Bei weit geöffneter Balkontür gut belüftet ohne Frösteln geschlafen, von fröhlichen Vögeln in den werdenden Tag gezwitschert – das einzige, was jetzt noch fehlt, ist eine stetig sich steigernde Temperatur und ich bin’s zufrieden.
Trockenfisch
Die gemeine Sardine und ihre Dosenschwestern leiden im Vergleich zu mir unter spröder Haut, weil mein Massageprinz Maliquí, ein geradezu fanatischer Anhänger des Vielhilftvielglaubens, mich eine Stunde immer wieder mit siedendem (na ja, nicht ganz, aber recht schön herrlich heiß wars schon) Öl begossen hat und jetzt bin ich endlich mal warm und geknetet wie ein Dampfnudelteig. Bloß die Duftnote stimmt nicht ganz – Monsieur Masseur steht gerade unheimlich auf Bergamotte.
Off to the Shower,
Lady Grey
Vorhin beim Einkaufen
Die Gattin, eindeutig aus der Generation, die Krieg und Nachkriegshunger am eigenen Leib erlebt hat, stürzt sich mit einem entzückten Schrei auf die “bis zu 80% reduzierten” Lebkuchen, Weihnachtsmänner, Süßes-in-den-Baum-häng-Packerl und häuft sie beidhändig in den Einkaufswagen. Der ungefähr gleichaltrige Grantgatte entlädt den Wagen parallel dazu zügig wieder und wirft die Leckereien mit einem geradezu verzweifelten Gesichtsausdruck in die Schütte zurück. “Jetzt looß des Zeig hoid steh! Do hob i doch scho letzte Woch drauf g’schpiem!”
Keine Ahnung, wer sich durchgesetzt hat, sie waren noch beschäftig, als ich mein bissel Zeug fürs Wochenende bezahlt hatte. Bei denen ist es bestimmt heute Abend daheim ganz besonders beschaulich.
Wie statt was?
Ganz egal. In dem einen Block hier im Viertel, den die Bayernpartei vor der Wahl (Bundestagswahl that is) im Spätsommer 2017 mit ihren Plakaten zugepflastert hat, sind die uns geblieben und behaupten immer noch stur:
„Perspektive statt alternativlos“
was weiterhin so entzückend tiefschürfend klingt wie es bei näherem Hinsehen erschreckend inhaltsarm ist.
Ich glaube, ich werde demnächst einfach mal den Slogan mit ebenso zustimmungsfähigen Thesen wie Mann statt Memme oder Erdnußbutterbrotaufstrich statt Allergie oder gar Flaute statt Burglind überkleben. Bin gespannt, ob es wem auffällt.
Neue Sau im Dorf
Sitzen, so lese ich neulich, ist das neue Rauchen. Seitdem grüble ich: Wie hat man sich Passivsitzen vorzustellen und ist das schädlich?
Ist es nicht erschreckend,
wie leicht man heutzutage in Panik gerät, wenn das Internet mal für ein Stündchen ausfällt?
(Gut, bei mir herrschten besonders erschwerte Bedinungen: ich steckte mitten in einem Übertausendworteblogpost. Mit Bildern. Da kann frau doch nicht ohne Internet. Erst Schnappatmung, dann Abendessen und später doch bloggen. Anfangs voll offline. Ging auch. War aber gar nicht so einfach.)
Sabine goes Shopping
Ich werde von guten Freundinnen immer mal wieder geschimpft und sie haben ja recht, meine Uraltundimmerdabeitasche ist vielleicht wirklich ein bißchen in die Jahre gekommen und sieht inzwischen schon wesentlich abgegriffener aus als noch auf den Urlaubsbildern von vor 20 Jahren (wann sonst käme jemand wie ich oder meine Tasche sonst auf ein Fotto?). Ich sollte mir wirklich einmal eine ordentliche Handtasche zulegen.
Okay, wenn es denn schon sein muß, dann will ich was ganz ausgefallenes, individuelles, so ein rotes Handtaschentier, sowas praktisches für alle Lebenslagen (der Hersteller nennt das: Gelegenheit: Vielseitig begabt), schön rot und groß und geräumig, wie alle meine modebewußten Freundinnen eins haben. Also aufgemacht in Jeffs Einkaufsparadies – ein praktischer roter Rucksack ist gleich gefunden, hopp, in den Einkaufswagen und fertig – haaa-aaalt! Nix da! Erstens hamma sowas schon und zweitens wollten wir doch eine Handtasche kaufen. Was feineres, so für Damen.
Na gut, dann gehe ich halt nochmal gucken. Ich weiß ja, was ich will: Eine geräumige Handtasche mit großen Trägern und einem extra Schulterriemen sowie vernünftig organisiertem Innenleben. In rot. Ganz unkompliziert. Denke ich, die ich nie Handtaschen kaufe.
Ich lerne viel an diesem Nachmittag. Als allererstes: Handtaschen gibt es gar nicht, sondern Single Schulter, Crossbody und Hand tragen, Neue Art Beutel, Schulterkurier, Beutel, Große Tote, Weibliche Schultertasche [gibts dazu auch ein männliches Gegenstück und machen die die Kinderbeutel?], Damenleder, Rucksack, Solide Tote Kupplungen, Handtaschendamen, Tagesrucksäcke, Vintage, Reisetasche, Rot, Frauen arbeiten Handtasche, Schultertasche, Large Tote Damen, Geldbeutel, Eimertasche für Frauen, Mulitpocket, Großer kapazität mit Langen Tassel – und so geht das noch seitenweise weiter. Was erwarte ich von meiner Handtasche? Was sagen die? (Wenn das schlecht zu lesen ist, einfach doppelklicken.)
Vielleicht sollte ich mir erst einmal klarwerden, zu welcher Zielgruppe ich mich am ehesten zähle und dann eine Entscheidung für das adäquate Modell fällen. Bin ich jetzt mehr so Hochschulfrau oder Mädchengymnasium, Weisefrau, Mini Mädchen oder Handtaschendame oder doch mehr der Typ Frauen arbeiten und was unterscheidet die, wenn überhaupt, von der Frau Geschäfts? Bin ich aus Herstellersicht möglicherweise sogar Large Tote Damen*?
Ha! Da! Ich habs gefunden. Wer mich kennt, kann nur zustimmen: wer, wenn nicht ich, ist die klassische Beuteluxusfrau? (Häh? Schwer? Stimmt. Ich hab auch einen Moment gebraucht. Der Begriff setzt sich aus drei Teilen, nämlich Beutel, Luxus und Frau zusammen.) Und ist der TT (Taschentyp) überhaupt relevant? Nein, bescheidet mich meine neue Freundin, ihres Zeichens Einkaufsberaterin und ganz klar jemand, der sich auskennt. Size matters, sagt sie. Hauptsache groß, denn manchmal werden Mädchen und Damen immer versehentlich ihre Sachen mitnehmen, bevor sie ausgehen können, daher ist es sehr wichtig, eine stilvolle Tasche mit großer Kapazität zu haben. Und wenn zum lässiger Gebrauch für: Schule, Ausflug, Ausgehen, Fenster einkaufen, Umchlag, Kupplung, Party, Hochzeit, Fitnessraum, Wanderreisen, Aufflug [Abflug fehlt mir, aber ich will ja nicht kleinlich sein, kommt bestimmt noch auf seiner der hurrrummppfzig Produktseiten noch], mit Freundin, Freund, Mann, Ehemann, andere, usw. tatsächlich noch das passende Tascherl fehlen sollte, hat sie einen TT (Tollen Tip): Vereinfachen Sie sich: mehrere Ledertaschen Taschen können Ihre Sachen organisieren, loswerden der ersten Suche in Schwierigkeiten.
Mann, Frau, ich will doch bloß eine lumpige Handtasche und wenn ich in einem Laden wäre, wäre ich längst vollkommen überfordert wieder gegangen. Online halten sie mich mit ihrem Schwachsinn noch eine Weile bei der Stange und ich kann ja nebenher auch mal nach Neuerscheinungen suchen oder… Nein. Wir fragen uns jetzt erst einmal: was soll denn rein in den Neubeutel? Mappe, Handy, Schlüssel, faltender Regenschirm, Ipad Luft, Textbuch usw? Trinkfalsche? Klar, alles. Mein Maßstab für meine praktische Ledertasche (mit Schulterriemen) von Lederwaren Hetzenegger damals an der Uni waren Platz für Unterlagen, Schreibzeug, Bücher und immer noch Restraum genug, um die Lebensmitteleinkäufe auf dem Heimweg zu verstauen. Sowas hält bei mir lang, ist aber dann doch, wg. leider vollkommen zerschlissen, in Amerika der Heilsarmee übergeben worden. Fast alle der hier angebotenen Modelle haben zwei Handyffächer unterschiedliche Größe; es scheint, dass Handtaschendamen nicht mit einem einzigen Mobiltelefon auskommen und es erst recht nicht in der Hosentasche herumtragen. Ich muß noch viel lernen.
Taschenmäßig bin ich, wo ich vor einer Stunde schon war: groß, rot, Schulterriemen, Henkel, Innenleben. Innen hat 1 Reißverschluss und 2 durchrutschen Wandtaschen. Ha, jetzt wird ein Schuh draus – ich werde das Ausschlußverfahren anwenden. 1 Reißverschluss und 2 durchrutschen Wandtaschen? Die wirds nicht. Auch nicht das Modell mit Bezug Limited Snake Skin, das macht mir schon bei der Vorstellung Angst, genau wie dieses Zottelmonster.

Ich brauche auch keine Originalproduktpiratentasche, erst recht nicht eine mit so einer Fünfsternebewertung: “sehr schöne Tasche, sieht viel teurer aus als es kostet”. Meine Fresse, nachdem ich, die ich in Markendingen doch eher unbedarft bin, bei diesem Fenstereinkauf zum ersten Mal gesehen habe, mit welcher Chuzpe das Copyright ununterbrochen verletzt und unterlaufen wird, verstehe ich die Herrschaften Birkenstock erst so richtig. Ja, okay, naiv, aber ich kaufe Zeugs, gerade Kleidung und – Gott behüte – Schuhe nicht, weil irgendein Name draufgepappt ist, sondern weil ich sie praktisch und bequem / angenehm zu tragen finde; hübsch ist kein Hindernis, aber auch nicht Bedingung. Und das mit dem Browserverlauf muß gelogen sein…
Himmelherrgott. Kann man denn hier gar niemandem trauen?
Welches Däschle hätt‘ ich denn jetzad gern? Meine neue Freundin, obwohl sie bildschöne Sätze wie diesen absondert, lassen Sie Ihren Selbstcharme verbessern, ist mir auch keine Stütze mehr, nachdem ich sie erwischt habe, wie sie, egal bei welchem Hersteller mit dessen Tasche als der besten, schönsten und allergeklautesten von allen posiert und dabei ein falsches Vielzahnlachen im Gesichte trägt, nein, mit der mag ich nichts mehr zu tun haben.
Aber hier, diese Leute scheinen ehrlich zu sein:
Und sie sind reinlich.
Außerdem haben sie alles in der Tasche: weich, mittel und hart sowie einfarbig Muster. (Schwarze Karos auf schwarzem Grund oder so.)
Ob das für eine vertrauensvolle Handtaschenverkäufer-Beutelkäuferin-Beziehung reicht? Darüber muss ich erst noch einmal schlafen. Die haben nämlich auch sowas im Angebot:
und Einhorndevotionalien sind triple-no-go und zwar in allen Farben und vor allem und ganz besonders in Pink, Silber, Gold und Rot!
Triple!! No!! Go!!
Vielleicht sollte ich mir einfach gelegentlich einmal wieder einen Rucksack kaufen, der den aktuell im Sterben liegenden ersetzt und weiterhin meine abgewetzte Uraltundimmerdabei-Handtasche hernehmen.
Do feit si schließlich sonst nix…
* Ich habe mir alle weiteren “Tote”-Wortspiele gespart, aber ganz ohne gings dann doch nicht.
PS: Für die vielen Farben Rot, die ich bei meiner Recherche kennengelernt habe, schreibe ich vielleicht irgendwann noch einmal einen gesonderten Blogpost. Für heute genüge es zu sagen, dass der Erfinder des Pantone-Fächers selbst mit allen Sondertönen noch nicht einmal knapp an der Untergrenze der Möglichkeiten angekommen ist.
PPS: Möglicherweise hat Herr M. E. aus München recht, wenn er sagt: “Kind, aus dir wird nie eine Dame.” Nach dieser Shoppingtour bin ich geneigt, ihm zuzustimmen. Habe aber immerhin zwei Bücher für die Ferien gefunden.
PPPS: Alles, was kursiv gesetzt ist, sind wörtliche Zitate. Nichts hinzugefügt, nichts weggelassen.
Neu bei der BBC: A Christmas Carol goes wrong
Die Herrschaften auf der Insel nennen ihre British Broadcasting Company liebevoll “Auntie” und das gute Tantchen zeigt auch in diesem Jahr wieder ein einstündiges Klamaukstück der Cornley Polytechnic Drama Society – also, eigentlich nicht, eigentlich hätte es ganz brav der Dickens-Klassiker sein sollen, aber die Truppe aus Cornley kapern flitzeflott Stück und Set und machen wieder nur Unfug.
Ich fand den schiefgeganenen Peter Pan (s. hier: https://flockblog.de/?p=32093) im letzten Jahr noch lustiger und schräger und chaotischer, aber Scrooge und seine Weihnachtsgeister sind auch sehr schön geraten und sollten gesehen werden. Unterhaltsamer als das Neujahrskonzert sind sie allemal. Außerdem spielt Diana Rigg mit. Ohne Schirm und Melone, aber mit viel Charme.
Ein gutes Omen
Das erste, was mir nach dem Nachtgeböller an diesem Neujahrsmorgen zu Ohren kommt ist “THINK!” in der mitreißenden Version von Aretha Franklin.
Ja dann. Das kann ich als Motto für 2018 gelten lassen.





