And now for something completely different…

nämlich der perfekten Sommerlektüre – ich hab mich beim Lesen mehrfach am Strand gewähnt.

John Niven’s oh so very British Novel: “The Sunshine Cruise Company”.

 

Der Plot ist weder super originell noch neu; Frauen am Rande des Rentenalters finden heraus, dass ihre finanzielle Situation ganz anders und wesentlich unsicherer ist, als sie gedacht hätten und dann rauben sie eine Bank aus. Danach passieren so viele witzige Drehungen und Wendungen und alles noch mal anders, dass man einfach nur Spaß beim Lesen wünschen kann.

Der Herr schreibt eine erfreulich leichter Feder und wenn Boulevard so schön daherkommt, dann darf man sich auf ihn einlassen.

Ich verleihe es gern.

The Handmaid’s Tale – 2. Staffel

Nach Umwelt- und Nuklearkatastrophen und deren Folgen ist Amerika gespalten. In ein gutes Amerika, in dem der Wertekanon der westlichen Welt (“freedom and democracy”) noch Bedeutung und Gültigkeit hat und in den alttestamentarisch-christlich-fundamentalistischen Staat Gilead.

Gilead ist in Kasten organisiert; es gibt eine relativ kleine herrschende Klasse, die “Commanders of Faith” (Männer, meist im dreiteiligen Anzug mit Gehrock, schwarz). Der männliche Rest teilt sich auf in “Angels” (Soldaten in Uniform, schwarz), “Guardians” (die gesamte Polizei, in permanenter Präsenz, man denke “Glaubenswächter” im Iran, in Uniform in schwarz) und “Economen” (undefiniertes geschecktgrau, die Arbeitsbienen). Ein jeder kann Mitarbeiter der “Eyes”, des allgegenwärtigen Geheimdienstes, sein.

Man muß sich immer wieder bewußt machen, dass Atwood dieses Buch in den 90er Jahren des letzten Jahrtausends angesiedelt hat, und alle diese Frauen aus einem Leben, wie wir es alle kennen und leben, in diese Gesellschaft gerissen wurden. Den Frauen von Gilead, vollkommen gleichgültig, welcher Kaste sie angehören, ist der Zugang zu allem verwehrt. Kein Job, kein Bankkonto, nicht autofahren, nicht lesen, nicht schreiben. Kein Stift, kein Papier. Keine Medien. Keine Musik.

Die Herren von Gilead haben die Bibel nach ihren Bedürfnissen editiert und leiten daraus das Recht ab, Frauen in “legitime” und “illegitime”zu klassifizieren. Zu ersteren zählen selbstverständlich die “Wives”, Ehefrauen der Commander, Herrin ihrer Haushalte (petrolgrün, immer im Kleid, Hosen sind undenkbar). Und die “Handmaids”. Sie tragen rot. Rot. Rot und dazu weiße Flügelhauben. Ihre einzige Aufgabe besteht in der Reproduktion und zwar mit der herrschenden Klasse. Um dieses Ziel zu erreichen, werden sie an den streng überwachten fruchtbaren Tagen einmal im Monat im Beisein des gesamten Haushalts im Rahmen der “Zeremonie” von “ihrem” Commander vergewaltigt. “Ihr” Commander? Richtig. Sobald sie seinem Haus zugeführt werden bekommen sie seinen Namen (Of-Fred) und der ändert sich, wenn sie in den Besitz eines anderen übergehen. Sollten sie schwanger werden, und ist das Neugeborene kein “Shredder”, gilt das Kind als Kind des Commanders und seiner unfruchtbaren Frau und die Handmaid wird spätestens nach der Stillzeit zum Zwecke einer erneuten Befruchtung in den nächsten Haushalt weitergereicht.

“Marthas” sind meist ältere Frauen jenseits der Gebärgrenze, die den Commander-Haushalt führen; kochen, putzen, Wäsche machen etc. Man ist versucht, an Martha Stewart als Rollenvorbild zu denken, die biblische Martha ist aber wohl wahrscheinlicher. Sie tragen taubenblaugrau und ihr Verhältnis zur Handmaid im Haus ist meist ambivalent. “Econowomen” werden fleißigen Economen zugewiesen, wenn fruchtbar, fein, wenn nicht, auch recht. Die sollen arbeiten. Alle Frauen haben den Kopf bedeckt zu tragen. Bis auf die Aunts und die Wives, die die Haare so streng nach hinten gekämmt und in Knoten gezwirbelt haben, dass man schon vom Hinsehen Kopfschmerzen bekommt.

Nun kommen wir zu einer ganz besonderen Gruppe legitimer Frauen, den “Aunts”. Diese Tanten sind zuständig für die Indoktrination, “Ausbildung” und Disziplinierungen der Handmaids und auf den ersten Blick mögen sie wie sadistische KZ-Wärterinnen oder grausame Nonnen erscheinen und sind es auch. Atwood wäre aber nicht Atwood, wenn diese Frauen nicht ebenfalls eine zweite und dritte Ebene hätten.

Illegitime Frauen, auch “Unwomen”, sind die, die einem Regime, in dem Sexualität eine Staatsangelegenheit ist, nicht nützen. Ältere, Lesben, Widerständlerinnen, zu lange unschwangere Handmaids (merke: die Schuld für mangelnde Empfängnis liegt immer bei der Frau!), politische Aktivistinnen, alles, was als “ungileadisch” gesehen werden kann. Man verschifft sie in die “colonies”, wo sie zur Zwangsarbeit gezwungen ohne Schutzkleidung radioaktive Erdschichten abtragen müssen und qualvoll verenden. Die letzte Kaste sind die “Jezebels”, das bestgehütete Geheimnis Gileads. Gutaussehende junge Frauen, die von den herrschenden Männern in geheimen Bordells als Prostituierte benutzt werden.

Erstes Opfer dieses Staates sind die Menschenrechte und, wie immer, wenn ein patriarchalisches System zum Maß aller Dinge wird, Frauen. Verstöße gegen Gileads Gesetze (wie gesagt, die Exegese der selbst passend gemachten Schrift ist ausschließlich in den Händen der kleinen Herrscherklasse) werden gemäß “biblischer Gerechtigkeit” geahndet, Auge um Auge (es gibt erschreckend viele einäugige Frauen), Zungen, Finger und Klitorides abgeschnitten, Körper ausgepeitscht, Psychen in Grund und Boden getrampelt. Das gilt naürlich nur, wenn das Vergehen nicht todesstrafenbewehrt ist. Sollte das der Fall sein, zum Beispiel bei “gender traitors” (LGBT) oder, Gott behüte, Schwangerschaftsabbrüchen, steht ein ganzes Repertoire an institutionalisierten Tötungsritualen zur Verfügung: Steinigen, Erhängen, Ersäufen, Erschlagen, Niederschießen…

Aber der Rachegott straft nicht nur. Nein, die Gerechten belohnt er. Indem er ihnen zum Beispiel ein Weib schenkt. Diese zukünftigen Ehefrauen sind dann schwer indoktrinierte Teenager in weiß, die in Gruppenhochzeiten vollverschleiert dem Auswerwählten anheimgegeben werden und zu deren Aussteuer ein Laken mit einem penisgroßen Loch gehört, denn Lust sollen sie auch in einer Ehe nicht empfinden. Nur dem Manne dienen, fruchtbar sein und sich mehren.

Die große Stärke dieser zweiten Staffel besteht, neben der genialen Bildsprache, darin, dass die Charaktere alle multidimensional sind. Daraus ergeben sich nahezu ständig situative Allianzen. Die auch wieder brechen. Oder gebrochen werden. Diese Figuren sind niemals durchgehend stark oder schwach, gut oder böse, sympathisch oder Ekelpakete. Jede/r versucht einfach nur im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu überleben und vielleicht sogar noch andere zu schützen. Die Autoren haben Atwoods ursprüngliche Geschichte, die mit der 1. Staffel endet, glaubhaft und ihrem Sinne weitergeführt, und nicht nur Frauen, sondern auch den Mitgliedern der LGBT-Gemeinde eine deutliche Stimme gegeben und eine ganz großartige Leistung vollbracht.

Bildsprache hatte ich schon erwähnt. Mache ich aber noch einmal; manche dieser Bilder haben sich so eingeprägt, dass sie in meinen Träumen noch einmal auftauchten.

Von ein paar kleinen Logikfehlern abgesehen – ich meine, selbst ich, der größte Orientierungsdepp seit Christoph Columbus, weiß, dass einem eine Landkarte nachts in einem dunklen (!) Wald nicht wirklich weiterhilft, hätte man es nicht besser machen können.

Anschauen! Anschauen! Anschauen! Anschauen!

Von wegen, coming home.

Zum Glück hat irgendwer hier in der Wohnanstalt eine Vuvuzela und bebläst das WM-Endspiel heute von zu Hause aus, sonst wäre es mir wieder so gegangen wie gestern, als ich gemütlich um 20:00 Uhr den Fernseher einschaltete und das Spiel um den 3. Platz schon lang vorbei war. (Ich bin Anfängerin beim Fußballschauen, woher soll ich wissen, dass die letzten Spiele nicht zur Prime Time übertragen werden? Hmmm?)

Glückwunsch an die Grande Nation. Trotzdem: Schad. Ich hätte mich gefreut, wenns der Underdog Kroatien geworden wäre…

Nachtrag: Kompliment, Wladimir Wladimirowitsch! Verschwitzte Männerkörper in strömendem Regen und dabei der einzige sein, der trocken unter einem Schirm steht – besser hätte man eine Siegerehrung gar nicht inszenieren können.

 

Frage 1: Habe ich das richtig gehört und wurde nach dem Spiel im Stadion Musik aus “Piraten der Karibik” gespielt?

Frage 2: Ich habe heute den Einspieler zur WM zum ersten Mal gesehen – der ist aber schon sehr von “Game of Thrones” inspiriert, oder?

Qual der Wahl

Bei der Süddeutschen wird heute gleich am Anfang ein Auswahlmenü an Überschriften geboten, entweder “Krawall und Kleinholz” oder “Leid und Mitleid”. Erstere ist gleich auf der Titelseite verfügbar und behandelt, wenig überraschend, 45; für letztere wird man auf die Seiten 6 (Politik) und 15 verwiesen (Feuilleton).

Bin noch nicht soweit, um berichten zu können, ob nun Politik für Leid und Kultur für Mitleid steht oder umgekehrt.

Again what learnt

Aus der amerikanischen Warte…

  • ist Salzburg quasi Florenz. Also eine alte Stadt mit alten Gebäuden. Der einzige Unterschied: Mozart.
  • schmeckt der Schokoladenkuchen beim Sacher recht fettig, “Nucking” hingegen sind mehr ein Einweißbaatz.
  • ist es verwunderlich, dass niemand dem König gesagt hat, dass es irgendwann auch mal langt, mit dem Schlösserbauen. Man kommt als Tourist ja gar nicht nach.
  • ist ein Kaiserschmarrn auch nur “a raisin pancake”, halt mehr kaputt und genauso “dense” und unfluffy wie all die anderen europäischen Mehlspeisen.
  • reicht es vollkommen aus, wenn man imstande ist, morgens beim Bäcker auf die Auslagen zu deuten und die Anzahl der gewünschten Semmeln mit den Fingern anzeigt. Kein Mensch dürfe gezwungen werden, ein Wort wie “Kürbiskernsesamsemmel” auszusprechen. (Die nachträgliche Aufnahme dieser Regel in die Genfer Konvention soll noch gesprüft werden.)
  • ist es schon ein wenig befremdlich, wenn man auf einem streckenmäßig verhältnismäßig kurzen Trip ständig Ländergrenzen überschreitet.
  • ist nichts leichter auszusprechen als “Großglockner”. Hätten die einem doch gleich sagen können, dass im Bergnamen eine Schußwaffe steckt.
  • ist es irgendwie nicht ganz nachvollziehbar, dass riesige Freiflächen mit Tischen und Bänken zugestellt sind, weil vielleicht irgendwann mal wer seinen Korb und die rotkarierte Decke anschleppt und dem Wirt ein Getränk abkauft. Schön fand er den Abend im Biergarten dann aber doch.
  • sind wir hier ein bißchen arm dran, was “wild life” angeht. Nur einen Problembären (und der schon lang tot), kaum Wölfe und noch nicht a mal poison oak oder ivy.

Schulmädchenreport

Ich hatte im vorigen blogpost schon erwähnt, dass in der Klasse meiner Kollegin kluge Frauen sind – siehe hierzu nachfolgende selbst miterlebte Geschichte:

In einem Vorlesetext sprach der Autor davon, wie ihn manchmal das Fernweh erfasse.

Frage einer Schülerin: Was ist das? “Fernweh”? Darauf antwortete der Lehrer: “Na, ihr kennt doch sicher alle Heimweh… (allgemeines sehr gedankenschweres Nicken) und Fernweh ist das Gegenteil.” Die Erklärung zog nur fragende Blicke nach sich. Anderer Ansatz: “Fragt euch einfach: wovon träumt der Mann?” Nach dieser Frage gingen die Augenbrauen nach oben und auf jedem Gesicht spielte ein ironisches Läccheln. Nächster Versuch: “Fernweh. Ferne. Karibik. Wo will der Mann sein?”

Eine der Lernenden wollte diesem Geziehe sichtbar ein Ende setzen und bot mit einem Grinsen an: “Vor dem Fernseher?”

Aus der Schule geplaudert

Mich hat schon immer brennend interessiert, wie der Deutsch-für-Ausländer-Sprachkurs meiner Kollegin abläuft und weil fragen ja oft hilft, durfte ich gestern teilnehmen.

Ganz schön anspruchsvoll! Huiuiui! Die Hausaufgabe hatte darin bestanden, aus einem etwas über eine halbe Din-A-4-Seite langen Text die wichtigsten Unterschiede zwischen autoritärer und antiautoritärer Erziehung zu destillieren und nun im Unterricht eine der beiden Positionen in einer Debatte zu vertreten. Die Gruppe besteht fast ausschließlich aus osteuropäischen Frauen, und das mag der Grund dafür sein, dass der Lehrer große Schwierigkeiten hatte, jemanden zu finden, die auch nur ein gutes Wort für Antiautorität übrig hatte. Noch nicht mal im Spaß, in einem Rollenspiel.

Ich glaube, ich saß in diesem Klassenzimmer wie Daniel Düsentrieb, dem ein Glühlämpchen nach dem anderen aufgeht. Theroretisch wars klar, aber mitzuerleben, wie bei bei dieser Art des Erwachsenenunterrichts nicht nur Sprachbarrieren, sondern extreme Unterschiede in Sozialisation und damit gelehrter und gelernter Geschichte, Wertesystemen, Religions- und Politikverständnis aufeinanderprallen, war dann doch noch einmal etwas ganz anderes.

Die Lektion des Abends bestand aus einer Kurzbiographie Siegfried Lenz’. Erste Aufgabe: Die wichtigsten Daten auf einen Zeitstrahl zu übertragen. Zu den bis dato unbekannten Vokabeln zählten unter anderem “Kriegsgefangenschaft”, “Gruppe 47, ein Literatenzirkel”, “Friedenspreis des Deutschen Buchhandels” und – klar – “So zärtlich war Suleyken”. Ein jeder Begriff eine Option, eine Meinung dazu zu haben und das in einem Umfeld, in dem der Unterrichtende permanent dem Risiko ausgesetzt ist, dass seine Meinungsäußerung zur Verallgemeinerung dessen führt, was und wie “die Deutschen” denken. Das ist eine stehende Einladung zum Machtmißbrauch und es steht zu befürchten, dass der, bewußt oder unbewußt, ständig passiert. Allein die gestern gefallenen Beispielsätze bergen mindestens Konfliktpotential, aber eigentlich Sprengstoff: “Mein Opa ist in russischer Kriegsgefangenschaft gestorben”, “In der Gruppe 47 organisierten sich linke Publizisten”, “Suleyken liegt in den ehemaligen deutschen Ostgebieten” – das hätte ich ganz sicher anders erklärt und jemand mit einer anderen politischen Einstellung nochmal unterschiedlich.

Wir haben hinterher noch lange darüber gesprochen und meine Kollegin hat mir versichert, dass sie alle denkende Menschen seien, und dergleichen durchaus im Kontext einordnen können. Glaube ich auch, die Gruppe bestand ausschließlich aus Akademikerinnen. Aber was ist mit anderen, weniger gebildeten Menschen? Wer überwacht, wer steuert, was sie zusätzlich zur Sprache vermittelt bekommen?

Diesen blogpost beende ich mit offenen Fragen, sollte wer Antworten haben: her damit!

Neulich am Eisbach

Blondie stürmt mit knatschgelber Billa-Tüte überm rechten, Surfboard unterm linken Arm sowie einem verzückten “iiis dös leiwand” auf die Fluten zu. Falls der Fendrich je noch mal ein Plattencover für “I am from Austria” brauchen sollte: besser gehts nicht.

Aus dem Vokabelheft

Aus dem Wörterbuch eines Bullys*: to lambaste – verkloppen, verhauen, verdreschen, vermöbeln.

lambaste

 

* Da, wo im Deutschen der Begriff “Mobbing” verwendet wird, spricht der Angelsache von “bullying”.

Eiersalat

Seit heute weiß ich, dass Fußbälle die unangenehme Eigenschaft haben können, den Männern auf dem Felde “in die Familienplanung” zu donnern.

Dank dafür dem Kommentator Oliver Schmidt.