Ronda

Hab ich eigentlich schon von unserem Ausflug nach Ronda erzählt? Nein, nicht antworten. Ich weiß, dass ich das noch nicht getan habe, auch wenn er schon am Montag vor einer Woche stattgefunden hat. Aber man kommt ja auch zu nix, s.a. –> Diazepam, andalusisches. Jetzt aber. Nicht, dass ich das noch aus der Münchner Kälte tun muß und mich dann nicht mehr erinnern kann, an die maurische alte Altstadt (La Ciudad) mit ihren von der Sommerhitze aufgeladenen Steinen und den wunderschönen Fächer, den man mir dort verkauft hat. (Ich glaube, den wollte sonst niemand, weil er keine Sternchen und Rüschen und Glitzersteinchen und noch nicht mal aufgestickte Blüten hat. Ich find ihn toll.) Oder die neue Altstadt (El Mercadillo) mit ihren von der Sommerhitze aufgeladenen Steinen. Oder die Puente Nuevo („Neue Brücke“), die die beiden über die Tajo de Ronda (Schlucht) verbindet. Oder die Neustadt, die kein Stück weniger aufgeheizt ist.

Wir bewegen uns in der Mittagshitze von Schatteninsel zu Schatteninsel, und machen gerne eine Zwischenrast auf von Schattenbäumen umstandenen Plätzen, auf denen Herren in engen schwarzen Hosen und weiten weißen Hemden klassische Gitarre spielen, bis wir den Bolero zum Anlaß nehmen, das mit dem Bewegen sein zu lassen und stattdessen auf einer von einem leichten Lüftchen umspielten Terasse mit grandiosem Blick Tinto de Verano, Paella (manchmal muß man Klischees bedienen) und Kaffee? claro, auch Kaffee nehmen und dem Tag beim Verstreichen zusehen. Nach der Siesta besichtigen wir Ca’a Don Boco* und erfreuen uns vor allem an den schönen Garten- und Brunnenanlagen (ui, Springbrunnen, ui, Bänkchen) und ich bin fast nicht mehr aus der Bibliothek wegzubekommen, wo der Kanon der spanisch-sprachigen Literatur in schönen ledergebundenen Bänden zu bewundern ist. Während Karin Christoph die Stierkampfarena und den Park in der Neustadt zeigt (kenne ich schon vom letzten Mal), beobachte ich auf der Plaza Touristen; ist auch wichtig. Asisaten beiderlei Geschlechts tragen heuer gerne Imkerhut mit dichten Vorhängen, wenn nicht, dann stattdessen Knirps, kopfnah. Die Damen entscheiden sich mehrenteils für einteilige Kinderspielhosenschnitte mit Karos oder dicken Tupfen bedruckt, die Herren tragen lieber voluminöse Kameraobjektive vor dem Bauch. Selfiesticks sind sehr Vorjahr und kommen nicht mehr allzu häufig vor.

Auf dem Weg zum Parkplatz kommen wir wieder durch so einen Park mit Gitarrenmann und der spielt ganz herzzerreißend schön Cohens Hallelujah und weil ich ja keine schnellen Handybildchen mehr knipsen kann, merke ich mir den Moment. Dann lösen wir das Auto für knallhart kalkulierte €7,76 aus und dann fahren wir nach Aldi und wie das geht, brauche ich nicht zu erzählen, das weiß jeder selber.

 

* Wer beim Andalou-Lehrgang aufgepaßt hat, weiß, dass es sich nur um das Haus des Don Bosco (Casa Don Bosco) handeln kann.

Suboptimales Timing

Wenn eine nach Andalusien ausgewanderte langjährige Frankfurterin mitteilt, “mein Freund ist auf den Wiesen”, dann meint sie nicht, dass er abends mit den Schäflein zurückkommt, sondern vielmehr, dass er in großen Zelten aus großen Krügen viel Bier trinkt und wir ihn dieses Mal leider nicht kennenlernen werden.

Wie jetzt?

Morgen um die Zeit sollen wir schon am Flughafen sein und wieder heimfliegen? Wir sind doch quasi gerade erst angekommen? Wann ist denn das passiert?

Dabei haben wir doch noch gar nix vom vorgesehenen Programm abgearbeitet, sind nicht mit dem Zug nach Algeciras gefahren, waren weder an der Küste und noch auf der Alhambra und haben selbst Parahawking und die Vollmondwolfsheulnacht ausgelassen. Und hatten trotzdem eine sehr gute Zeit.

Aus uns wird einfach kein guter Tourist.

Rundfahrt

Ganz wichtig beim Reisen: Augen auf bei der Wahl seiner Gastgeber! Mit Karin haben wir da das ganz große Los gezogen – sie hat uns gestern in ihr Dust Cart (so nennt man PKWs nach spätestens einem andalusischen Sommer) gepackt und wir haben eine sehr schöne Fahrt in die Berge unternommen.

Erst nach Grazalema. Da wird aber gerade der neue Fußballplatz eingeweiht und alle alle wollten dabei sein, Hinzo und Kunzo, Pepe und Grete. Es ist voll, laut und heiß, no, no, das ist nix für uns. Da fahren wir doch lieber in das pueblo blanco (in Personalunion mit Käsemetropole) Villaluenga del Rosario und steigen in der Mittagshitze auf zu Kirche und Plaza, Stierkampfarena und Mirador. Ehrlich, ich hab nix gegen Bergdörfer, aber muß man denn wirklich jedes einzelne so steil in den Hang bauen? Hmmm? Mit immer noch einem Gipfel und einem Höhenwanderweg drüber?

Zum Glück gibts in der Talstation eine Venta mit Käseverkauf und da bekommen wir Payoyo im Romeromantel (Ziegenkäse in einer dicken Schicht aus Rosmarin drumrum) und einen ganz besonderen Schafskäse, den Preisträger des World Cheese Award (wird in Birmingham, of all places, verliehen) und ich lasse mir vom geduldigen Käsehändler erklären, dass das bläulich-schwarze Bäh auf der Unterseite des Laibes nicht etwa Schimmel ist, sondern das Siegel, das mich vor falsificación bewahre. Ja dann. Wieder was gelernt. Auf dem Rückweg zum Auto kommen wir noch an einem Ledergeschäft vorbei und müssen über den Geschmack der hiesigen Menschen, was Farbe und Form von Stiefeln angeht, doch sehr staunen. Jetzt im Sommer trägt die Andalusierin gerne ziegelsteinförmige Klumpen unter dem Fuß, im Winter anscheinend seltsam pastellfarbige Stiefel mit Keilabsätzen. Saisonunabhängig, aber unabdingbar scheint viel Glitzer in Gold und/oder Silber.

Wir versuchens noch einmal mit Grazalema, aber das ist immer noch überlaufen von fútbol-affinen Menschen – dann eben nicht, bleibt es halt ein auf dieser Reise unbesichtigtes Dorf und wir haben einmal weniger steile Gassen, Kirche, Plaza, Stierkampfarena und Mirador. Paßt schon, denn jetzt serpentint Karin die alte Paßstraße hinauf, bis zum Puerto de las Palomas auf 1357m, wo man an guten Tagen bis nach Afrika sehen kann (wenn man vorher den steilen Weg zur Aussichtsplattform hochklettert). Siehe hierzu meine Ausführungen zum Thema Bergdörfer weiter oben.

Es ist glutheiß und sehr schwer vorstellbar, dass es hier tatsächlich Jahreszeiten geben soll, in denen die “Hielo”- und Schneeflockenwarnschilder ihre Berechtigung haben. Brrrhhhh! Sin mí! Nach dem Taubenpass halten wir viele Serpentinen später am Ölbaumpass (Puerto de los Acebuches), von wo aus man einen gigantischen Blick in die Garganta Verde (Grüne Schlucht) sowie auf den Stausee (auf der anderen Straßenseite) hat.

Am Ende der Straße liegt Zahara (genau, das Dorf gegenüber von Karins Berg). Offensichtlich haben alle, denen es in Grazalema zu voll war, sich entschieden, den Kaffee in Zahara zu nehmen. Die bisher engsten und steilsten Gassen von allen, zu deren Baulegung man allein für die Idee eines selbstfahrenden esellosen Karrens schon auf den Scheiterhaufen gekommen wäre, sind vollgepackt mit Menschen, abenteuerlich geparkten Autos und aus ihren Begrenzungen quellenden Straßencafés. Karin läßt sich nicht schrecken und fährt uns vorbei an Kirche, Plaza, Stierkampfarena und, Bonus, Burg. Wir halten die Luft an und geben erleichterte Laute von uns, wenn wieder so ein Gefälle ohne Verluste an Leib und Leben achtlos herumlaufender Passanten oder hineingrätschender Kraftfahrzeugkollegen überstanden ist.

Holla! Den Kaffee danach mit Blick auf den See haben wir uns alle verdient und Karin ganz besonders.

Und morgen ist schon unser letzter Tag.

Fragmento

Wenn, wie heute Nacht, die Hunde von den umliegenden Bergen sich heiser bellen, ist eines klar: die haben die Regeln von “Stille Post” nicht verstanden. Wenn dann beim ersten hellen Streifen am Horizont die Hähne einstimmen, darf man getrost davon ausgehen: die auch nicht. Dass im Lauf der nächsten Stunde die Schafe auch noch mittun, ist dann auch schon igual.

Mir komme noch einmal einer mit Lärm und Hektik in der Stadt vs. Ruhe und Idylle auf dem Land. Mensch.

Otoño

Seit bei Levante die Luft raus ist und der Mond auf Diät, ist irgendwas anders. Die Tage sind zwar immer noch heiß, aber zum ersten Mal zeigen sich Wolken, Kissen von Bänken und Stühlen müssen abends nach drinnen, zum Schlafen deckt sich der Mensch auf einmal gerne zu, und morgens um 3:00 strahlt Orion vom Himmel.

Herbst liegt in der Luft.

(Aber immer noch lieber hier als daheim, wo von Nachtfrösten und Rauhreif berichtet wird. Brrrhhh!)

Fragmento

Die andalusische Küche ist gut. Aber sehr gewürzarm.

Ein bißchen beneide ich sie, die ExPat vom Nebentisch, die ihre Mahlzeit mit einer “Notwehrpfeffermühle” (“immer an der Frau”) aufpeppt.

Vamos a la escuela

Nein, mein Spanisch ist nicht gut. Es ist noch nicht einmal schlecht, ich kanns einfach nicht. Ja, man kann sich so einiges herleiten, von der geschriebenen Sprache leichter als von der gesprochenen (s. –> Andalou), auch Liedertexte helfen, aber wie oft kann man hier oben in den Bergen schon zu “Vamos a la playa” auffordern, ohne Zweifel am eigenen Verstand zu säen (was will die Frau uns sagen?).

Seit Karin es mit mir geübt hat, kann ich immerhin mein hiesiges Lieblingsgetränk “Tinto de Verano” (Sommerwein) schon selbständig bestellen und bekomme dann ein großes Glas Rotwein mit Zitronenlimo auf ordentlich Eis und gegebenenfalls sogar einem Orangenschnitz. Würde ich daheim nicht mit der Beißzange anrühren, schmeckt aber in einer lauen spanischen Sommernacht ganz wunderherrlich – wie die süße Rotweinschorle aus meinen Württemberger Jugendtagen. Für die Bestellung von Tapas ist entweder Karin zuständig (in ordentlichem Spanisch) oder ich (ausdrucksvolles Deuten). Manchmal gibt es auf den Speisekarten deutsche Übersetzungen, aber diese Schönheiten haben einen eigenen blogpost verdient (stay tuned). Essen zu bekommen klappt auf jeden Fall irgendwie immer (verständnisvolle Kellner).

Nach dem Essen trinken wir immer Kaffee und das erzähle ich nicht wegen unserer Eßgewohnheiten, sondern wegen der Spanischlektionen. Zum Kaffee gibt es Zucker, und auf den Zuckerpäckchen sind immer philosophische Sentenzen abgedruckt. Und die übersetzen wir unter Anleitung von Professora Karin (und Leo, ihrem elektronischen Assistenten).

Manchmal übertreffen wir das Original (Lieber ein Bleistift in der Hand, als ein Füller auf dem Dach), manchmal machen wir uns die Doppeldeutigkeit* eines Begriffes im Spanischen zunutze oder verhunzen** das ursprüngliche Zitat gründlich und manchmal bauen wir Hübsches auf Deutsch-Andalusisch und erschaffen einen Lu-Ausfall***. In Einzelfällen aber geben wir uns wirklich Mühe:

Dale limosna mujer, que no hay en la vida nada como la pena de ser ciego en Granada. (Francisco de Asís María de la Presentación Manuel del Sagrado Corazón de Icaza y Beña)

Leo hat uns mit den Begriffen limosna (Almosen, Spende) und ciego (blind) geholfen, den Rest haben wir alleine geschafft: Gib reichlich, Frau, denn es gibt keinen schlimmeres Schicksal, als ein Blinder zu sein in Granada.****

Und wenn das nicht als sehr arg wunderschöne Poesie gildet, dann weiß ich auch nicht…

 

* El tiempo bedeutet im Spanischen gleichermaßen Zeit wie Wetter. Und so wird aus confia en el tiempo in der freien Laienunsinnsübersetzung: Das Wetter heilt alle Wunden.

** faltara una gota = eine Ziege falten

*** Luz = das Licht. Im s-befreiten Andalusisch: Lu.

**** Vergleiche hierzu Google Translate: Gib ihm Almosenfrau, dass es im Leben nichts gibt wie der Schmerz, in Granada blind zu sein.

Nachtrag: Habe bei der spanischen Entsprechung der Dudenredaktion übrigens um eine Änderung angesucht: Ich finde meine persönlich selbst erfundene Avenida de leche viel hübscher als Vía Láctea. Nämlich.

The Answer, my friend

Wenn Levante sich bei seinem Aufenthalt nicht genügend geschätzt oder gar beschimpft fühlt, schickt er einem nach seinem Abgang seinen Kumpel Windstille. Der gibt zwar keinen Mucks von sich, kann aber Mücken.

Wenn die Menschen dann rumjammern, dass “so ein bißchen Wind” vielleicht doch ganz gut sei, weil er die kleinen Saubiester wegbläst, bevor sie auf die Idee kommen, autsch, schon wieder zuzustechen, autsch, dann sitzt Levante in seinem Schaukelstuhl auf der Terasse seines Hauses irgendwo hier in den Hügeln, ein breites Grinsen auf dem furchigen Antlitz.

A Ruah is

Nicht nur, dass Levante, der Lump, lärmt wie nicht gescheit, nein, er hat auch noch das Wasser im Pool empfindlich heruntergekühlt und Schwimmen gegen die Strömung eingeführt. Wirklich kein Wunder, dass den keiner mag und alle sich freuen, dass er letzte Nacht endlich aufgehört hat, allen verfügbaren Staub von draußen nach drin zu verlagern.

Heute hört man nur noch das Übliche, Hähne, Schafe, Hunde und den einen oder anderen Helikopter, der nach Waldbränden Ausschau hält. Damit kann man leben.

Wir schnappen uns dann mal unseren Leihhund und gehen an ein Wasser.