Rundfahrt

Ganz wichtig beim Reisen: Augen auf bei der Wahl seiner Gastgeber! Mit Karin haben wir da das ganz große Los gezogen – sie hat uns gestern in ihr Dust Cart (so nennt man PKWs nach spätestens einem andalusischen Sommer) gepackt und wir haben eine sehr schöne Fahrt in die Berge unternommen.

Erst nach Grazalema. Da wird aber gerade der neue Fußballplatz eingeweiht und alle alle wollten dabei sein, Hinzo und Kunzo, Pepe und Grete. Es ist voll, laut und heiß, no, no, das ist nix für uns. Da fahren wir doch lieber in das pueblo blanco (in Personalunion mit Käsemetropole) Villaluenga del Rosario und steigen in der Mittagshitze auf zu Kirche und Plaza, Stierkampfarena und Mirador. Ehrlich, ich hab nix gegen Bergdörfer, aber muß man denn wirklich jedes einzelne so steil in den Hang bauen? Hmmm? Mit immer noch einem Gipfel und einem Höhenwanderweg drüber?

Zum Glück gibts in der Talstation eine Venta mit Käseverkauf und da bekommen wir Payoyo im Romeromantel (Ziegenkäse in einer dicken Schicht aus Rosmarin drumrum) und einen ganz besonderen Schafskäse, den Preisträger des World Cheese Award (wird in Birmingham, of all places, verliehen) und ich lasse mir vom geduldigen Käsehändler erklären, dass das bläulich-schwarze Bäh auf der Unterseite des Laibes nicht etwa Schimmel ist, sondern das Siegel, das mich vor falsificación bewahre. Ja dann. Wieder was gelernt. Auf dem Rückweg zum Auto kommen wir noch an einem Ledergeschäft vorbei und müssen über den Geschmack der hiesigen Menschen, was Farbe und Form von Stiefeln angeht, doch sehr staunen. Jetzt im Sommer trägt die Andalusierin gerne ziegelsteinförmige Klumpen unter dem Fuß, im Winter anscheinend seltsam pastellfarbige Stiefel mit Keilabsätzen. Saisonunabhängig, aber unabdingbar scheint viel Glitzer in Gold und/oder Silber.

Wir versuchens noch einmal mit Grazalema, aber das ist immer noch überlaufen von fútbol-affinen Menschen – dann eben nicht, bleibt es halt ein auf dieser Reise unbesichtigtes Dorf und wir haben einmal weniger steile Gassen, Kirche, Plaza, Stierkampfarena und Mirador. Paßt schon, denn jetzt serpentint Karin die alte Paßstraße hinauf, bis zum Puerto de las Palomas auf 1357m, wo man an guten Tagen bis nach Afrika sehen kann (wenn man vorher den steilen Weg zur Aussichtsplattform hochklettert). Siehe hierzu meine Ausführungen zum Thema Bergdörfer weiter oben.

Es ist glutheiß und sehr schwer vorstellbar, dass es hier tatsächlich Jahreszeiten geben soll, in denen die “Hielo”- und Schneeflockenwarnschilder ihre Berechtigung haben. Brrrhhhh! Sin mí! Nach dem Taubenpass halten wir viele Serpentinen später am Ölbaumpass (Puerto de los Acebuches), von wo aus man einen gigantischen Blick in die Garganta Verde (Grüne Schlucht) sowie auf den Stausee (auf der anderen Straßenseite) hat.

Am Ende der Straße liegt Zahara (genau, das Dorf gegenüber von Karins Berg). Offensichtlich haben alle, denen es in Grazalema zu voll war, sich entschieden, den Kaffee in Zahara zu nehmen. Die bisher engsten und steilsten Gassen von allen, zu deren Baulegung man allein für die Idee eines selbstfahrenden esellosen Karrens schon auf den Scheiterhaufen gekommen wäre, sind vollgepackt mit Menschen, abenteuerlich geparkten Autos und aus ihren Begrenzungen quellenden Straßencafés. Karin läßt sich nicht schrecken und fährt uns vorbei an Kirche, Plaza, Stierkampfarena und, Bonus, Burg. Wir halten die Luft an und geben erleichterte Laute von uns, wenn wieder so ein Gefälle ohne Verluste an Leib und Leben achtlos herumlaufender Passanten oder hineingrätschender Kraftfahrzeugkollegen überstanden ist.

Holla! Den Kaffee danach mit Blick auf den See haben wir uns alle verdient und Karin ganz besonders.

Und morgen ist schon unser letzter Tag.

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