Sabine goes Shopping

Ich werde von guten Freundinnen immer mal wieder geschimpft und sie haben ja recht, meine Uraltundimmerdabeitasche ist vielleicht wirklich ein bißchen in die Jahre gekommen und sieht inzwischen schon wesentlich abgegriffener aus als noch auf den Urlaubsbildern von vor 20 Jahren (wann sonst käme jemand wie ich oder meine Tasche sonst auf ein Fotto?). Ich sollte mir wirklich einmal eine ordentliche Handtasche zulegen.

Okay, wenn es denn schon sein muß, dann will ich was ganz ausgefallenes, individuelles, so ein rotes Handtaschentier, sowas praktisches für alle Lebenslagen (der Hersteller nennt das: Gelegenheit: Vielseitig begabt), schön rot und groß und geräumig, wie alle meine modebewußten Freundinnen eins haben. Also aufgemacht in Jeffs Einkaufsparadies – ein praktischer roter Rucksack ist gleich gefunden, hopp, in den Einkaufswagen und fertig –  haaa-aaalt! Nix da! Erstens hamma sowas schon und zweitens wollten wir doch eine Handtasche kaufen. Was feineres, so für Damen.

Na gut, dann gehe ich halt nochmal gucken. Ich weiß ja, was ich will: Eine geräumige Handtasche mit großen Trägern und einem extra Schulterriemen sowie vernünftig organisiertem Innenleben. In rot. Ganz unkompliziert. Denke ich, die ich nie Handtaschen kaufe.

Ich lerne viel an diesem Nachmittag. Als allererstes: Handtaschen gibt es gar nicht, sondern Single Schulter, Crossbody und Hand tragen, Neue Art Beutel, Schulterkurier, Beutel, Große Tote, Weibliche Schultertasche [gibts dazu auch ein männliches Gegenstück und machen die die Kinderbeutel?], Damenleder, Rucksack, Solide Tote Kupplungen, Handtaschendamen, Tagesrucksäcke, Vintage, Reisetasche, Rot, Frauen arbeiten Handtasche, Schultertasche, Large Tote Damen, Geldbeutel, Eimertasche für Frauen, Mulitpocket, Großer kapazität mit Langen Tassel – und so geht das noch seitenweise weiter. Was erwarte ich von meiner Handtasche? Was sagen die? (Wenn das schlecht zu lesen ist, einfach doppelklicken.)

Handtasche, Bedeutung

Vielleicht sollte ich mir erst einmal klarwerden, zu welcher Zielgruppe ich mich am ehesten zähle und dann eine Entscheidung für das adäquate Modell fällen. Bin ich jetzt mehr so Hochschulfrau oder Mädchengymnasium, Weisefrau, Mini Mädchen oder Handtaschendame oder doch mehr der Typ Frauen arbeiten und was unterscheidet die, wenn überhaupt, von der Frau Geschäfts? Bin ich aus Herstellersicht möglicherweise sogar Large Tote Damen*?

Ha! Da! Ich habs gefunden. Wer mich kennt, kann nur zustimmen: wer, wenn nicht ich, ist die klassische Beuteluxusfrau? (Häh? Schwer? Stimmt. Ich hab auch einen Moment gebraucht. Der Begriff setzt sich aus drei Teilen, nämlich Beutel, Luxus und Frau zusammen.) Und ist der TT (Taschentyp) überhaupt relevant? Nein, bescheidet mich meine neue Freundin, ihres Zeichens Einkaufsberaterin und ganz klar jemand, der sich auskennt. Size matters, sagt sie. Hauptsache groß, denn manchmal werden Mädchen und Damen immer versehentlich ihre Sachen mitnehmen, bevor sie ausgehen können, daher ist es sehr wichtig, eine stilvolle Tasche mit großer Kapazität zu haben. Und wenn zum lässiger Gebrauch für: Schule, Ausflug, Ausgehen, Fenster einkaufen, Umchlag, Kupplung, Party, Hochzeit, Fitnessraum, Wanderreisen, Aufflug [Abflug fehlt mir, aber ich will ja nicht kleinlich sein, kommt bestimmt noch auf seiner der hurrrummppfzig Produktseiten noch], mit Freundin, Freund, Mann, Ehemann, andere, usw. tatsächlich noch das passende Tascherl fehlen sollte, hat sie einen TT (Tollen Tip): Vereinfachen Sie sich: mehrere Ledertaschen Taschen können Ihre Sachen organisieren, loswerden der ersten Suche in Schwierigkeiten.

Mann, Frau, ich will doch bloß eine lumpige Handtasche und wenn ich in einem Laden wäre, wäre ich längst vollkommen überfordert wieder gegangen. Online halten sie mich mit ihrem Schwachsinn noch eine Weile bei der Stange und ich kann ja nebenher auch mal nach Neuerscheinungen suchen oder… Nein. Wir fragen uns jetzt erst einmal: was soll denn rein in den Neubeutel? Mappe, Handy, Schlüssel, faltender Regenschirm, Ipad Luft, Textbuch usw? Trinkfalsche? Klar, alles. Mein Maßstab für meine praktische Ledertasche (mit Schulterriemen) von Lederwaren Hetzenegger damals an der Uni waren Platz für Unterlagen, Schreibzeug, Bücher und immer noch Restraum genug, um die Lebensmitteleinkäufe auf dem Heimweg zu verstauen. Sowas hält bei mir lang, ist aber dann doch, wg. leider vollkommen zerschlissen, in Amerika der Heilsarmee übergeben worden. Fast alle der hier angebotenen Modelle haben zwei Handyffächer unterschiedliche Größe; es scheint, dass Handtaschendamen nicht mit einem einzigen Mobiltelefon auskommen und es erst recht nicht in der Hosentasche herumtragen. Ich muß noch viel lernen.

Taschenmäßig bin ich, wo ich vor einer Stunde schon war: groß, rot, Schulterriemen, Henkel, Innenleben. Innen hat 1 Reißverschluss und 2 durchrutschen Wandtaschen. Ha, jetzt wird ein Schuh draus – ich werde das Ausschlußverfahren anwenden. 1 Reißverschluss und 2 durchrutschen Wandtaschen? Die wirds nicht. Auch nicht das Modell mit Bezug Limited Snake Skin, das macht mir schon bei der Vorstellung Angst, genau wie dieses Zottelmonster.

Handtasche, Fransentasche1
Ich brauche auch keine Originalproduktpiratentasche, erst recht nicht eine mit so einer Fünfsternebewertung: “sehr schöne Tasche, sieht viel teurer aus als es kostet”. Meine Fresse, nachdem ich, die ich in Markendingen doch eher unbedarft bin, bei diesem Fenstereinkauf zum ersten Mal gesehen habe, mit welcher Chuzpe das Copyright ununterbrochen verletzt und unterlaufen wird, verstehe ich die Herrschaften Birkenstock erst so richtig. Ja, okay, naiv, aber ich kaufe Zeugs, gerade Kleidung und – Gott behüte – Schuhe nicht, weil irgendein Name draufgepappt ist, sondern weil ich sie praktisch und bequem / angenehm zu tragen finde; hübsch ist kein Hindernis, aber auch nicht Bedingung. Und das mit dem Browserverlauf muß gelogen sein…

Handtasche, Inspiriert von Ihrem Browserverlauf

Himmelherrgott. Kann man denn hier gar niemandem trauen?

Welches Däschle hätt‘ ich denn jetzad gern? Meine neue Freundin, obwohl sie bildschöne Sätze wie diesen absondert, lassen Sie Ihren Selbstcharme verbessern, ist mir auch keine Stütze mehr, nachdem ich sie erwischt habe, wie sie, egal bei welchem Hersteller mit dessen Tasche als der besten, schönsten und allergeklautesten von allen posiert und dabei ein falsches Vielzahnlachen im Gesichte trägt, nein, mit der mag ich nichts mehr zu tun haben.

Aber hier, diese Leute scheinen ehrlich zu sein:

Handtasche, jede Tasche kann gerochen werden

Und sie sind reinlich.

Handtasche, Waschhinweise

Außerdem haben sie alles in der Tasche: weich, mittel und hart sowie einfarbig Muster. (Schwarze Karos auf schwarzem Grund oder so.)

Handtasche, Produktbeschreibung

 

 

Ob das für eine vertrauensvolle Handtaschenverkäufer-Beutelkäuferin-Beziehung reicht? Darüber muss ich erst noch einmal schlafen. Die haben nämlich auch sowas im Angebot:

Handtasche, Unicorn Tears

 

 

 

 

und Einhorndevotionalien sind triple-no-go und zwar in allen Farben und vor allem und ganz besonders in Pink, Silber, Gold und Rot!

Triple!! No!! Go!!

Vielleicht sollte ich mir einfach gelegentlich einmal wieder einen Rucksack kaufen, der den aktuell im Sterben liegenden ersetzt und weiterhin meine abgewetzte Uraltundimmerdabei-Handtasche hernehmen.

Do feit si schließlich sonst nix…

 

 

* Ich habe mir alle weiteren “Tote”-Wortspiele gespart, aber ganz ohne gings dann doch nicht.

PS: Für die vielen Farben Rot, die ich bei meiner Recherche kennengelernt habe, schreibe ich vielleicht irgendwann noch einmal einen gesonderten Blogpost. Für heute genüge es zu sagen, dass der Erfinder des Pantone-Fächers selbst mit allen Sondertönen noch nicht einmal knapp an der Untergrenze der Möglichkeiten angekommen ist.

PPS: Möglicherweise hat Herr M. E. aus München recht, wenn er sagt: “Kind, aus dir wird nie eine Dame.” Nach dieser Shoppingtour bin ich geneigt, ihm zuzustimmen. Habe aber immerhin zwei Bücher für die Ferien gefunden.

PPPS: Alles, was kursiv gesetzt ist, sind wörtliche Zitate. Nichts hinzugefügt, nichts weggelassen.

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