Die Fünfte Jahreszeit

Nein, nicht schon wieder Tucholsky, den zitiere ich erst im Spätsommer wieder… Heute geht es um eine Bettdecke, die laut Produktbeschreibung zu jeder Jahreszeit geeignet sei, den Schläfer wohltemperiert zu halten. Immer. Im “Winter, Sommer, Maßnahmen, Frühling, Herbst”.

Ich glaube ja, da hat die Fachkraft für temporale Integrität geschlafen und die Werbung ist aus einem Paralleluniversum zu uns hinübergeleakt, dessen Bewohner schon seit Urzeiten die Maßnahmensaison mit wilden Maßnahmenfesten begrüßen, auf denen eigens dafür gebraute Getränke ausgeschenkt und geheimnisumrankte Zeremonien abgehalten werden, während derer das Haar in seltsamen Flechtklumpen über den Ohren zu tragen ist. (Hallo Leia.)

Doch, ganz bestimmt. Ich werde die Decke bestellen und kurz vor Deckenfrühlingsanfang berichten.

Kreuzweise

Weil wahrscheinlich nicht jede/r die Zeit hat, die Wochenendsüddeutsche von der ersten bis zur letzten Seite zu studieren, erweitere ich heute die Reichweite der Holtschulte-Karikatur von der Leserbriefseite, weil sie mir gar so sehr gefallen hat.

bayern muss schöner werden

Erstens kommt es anders

Die Vorderseite: ein dunkelschwarzer Vintage-Fünfzack-Stern, umgeben von einem fröhlichen hellschwarzen Hüpfherzchenorbit auf Dunkelgrau, auf der Rückseite zwei andere Grautöne in asymmetrischer Anordnung und bei mir, die sich darüber bis dato nie Gedanken gemacht hat, die sehr plötzliche (man denke Daniel Düsentrieb) Erkenntnis, dass es unter uns Menschen geben muss, die ihr Brot mit dem Design von Waschlappen verdienen.

Dann habe ich angefangen darüber nachzudenken, was sonst noch alles auch irgendwie designt daher kommt, vom Klopapier über Küchenrollen bis zur Verpackung von Kalklöser und dann haben sie mir schon leidgetan, die vielen Absolventen der Kunstakademien mit ihren zertrampelten Träumen.

Farbsymbolik

Die meisten kennen’s anders, ich auch, aber meine Kollegin läßt sich um nichts davon abbringen, dass sich die Redewendung von versuchen und nicht von versuchen herleitet und Lila demnach für “… die letzte Versuchung” steht. Ongderessang. Wie sie da wohl draufkommt und will ich es wirklich wissen?

Ach was. Heute ist mein großmütiger Freitag und ich verweise auf diesen Reim:

Roses are Red,
That much is true,
But Violets are purple,
Not fucking blue.

Aus dem Vokabelheft

Es sei, lese ich neulich, a tragity, und weil ich immer bestrebt bin, meinen Wortschatz zu vergrößern, habe ich den Begriff natürlich sofort nachgeschlagen. Die einen sagen, dass es sich um eine von der rechtschreibkenntnislosen Internetgeneration mit ihrer Zweidaumentipperei verhunzte Version des Wortes tragedy handelt, die anderen, dass schon die Bibel von reichlich Tragödien (immerhin acht an der Zahl) zu berichten wisse, wobei in der schrecklichsten von allen ganz offensichtlich nackte Hintern, bare Füße und ein Schnellkochtopf eine Rolle spielen. (Wer mehr wissen will, doppelklicke auf das Bild.)

Tragity2

Man weiß es nicht, wahrscheinlich stimmt alles. Oder nichts. Internet halt.

Altersgerecht

“Feuer, Wasser, Schere, Licht sind für kleine Kinder nicht.” Sie mögen Verdienste haben, die Altvorderen, aber mit ihren Vorschriften fürs Kroppzeug waren sie schon sehr unspezifisch, damals, in der guten alten Zeit. Da sind die Online-Händler heutzutage weiter und sehr eindeutig: Rasiert werden darf der Nachwuchs erst am 3. Geburtstag.

Barbier

Alterserscheinung

Der erste Titel, den ich für diesen blogpost geplant hatte, war “Die Rache der Achtziger”. Aber weil ich eine pflichtbewußte Autorin bin, habe ich doch erst einmal Erscheinungsdaten recherchiert und war ziemlich verblüfft.

Aber von Anfang an: vorhin bin ich an einer Plakatwand vorbeikommen. Pur, so las ich, sei auf Tour (“Abenteuerland” ist 1995 veröffentlicht worden), das Wolfgang-Petry-Musical “Das ist Wahnsinn”* (1986) sei nun – langerwartet – endlich “da” und ich solle mich sputen und ins Internet gehen, dort laufe nämlich der “finale Trailer” zu Mamma Mia II. Das war 1975 ein Hit. Mon Dieu. Ein Querschnitt aus 30 Jahren Popmusik und ich war live dabei, als diese Ohrwürmer veröffentlicht und dann anschließend so lang im Radio rauf und runter gedudelt wurden, bis mein Hey-ich-kann-mir-Texte-merken-Hirn sie gespeichert hatte. Kein Wunder, dass ich mich an keine Fahrtroute erinnere, wenn alles mit Liedern verstopft ist.

Von wegen Rache der Achtziger. Die Dekaden davor und danach waren auch nicht besser und schicken ihre Wiedergänger mit den dummen Reimen. Just one look and I can hear a bell ring, das ist Wahnsinn, der Eintritt kostet den Verstand.

 

* Zitat des Veranstalters: Vier Paare – Menschen wie Du und ich – erleben eine Achterbahnfahrt der Gefühle im alltäglichen Beziehungs-Wahnsinn, gehen durch die Hölle und zurück, streiten und versöhnen sich, stehen sich selbst im Weg und wachsen über sich hinaus. Alles, um am Ende zu sich selbst zu finden und zu erkennen, worauf es im Leben wirklich ankommt. Nämlich**:ein bedeutungsvolles Freundschaftsband, ein abgefackeltes Dixiklo, die Schrottplatzkneipe Whisky Bill, 20 goldene Wasserhähne, ein kleines Stück Papier, das legendäre Holzfällerfest Ho Chi Ka Ka Ho, ein wunder Punkt, ein vermeintlicher Flugzeugabsturz, 20 Tonnen Scampi, eine folgenreiche Gruppentherapie, ein vermeintlich bester Freund, ein Engagement auf Bahia del Sol, ein weiser dänischer Polizist, ein brennender Himmel, eine unerwartete Mariachi-Band, eine wackelige Regenrinne, ein verführerischer Yogalehrer, ein maroder VW Käfer, eine wertvolle Gitarre und ein großes Geheimnis. 

** Das “Nämlich” ist von mir, alles andere ist O-Ton. Man möcht’s nicht sehen müssen und noch weniger hören.

Dernière

So, alle Verbände aufgewickelt und jetzt isses vorbei mit der Schönheit in Bad Tölz (s. https://flockblog.de/?p=35022). Danke allen, den Schauspieler/innen, der Crew, der Regisseurin und natürlich meinen reizenden Begleitern für einen sehr schönen Abend.

Das mach ma nommoi.

Fernsehserien aus der letzten Dekade. 1. “Pushing Daisies”*

Jüngst stellte eine Freundin fest, dass mir während meines Kontinentwechsels offensichtlich die eine oder andere Fernsehserie entgangen sei, wobei es um die meisten, sagt sie, eh nicht schad gewesen wäre. Zwei jedoch legte sie mir sehr ans Herz und in den DVD-Player. Beide sind seinerzeit in den Drehbuchautorenstreik geraten und haben es nicht auf die volle Anzahl von Folgen und nicht auf mehr als zwei Staffeln gebracht. Das klang sympathisch, das passiert mir ja gerne bei Serien, die mir wirklich gut gefallen (ist ja nicht wie bei anderen Menschen, die immer schon jahrelang Fan waren; aber erst, wenn die Serie Jahre später zum Kult mutiert ist). Außerdem mengenmäßig überschaubar, also habe ich auf “Start” gedrückt.

Hmmm. Es ist schon mal gar nicht leicht, für “Pushing Daisies” eine passende Schublade zu finden. Es ist eine Art neuzeitliches phantastisches Märchen, dabei aber morbide, schräg, zeltzam und im besten Sinne komisch und handelt von einem Zuckerbäcker (“The Pie Maker”), der mit einem kurzen Druck seines Zeigefingers Tote wieder zum Leben erwecken kann, wobei die Regel gilt: einmal antippen: lebt, nochmal antippen: ist tot für immer. Wenn das innerhalb einer Minute geschieht: alles gut, wird die Zeitgrenze jedoch überschritten, ist der Preis ein anderes Leben. Irgendein Leben. Bumm. Diese Gabe erweist sich, wie jede übersinnliche Gabe, als Segen und Fluch zugleich; Ned, der Bäcker (Lee Pace) verschafft sich und seinem Privatdetektivkumpel (Chi McBride) ein regelmäßiges Einkommen, indem er zur Quelle geht und sachdienliche Angaben zur Person des Übeltäters direkt vom Mordopfer in der Pathologie einholt. Eine der Leichen ist dann seine Sandkastenliebe, die Minute ist längst um, der Tauschtote eh ein Lüger und Betrüger, um den es nicht schade ist und dann gehen sie miteinander heim, ins Café des Zuckerbäckers, das “Pie Hole” und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage – allein, berühren dürfen sie einander nie niemals nicht, sonst ist sie wieder tot.

Weil kein Mensch so einen komplexen Handlungsaufbau spielen kann, nimmt ein allwissender Erzähler (Jim Dale) die Zuschauer an die Hand und elmargunscht sie durch die Geschichte, deren Personal bald um die singende Überblondinenbedienung Olive Snook (Kristin Chenoweth), die Adoptivschwimmschwesterntanten (Swoosie Kurtz und Ellen Greene**) und den herrlich muffligen Coroner (Sy Richardson) erweitert wird. Und hatte ich die Mutter Oberin und ihr wunderliches Bergkloster schon erwähnt? Oder den Chef des Beerdigungsinstituts, der nur eines will, nämlich, “The Fun” in “Funeral” wieder zu beleben? Und den gar schurkischen Schurken, der der Cafécrew beinahe auf die Schliche gekommen wäre? Oder den Handelsvertreter mit den Glückselixiren, die ebenso quietschebunt sind wie der ganze Film und schätzungsweise neulich im Rahmen einer feierlichen Zeremonie mit 99 Luftballons an die Ausstatter von Lalaland übergeben worden sein müssen? Hatte ich nicht? Macht nix, es gibt ja auch noch die bösartige Delphinfrau und die halb-, dreiviertel- und untoten Väter und… Mit diesem und weiterem superschrägen Personal und einem gerüttelt Maß an Logikfehlern geht das nun über zwei Staffeln und ermüdet sich irgendwann. Zu viel Süßes.

Schon nett, aber ich hab’s dann doch mehr mit der Dystopie.

 

* “Pushing Daisies” bedeutet wörtlich “Gänseblümchen schubsen” und im übertragenen Sinn “Radieschen von unten ansehen”.

** Kennen wir als ganz junges Ding aus der “Little Shop of Horrors”-Verfilmung mit Steve Martin als lispelnde Audrey (“Thuddenly Theymor…”).