Fernsehserien aus der letzten Dekade. 1. “Pushing Daisies”*

Jüngst stellte eine Freundin fest, dass mir während meines Kontinentwechsels offensichtlich die eine oder andere Fernsehserie entgangen sei, wobei es um die meisten, sagt sie, eh nicht schad gewesen wäre. Zwei jedoch legte sie mir sehr ans Herz und in den DVD-Player. Beide sind seinerzeit in den Drehbuchautorenstreik geraten und haben es nicht auf die volle Anzahl von Folgen und nicht auf mehr als zwei Staffeln gebracht. Das klang sympathisch, das passiert mir ja gerne bei Serien, die mir wirklich gut gefallen (ist ja nicht wie bei anderen Menschen, die immer schon jahrelang Fan waren; aber erst, wenn die Serie Jahre später zum Kult mutiert ist). Außerdem mengenmäßig überschaubar, also habe ich auf “Start” gedrückt.

Hmmm. Es ist schon mal gar nicht leicht, für “Pushing Daisies” eine passende Schublade zu finden. Es ist eine Art neuzeitliches phantastisches Märchen, dabei aber morbide, schräg, zeltzam und im besten Sinne komisch und handelt von einem Zuckerbäcker (“The Pie Maker”), der mit einem kurzen Druck seines Zeigefingers Tote wieder zum Leben erwecken kann, wobei die Regel gilt: einmal antippen: lebt, nochmal antippen: ist tot für immer. Wenn das innerhalb einer Minute geschieht: alles gut, wird die Zeitgrenze jedoch überschritten, ist der Preis ein anderes Leben. Irgendein Leben. Bumm. Diese Gabe erweist sich, wie jede übersinnliche Gabe, als Segen und Fluch zugleich; Ned, der Bäcker (Lee Pace) verschafft sich und seinem Privatdetektivkumpel (Chi McBride) ein regelmäßiges Einkommen, indem er zur Quelle geht und sachdienliche Angaben zur Person des Übeltäters direkt vom Mordopfer in der Pathologie einholt. Eine der Leichen ist dann seine Sandkastenliebe, die Minute ist längst um, der Tauschtote eh ein Lüger und Betrüger, um den es nicht schade ist und dann gehen sie miteinander heim, ins Café des Zuckerbäckers, das “Pie Hole” und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage – allein, berühren dürfen sie einander nie niemals nicht, sonst ist sie wieder tot.

Weil kein Mensch so einen komplexen Handlungsaufbau spielen kann, nimmt ein allwissender Erzähler (Jim Dale) die Zuschauer an die Hand und elmargunscht sie durch die Geschichte, deren Personal bald um die singende Überblondinenbedienung Olive Snook (Kristin Chenoweth), die Adoptivschwimmschwesterntanten (Swoosie Kurtz und Ellen Greene**) und den herrlich muffligen Coroner (Sy Richardson) erweitert wird. Und hatte ich die Mutter Oberin und ihr wunderliches Bergkloster schon erwähnt? Oder den Chef des Beerdigungsinstituts, der nur eines will, nämlich, “The Fun” in “Funeral” wieder zu beleben? Und den gar schurkischen Schurken, der der Cafécrew beinahe auf die Schliche gekommen wäre? Oder den Handelsvertreter mit den Glückselixiren, die ebenso quietschebunt sind wie der ganze Film und schätzungsweise neulich im Rahmen einer feierlichen Zeremonie mit 99 Luftballons an die Ausstatter von Lalaland übergeben worden sein müssen? Hatte ich nicht? Macht nix, es gibt ja auch noch die bösartige Delphinfrau und die halb-, dreiviertel- und untoten Väter und… Mit diesem und weiterem superschrägen Personal und einem gerüttelt Maß an Logikfehlern geht das nun über zwei Staffeln und ermüdet sich irgendwann. Zu viel Süßes.

Schon nett, aber ich hab’s dann doch mehr mit der Dystopie.

 

* “Pushing Daisies” bedeutet wörtlich “Gänseblümchen schubsen” und im übertragenen Sinn “Radieschen von unten ansehen”.

** Kennen wir als ganz junges Ding aus der “Little Shop of Horrors”-Verfilmung mit Steve Martin als lispelnde Audrey (“Thuddenly Theymor…”).

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