitgliedern den Eintritt in die SPD ebenfalls zu empfehlen.

Ich bin sehr gespannt, wie das ausgehen wird.

“Eil-Appell: Krieg – mit deutschen Panzern”

Ich lese den e-mail-Betreff oben und wundere mich noch über Sinn oder Unsinn eines Ei-Appells, während mein schon seit Tagen übermüdetes Hirn auf Autopilot schaltet und alleine und frei vor sich hin assoziiert, “für’n Appel und ‘n Ei”, “eiiiin belegtes Brot mit Schinken, eiiiin belegtes Brot mit Ei…”, “an apple a day keeps the doctor away”, “eierlegende Wolfsmilchsau” (s. https://flockblog.de/?p=34148), “Milchmädchenrechnung”, Buttermacherfrosch*… man sollte demnächst über den Zusammenhang von Agrargesellschaft und Idiomatik forschen; ich brauche dringend ein, zwei, sieben Sabbaticals.

Aha. Heute ist also wieder einer von diesen Tagen. Oi wei.

Mein Telefon klingelt. Es dauert einen (längeren) Moment, bis ich wieder in den “Die-geben-mir-hier-nur-Geld-wenn-ich-mit-anderen-Leuten-spreche”-Modus umschalten und den potentiellen Kunden nach seinem Begehr fragen kann.

* Zwei Frösche, deren Tümpel die heiße Sommersonne ausgetrocknet hatte, gingen auf die Wanderschaft. Gegen Abend kamen sie in die Kammer eines Bauernhofs und fanden dort eine große Schüssel Milch vor, die zum Abrahmen aufgestellt worden war. Sie hüpften sogleich hinein und ließen es sich schmecken.Als sie ihren Durst gestillt hatten und wieder ins Freie wollten, konnten sie es nicht: die glatte Wand der Schüssel war nicht zu bezwingen, und sie rutschten immer wieder in die Milch zurück.Viele Stunden mühten sie sich nun vergeblich ab, und ihre Schenkel wurden allmählich immer matter. Da quakte der eine Frosch: »Alles Strampeln ist umsonst, das Schicksal ist gegen uns, ich geb’s auf!« Er machte keine Bewegung mehr, glitt auf den Boden des Gefäßes und ertrank. Sein Gefährte aber kämpfte verzweifelt weiter bis tief in die Nacht hinein. Da fühlte er den ersten festen Butterbrocken unter seinen Füßen, er stieß sich mit letzter Kraft ab und war im Freien.

(Fabel nach Äsop)

Muttermund

Meine Mama hat neulich im Fernseh eine Reportage über Smart Homes angeguckt und seitdem steht für sie fest: “So ein Alex kommt mir nicht ins Haus, der macht einen ganz durchsichtig.”

Find ich gut, dass sie sich aktiv um die Sicherheit ihrer Privatsphäre kümmert.

PS: s. https://flockblog.de/?p=34256

Sonntags nie

Wo viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, muß es Regeln geben. Is klar, is gut und richtig. Hier in der Wohnanstalt gibt es besonders viele ausgesprochen wunderschön kryptische Vorschriften; die meisten sind mit Hand geschrieben, in längst verblaßtem schwarzen Filzstift auf inzwischen verblichenem Packpapier und liebevoll mit Isolierband in mehreren Farben gerahmt. Vermutlich ist hier in grauer Vorzeit einmal ein Deutsch-als-Fremdsprache-Hausmeister in den Dialog mit der Hausgemeinschaft getreten und hat Verbotten-Schilder aus dem Gedächtnis nachempfunden. Man versteht ja eigentlich auch, was er einem sagen will, es macht halt nur beim Lesen und sich Antworten ausdenken so sehr viel mehr Spaß…

Kommt mit ins Abenteuerland… Kartons vor Tonne kleinmachen Dahinter, darüber, darunter, daneben gildet nicht und schon klingts wie ein Abzählreim vom Arik Brauer (https://www.youtube.com/watch?v=hDeFYKmgePQ). Weiter zum vielleicht allerschönst plazierten “Bitte” in der langen Geschichte des teutschen Verbotsschildes: Spielplatz ist zum Spielen. Bitte. Herumlungern woanders. Als nächstes gehen wir in die Waschküche sowie zur Metaphysik: Wäsche hängt höchstens 24 Stunden Und dann? Was tut Wäsche, wenn sie einen Tag lang herumgehangen hat? Zieht los und sucht ihr Glück? Schreibt den großen amerikanischen Roman des 3. Millenniums? Man weiß es nicht und wird es nie erfahren, sicher ist nur: Benutzer dieser Waschanlage sind verpflichtet Wozu? Könnte man sich von dieser ominösen Pflicht entbinden lassen und wenn ja, wie? Ablasszahlungen? Opfern Erstgeborener? Ein simples Linsengericht? Man erfährt leider nur, was nicht hilft: Keinesfalls Schuhe nicht auch Vorleger. Okay, okay, okay. Was dann? Sie wollen hier nicht putzen. Will ich nie und nirgends, aber das scheint nicht das Thema zu sein.

Wir verlassen die Waschküche und leise weint mein Lieblingsschild uns hinterher: Kinder nicht mitnehmen Das, oh poetischster aller Hauswarte verspreche ich aus vollem Herzen. Die laß ich dir da. Alle.

Zum unsinnigsten aller Verbote gibts übrigens kein Schild: sonntags wird den Waschmaschinen der Strom abgestellt. Warum? Wieso? Weshalb? Kann einem keiner sagen. Ich habe ja Soziologen vom Ministerium für Einsamkeit im Verdacht – soviel Kommunikation wie unter den berufstätigen Samstagswäschern kommt hier in der Wohnanstalt sonst eher selten vor.

Vorhin in der U-Bahn

Im Vierer gegenüber sitzt ein älterer Herr mit wulstigen Graubrauen, dickem Pfeffer-Salz-Schnauzer, 2,5 Millimeter-Haarschnitt, langer grauer schwerer Kleppermantel, die grüngraue Uniformtarnhose in die hochgeschnürten Stiefel gesteckt. Falls noch irgendwelche Zweifel an seiner beruflichen Orientierung geherrscht hätten, räumt der Klingelton seines Handys sie aus – ich alte Zivilisten hätte noch nicht einmal gewußt, dass es die Note “Geschützfeuer” gibt.

So wie er seinen Gesprächspartner anbellt, muß er auf eine lange Karriere als Drillsergeant zurückblicken und ist nicht gerne in Rente gegangen. Gar nicht gerne.

Lage. Lage. Lage.

Wenn frau mitten unterm Kochen eines Gemüsecurrys mit Tofu plötzlich feststellt, dass die gelbe Currypaste ausgegangen ist und in der Dose hinten im Schrank, in der Kokosmilch hätte sein sollen, Litschies im eigenen Saft schwimmen, dann war es schon ungeheuer vorausschauend, dass sie ihre Wohnung so gewählt hat, dass der Asia-Supermarkt nur ein paar Trippelschrittchen vor der Haustür liegt und die es dort mit den Ladenschlusszeiten nicht ganz genau nehmen.

Ich koch dann mal fertig. Nunmehr mit allen Zutaten, aber ohne dein Mama. Die macht heute Instant-Nu.

Instant Nu

Eau de Vie

Gibt es eigentlich Wasserwettbewerbe? Ich meine jetzt nicht, dass Menschen Wasser als Wettbewerbsgrund nutzen (Hallo Larry Ellison, Mark Spitz, Aquaman, Franzi van Almsick und Michael Phelps*), sondern Wässer gegen einander antreten? Also Sieben Weltmeere gegen Binnenseen United oder die Wettkämpe der Gemischten Doppel Donau/Rhein vs. Wolga/Don oder die Matches Iguazú Falls gegen Sabines Klospülung? Falls ja, zieht letztere hiermit ihre Teilnahme zurück.

Pienktliieech heute morgen um acht erschien nämlich Herr “Mein-ungarischer-Name-ist-Kovacs” mit Werkzeugkoffer und Tinkturenarsenal (“olles, wos Mänsch gägen Kalk braucht”) und rückte dem kleinen Sprudelteufel zu Leibe. Keine zwei Stunden später war der Beesewicht (ein vollkommen verkalktes WieauchimmerdiesesTeilheißt) ersetzt und das Bad gründlich eingesaut.

Frage mich seitdem, ob der Herr Kovacs vielleicht iieebär siieebän Äcken mit dem Herrn Stiieeckäl vom Volkstheater verwandt ist. Der braucht auch immer ungefähr so lang, um seine Bühne zu verdrecken.

 

* Hab die Namen zu meiner eigenen großen Überraschung alle auf Anhieb richtig geschrieben. Go Schwimmsport!

Vom Winde verweht

Seit Friederike da draußen tobt, machen die Fahnen in der Gewerbehofeinfahrt nebenan den Über-Hölderlin und wenn ich mir die schwer wankenden Bäume neben meinem Fenster anschaue, fällt mir der arme Ödön von Horváth ein. Und der Brechtsche Baum Green und seine Seemänner sowie faustische und Shakespearsche Stürme und …

Ich glaube, ich sollte dringend ein Sabbatical nehmen und zum Einfluß von starken Winden auf das Weltkulturschaffen forschen.

“🐝 Ausgesummt”

Es ist sowieso noch viel zu früh für alles und grad erst hab ich im Büro den Rechner hochgefahren und… Wahhhaaa? Es ist noch nicht ganz Tag und ein hartnäckiges Bienchen summt herum? Wo kommt die her? Was soll das? Häbbät hilf. Liebe Sabine, bsssssssss – bssss – bss: Wie bitte? Wasislos? Wer summt? Das Summen der Bienen wird immer leiser, verstummt es bald ganz? Häh? Weiß ich nicht. Ismirauchgradegal. Ich brauche erst mal Kaffee, bevor ich dazu eine Meinung haben werde, will und kann.

Nach dem ersten Schluck erfahre ich: Agrarminister Christian Schmidt (CSU) macht sich wieder selbstständig. Ist doch, denkt die eine erwachende Gehirnhälfte, eigentlich nicht schlimm; wieder ein spinnerter Einzelkämpfer mehr in Bayern, wieder ein Depp weniger bei der CSU – paßt doch. Wogegen soll ich denn jetzt sein? Ah, Nikotin, gar Neonikotin, denn die Wirkung von Neonikotinoiden auf Bienen ist fatal: Die Tiere finden nicht zurück zu ihrem Stock (kenn ich, das hat bei mir mit Niktotin gar nix zu tun), die Kommunikation unter ihnen bricht zusammen. (Das kann ich als langjährige Raucherin jetzt so nicht bestätigen. Gar nicht.) Oft ist die Folge der Tod. (Okay, das schreiben mir meine Zigarettenschachteln auch. Da finden Biene und Mensch zusammen.)

Halbe Tasse Kaffee getrunken, Biene-Mensch/Mensch-Biene-Beziehung kontempliert, jetzt aber zurück zur e-mail, weiterlesen: was genau wollen die Bienen nun von mir? Eine Unterschrift. Okay. Und warum? Weil, Auf der Bühne der „Wir haben es satt!“-Demo wollen wir 200.000 Unterschriften gegen Neonikotinoide präsentieren. Und eine davon soll meine sein. Okay. Von mir aus. Ich mag Bienen, sie sollen nicht totgehen, kann ich machen. Und dann? So sehen die versammelten Medien, wie wichtig uns gesunde Bienen sind. Und dann?

Dann bin ich erst mal überrascht. Denn die Bienenschützer scheuen den christsozialen Schurken (da sind wir uns einig), glauben aber an das Gute im Sozialdemokraten (da nicht). Wenn ersterer nämlich wieder einen glyphosatgleichen Alleingang wagen wollen sollte, dann: … kann eine das verhindern – die SPD. Herzig.

Gegen Ende des Aufrufs mischt sich noch schnell la vie als Geschichtenerfinderin ein und läßt diesen Aufruf von einem Herrn Chris Methmann unterschreiben. Da muß ich dann doch sehr lachen, denke mir meinen Heisenberg und dass ich schon schlechter in Tage gestartet bin. Der Kaffee ist ausgetrunken, ich leg dann mal los. Bsssssssss – bssss – bss…

 

Alles was kursiv gesetzt ist, habe ich wörtlich dem Campact Bienenkiller Appell entnommen. Falls wer pro Biene stimmen mag: http://bit.ly/2B5wSOt

Aus dem Vokabelheft. Irgendwie.

Irgendjemand scheint es zu seiner ganz persönlichen Mission gemacht zu haben, mich als Abonnentin einer auswärtigen Zeitschrift zu gewinnen und weil Bilder auch bei der Subscriberanwerbung mehr sagen als Worte, schickt er mir e-mails mit bunten Titelblättern. Inzwischen habe ich richtig Freude daran, denn woher hätte ich sonst erfahren, dass auch der gemeine Überleber mehrere Fachblätter zur Auswahl hat?

Den Vogel abgeschossen (mit einer selbstgebauten Armbrust, versteht sich) hat diese Woche “American (was auch sonst?) Survival” mit dem Angebot, mir beizubringen, wie ich im Ernstfall in einer halben Stunde “ready to act”* bin. Und auch für den Ernstfall gibt es in der Welt der Ami-Überleber seffaständlitsch eine Abkürzung, ist wahrscheinlich dem geschuldet, dass eh alle durcheinanderbrüllen und man vor lauter “Go! Go! Go!” niemals die Zeit hätte, “Shit Hits The Fan” im Ganzen auszusprechen. Ach, Amerika, manchmal fehlst du mir…

American Survival
* In meiner kleinen Welt steht “to act” ja für schauspielen; das verleiht dem ganzen nochmal eine extra komische Note. Welches Kostüm wähle ich bloß für den Weltuntergang? Und geben wir dann eher Shakespeare oder Handke? Mensch!